Kategorien
Neubrandenburg

Real im Bethaniencenter: Wie lange noch?

realSupermarkt-Blogger und Krautreporter Peer Schader begründet hier, warum die Supermärkte auf der grünen Wiese sterben werden. Er macht das am Beispiel Real fest, und hier wird es für Neubrandenburg interessant. Real hat ein Dutzend von 280 Märkten schließen müssen, heißt es, und dies seien die Gründe:

– die Lage in hässlichen Industriegebieten janz weit draußen
– hässliche, riesige Märkte
– hässliche, riesige Parkplätze
– Elektrogeräte und Gartenmöbel werden lieber im Netz bestellt
– die Menschen kaufen weniger auf Vorrat als früher
– und:

Seit geraumer Zeit baut der Handel seine Läden deshalb nicht mehr nur an Orte, wo die Pacht am günstigsten ist – sondern dort, wo die Menschen wohnen und ihr Geld verdienen.

Schader zitiert Hirnforscher, die erkannt haben wollen, dass Menschen „bei einer zu großen Auswahl unterbewusst Teilmengen bilden, also bestimmte Produkte oder Produktgruppen im Hintergrund aussortieren, um sich selbst die Entscheidung zu erleichtern.“ Soll heißen: Ich kucke und wähle und kaufe nur das, was ich ungefähr schon kenne. Und wenn 80.000 Produkte angeboten werden und ein Durchschnitts-Haushalt nur etwa 300 davon kaufen könnte, dann bleibt da viel Ausschuss.

Für den Real-Markt im Bethanienberg-Center sehe ich allerdings wenig Probleme. Im Flächenland MV rentieren sich „Einmal hin, alles drin“-Märkte vielleicht eher als in Ballungszentren. Problematisch ist hier eher der „Ich kaufe da immer mehr ein, als ich wollte“- sowie der Zeit-Aspekt: Mal in zehn Minuten flink alles fürs Abendbrot einholen ist da nicht drin.

Meine Prognose: Wenn sich der Bio-Tante-Emma-Trend in den Dörfern der Region ausweitet, könnte Real auch hier Probleme bekommen. Ansonsten wird der quadratkilometergroße Parkplatz gerade vor Wochenenden und Feiertagen weiterhin gut bis sehr gut gefüllt sein.

Kategorien
Neubrandenburg

Die große Verwirrung auf dem Friedrich-Engels-Ring

175/365

Foto: Tom Wachtel via Flickr unter CC-Lizenz by-nc-nd

Zwei Teilnehmer des Stadtverkehrs in Neubrandenburg haben heute Morgen ziemlich blöd aus der Wäsche gekuckt. Ich weiß das, weil ich direkt hinter ihnen gefahren bin. Jetzt, nachdem sich der Schreck gelegt hat, dürften sie langsam anfangen, sauer auf diejenigen zu sein, die auf dem Friedrich-Engels-Ring Höhe Stargarder Tor die Straßenmarkierungen zu verantworten haben.

Der Nordkurier hatte bereits darüber geschrieben. Aufgrund der Dauerbaustelle war an der Abzweigung der B96 Richtung Berlin der Straßenverlauf geändert worden, um den Verkehr bestmöglich zu leiten. Von zwei Baustellen-Spuren ging es auf drei reguläre Spuren, dabei durfte die rechte Baustellen-Spur nur auf die rechte oder abbiegen, die linke Baustellen-Spur durfte auf die mittlere oder linke fahren.

So weit, so gut. Das Problem: Die Markierung hielt nicht. Das begann zu verwirren, denn ohne Markierung müsste die rechte Baustellen-Spur laut StVO auf die rechte und mittlere Spur fahren dürfen. Die Fahrer der rechten Baustellen-Spur hatten jetzt die Wahl: Fahre ich wie auch die letzten Tage und Wochen nur auf die rechte Spur, oder darf ich – wie es die regulären Straßenmarkierungen erlauben würden – auch auf die mittlere weiter geradeaus fahren.

Ich schätze mal, gerade die Neubrandenburger und die regelmäßigen Ring-Befahrer haben immer wieder auch ohne Markierung die ursprüngliche Variante praktiziert, wogegen Auswärtige stur das gefahren sind, was die Markierungen hergeben. Dass ein Straßenschild ein paar Meter vorher alles nochmal fein säuberlich aufdröselt, dürfte den meisten dabei egal sein.

Nun, die Markierungen wurden erneuert, rechte Spur nur nach rechts, alles war wieder im Lot. Jetzt aber ist die Markierung wieder ab, und prompt knallt es. Auto auf der rechten Spur fährt – nach Markierung –geradeaus, Auto auf der linken biegt – nach Erfahrung – auf die mittlere Spur und rammt das andere.

Niemandem ist etwas passiert, zumindest heute Morgen nicht. Aber irgendjemand muss sich jetzt schleunigst etwas einfallen lassen. Und wenn mich nicht alles täuscht, habe ich in anderen Städten auch schon Baustellenmarkierungen erlebt, die sich nicht nach ein paar Wochen von der Straße verkrümelt haben.

Kategorien
Neubrandenburg

Was wird in Neubrandenburg auf Block 16 gebaut?

Die Stadt wird am Herzen operiert. Schon bald. Jetzt weiß man, wo es hinführen wird. Und nicht alle sind so ganz zufrieden damit.

Ich habe mal ein paar Tweets und Texte und Dings zum Thema zusammengeschmissen. Fortsetzung folgt.

Kategorien
Neubrandenburg

Ist Neubrandenburg nicht lustig?

„Herzliche Grüße und Glückwünsche an Frau Dr. Kuhk zur erfolgreichen OB-Wahl“, lästert der FDP-Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl in Neubrandenburg jetzt über eine ganz spezielle Anzeige der CDU-Frau. Der Nordkurier fasst das ganze hier zusammen. Und Manfred Pawlowski scheint seine Schäfchen, sprich wahlberechtigte Bürger, ganz genau zu kennen, denn er stellt abschließend fest, was ein Großteil der Neubrandenbürger so gar nicht mag und kann:

Ob sich das bei der nächstfolgenden am 1. März wiederholen wird, scheint bei der bekannten Abstinenz vieler Neubrandenburger gegenüber Witz, Ironie oder gar Sarkasmus wenig wahrscheinlich.

Kategorien
Neubrandenburg Politik

Technik in der Gastronomie, jetzt neu: Blinkbrummdingse und Anzeigetafel

Coffee Bubbles

foto:picturezealot mit cc-lizenz

Die Technik hat unsere Wohnzimmer erobert, unsere Klassenzimmer, die Fußgängerzonen, die Busse und Bahnen. Jetzt ist eine weitere Bastion fällig.

Denn du kannst noch zu Fuß in ein Restaurant gehen, deinen gebratenen Tollensehecht und das Gläschen Riesling von einer Speisekarte auswählen und anschließend bar bezahlen, alles noch recht stromfrei also. Zwei Mal innerhalb kurzer Zeit bin ich jetzt aber bei uns über komisches Gastro-Tech-Zeugs gestolpert, das irgendwie aus den Gegenden mit den vielen Menschen hierhergeschwappt sein muss.

– – –

Da sitze ich Nachmittag in einem Bäckerei-Café und will eine Tasse Kaffee trinken. Vor mir vier Kaffeeklatschtanten, die irritiert sind. Denn seit ein paar Tagen herrscht hier „Selbstbedienung“, und die geht so: Mit der Bestellung bekommt man ein quadratisches, handtellergroßes flaches Plastedings, das anfängt zu summen und zu blinken, sobald alles fertig ist. „Na gut“, sagt eine Klatschtante, „brauchen wir wenigstens kein Trinkgeld bezahlen.“ Alle lachen, auch die drei Backwarenverkäuferinnen, die gerade im Dienst sind.

Ich bin an der Reihe, bezahle meine Tasse Kaffee und setze mich mit dem Blinkbrummdings an meinen Tisch. Kaum habe ich meine Jacke ausgezogen und es mir bequem gemacht, blinkt und brummt es. Ich wische und drücke und schüttele, aber das Blinkbrummdings blinkbrummt munter weiter. Ich sehe, dass eine Verkäuferin hinter dem Tresen, der etwa drei Armlängen von meinem Tisch steht, meine Tasse Kaffee fertig hat. Ich stehe auf, um sie mir abzuholen und das Gerät endlich loszuwerden, das langsam anfängt zu nerven. Auf halbem Wege, also etwa nach zweieinhalb Schritten, kommt mir die Verkäuferin entgegen und übergibt mir meinen Kaffee.

Ich fasse zusammen: Anstatt mir eine Tasse Kaffee zu machen und mir mit zehn Schritten an den Tisch zu bringen oder mich wahlweise mit einem galanten „die Tasse Kaffee?!“ (mehr Freundlichkeit würde in der Region komisch wirken) auf den Produktionsschluss des Produkts hinzuweisen, auf dass ich dann die zehn Schritte gehe, zieht es die Bäckerei vor, den Kunden ein Blinkbrummdings in die Hand zu drücken, das er dann wieder am Tresen abgibt, wenn der Kaffee fertig ist. Gespart haben die Verkäuferinnen bei dieser Prozedur das galante „die Tasse Kaffee?!“, dafür rennen die Kunden mit Blinkbrummdingern durch den Laden.

Die Klatschtanten sind höchst belustigt ob der vier Mini-Ufos auf ihrem Tisch. Beim Tortenabholen sagt eine: „Früher war es aber irgendwie besser“, und die Verkäuferin weist pflichtbewusst auf die Vorteile hin, wenn’s denn mal richtig voll ist.

– – –

Zweite Station: der neue Burgerkult in Neubrandenburg. War ziemlich lecker dort, es geht doch weniges nur über frisch gebratenes Fleisch. Um an das gute Stück zu gelangen, musste ich allerdings eine Nummer ziehen, auf einer Anzeigetafel werden dann die fertigen Nummern angezeigt. Wieder sitze ich etwa drei Meter vom Tresen entfernt, um die Anzeigetafel zu erkennen, muss ich aufstehen und an den Tresen gehen. Als mein Burger fertig ist, stehe ich also auf, gehe an den Tresen, drehe mich um, erkenne meine Nummer, drehe mich wieder um, gebe den Nummernzettel ab, nehme meinen Burgerteller und setze mich wieder.

Ja, wenn der Laden voll ist, werden Anzeigetafel und Blinkbrummgeräte die Effizienz der Gästerverköstigung um mindestens 17 Prozent erhöhen, da bin ich mir sicher. Wenn der Laden leer ist – und wir sind hier nun mal in Mecklenburg-Vorpommern und haben Erfahrung mit nicht-vollen Läden –, dann sorgt das alles mindestens für Erheiterung.

– – –

Und mir fällt auf, dass das Arbeitsamt-Konzept „Nummern ziehen feat. Anzeigetafel“ ausgeweitet werden sollte. Statt „der Nächste, bitte!“, unmissverständlich von Schwester Monika ins Wartezimmer trompetet, könnte die jetzt zu behandelnde Nummer 381 auf der Tafel auch gleich sehen, in welchem Behandlungszimmer sie jetzt noch eine halbe Stunde halbnackt auf den Arzt warten darf.

Auch in der Schule könnte eine Anzeigetafel für ordentlich Ruhe sorgen. Statt des hektischen Meldens könnten die Wissbegierigen mit ihrem Handy (das dann auch nicht mehr ständig eingezogen werden müsste) ihr „Ich weiß was!“ per Knopfdruck kund tun. Der Lehrer ruft nur kurz „217!“, denn wer kann sich schon alle Namen merken?, und Ben „217“ Müller legt los.

In der Geburtsklinik sollte eine Anzeigetafel den diensthabenden Hebammen signalisieren können, welches Baby denn mit welcher Wahrscheinlichkeit als nächstes zu schlüpfen gedenkt; das ständige am-Bett-rumsitzen nervöse-Väter-betüttern fiele dann flach. Im Supermarkt: nur noch eine Schlange an der Kasse, Nummern ziehen, Anzeigetafel! Beim Familienessen: Per Touchpanel können die Eltern festlegen und signalisieren, welches Kind als nächstes die Erlebnisse des Tages referieren darf.

Hach, die Welt braucht viel mehr Struktur, Reihenfolge, Ordnung. Sie braucht mehr Signalgeräte und Anzeigetafeln! Patriotische Europäer gegen die Individualisierung des Abendlandes!

Denn individuell ist ineffizient.

Kategorien
Medien Neubrandenburg

Luftvideos aus Neubrandenburg und Burg Stargard

Vor einigen Tagen muss eine rote Cessna über der Gegend gekreist sein. Darin: Robert Grahn. Der 50-jährige Potsdamer düst mit seinem Flugzeug, das gerade mal zwei Jahre jünger ist als er selbst, in der Welt umher und fotografiert. Das macht der Mann professionell, seine Luftbilder und -videos bietet er über Euroluftbild.de und Luftvideo.de an. Auch an einem äußerst umfangreichen DDR-Bildarchiv wirkt Robert Grahn mit.

Aus seinem Trip gen Neubrandenburg sind drei Aufnahmen entstanden. Grahn kreiste dabei über der Justizvollzugsanstalt auf dem Neubrandenburger Lindenberg, über der Burg Stargard und der Neubrandenburger Innenstadt. Grahns Youtube-Kanal habe ich jedenfalls erstmal abonniert, seine kurzen Aufnahmen aus aller Welt sind ziemlich sehenswert.

Kategorien
Neubrandenburg Politik

Wo sind all die Bäcker hin?

backforgood

Screenshot Die Zeit

„Fragt doch die Leute!“, hat sich Die Zeit gedacht und dann die Leute gefragt, wo es Bäckereien gibt, die noch selbst backen, also Teig zubereiten, rin in den Ofen, raus aussem Ofen, verkaufen. Mehr als 15.000 Menschen haben geantwortet, und es ward eine Karte. Der Beitext konnte leider der Überschrift „Back for good“ nicht widerstehen, wartet dafür aber mit der, wie ich finde, erstaunlichen Statistik auf, wonach Ende des 19. Jahrhunderts fast viermal so viel Brot wie heute gegessen wurde.

Für Neubrandenburg und nähere Umgebung gibt es demnach genau einen Bäcker, der diesen Namen noch verdient. Die Bäckerei Gesche mit Stammsitz in der Oststadt fertigt ihre Produkte nach eigenen Angaben alle Produkte in der Backstube, „ausschließlich nach eigenen Rezepturen“ und unter Verzicht auf Backmischungen und zugekaufte Produkte.

Das finde ich gut. Aber ist Gesche hier in der Gegend wirklich der letzte echte Bäcker? Gibt es die nächsten richtigen Backstuben erst wieder in der Uckermark, auf Usedom, in Neukalen und Waren an der Müritz, wie es die Zeit-Karte zeigt? Ich kann das gar nicht richtig glauben – die Übersicht erhebt auch nirgends den Anspruch auf Vollständigkeit – und will deshalb die Frage noch mal stellen: Wo gibt es hier eigentlich noch Bäckereien, wo nicht nur auf-, sondern noch selbst gebacken wird?

DISCLAIMER: Dieses Blog ist hier Stammkunde.
Kategorien
Musik Neubrandenburg

Depeche Mode goes dokumentART

Au fein. Göteborger Depeche-Mode-Fans haben einen Dokumentarfilm gemacht und wollen im nächsten Jahr flink über die Ostsee huschen und nach Neubrandenburg kommen. „A film of faith and devotion“ soll, so ist der Plan, bei der dokumentART 2015 laufen, und das kann man ja nur mit einem kräftigen Reach out and touch faith! begrüßen. Wenn ich die Ankündigung auf depechemode.de hier richtig verstehe, ist zwar der Film schon fertig, die dokART-Teilnahme aber noch nicht fix. Nun denn, toi toi toi.

Der Film ist über „das Lebensgefühl von Depeche Mode-Fans, ihre Sammelleidenschaft von Fan-Utensilien bis hin zu der Magie, die zwischen den Fans und der Band herrscht“, und ein Schnipselchen kann man auch schon sehen … na ja, ein Tüp steht vor einem CD-Regal und sagt was auf Schwedisch:

A Film Of Faith And Devotion – TRAILER from Thyselius & Marchione on Vimeo.

Ein bisschen mehr Pep hat hingegen folgender Ausschnitt aus „The Posters Came from the Walls“, einer anderen DM-Fan-Doku, da möchte man doch gleich mitmarschieren:

Und warum steht das hier eigentlich in diesem Blog? Deshalb.

Kategorien
Neubrandenburg

1988 hatten sie noch Reserven: Jugendliche in Neubrandenburg

datzeberg

Sie leben in einer für uns fremden Gesellschaftsordnung. Dennoch: Wir hatten keine Mühe, uns zu verstehen.

Im Mai 1988 ist ein Filmteam des SWR nach Neubrandenburg gekommen, um Jugendliche in ihrem Alltag zu filmen. Damals lebten hier etwa 85.000 Einwohner, das Durchschnittsalter betrug etwa 30 Jahre, was selbst für damalige Verhältnisse sehr wenig war und Neubrandenburg („eine kleine Großstadt, oder vielmehr eine große Kleinstadt“) zur damals jüngsten Stadt der DDR machte.

Herausgekommen ist der dreiviertelstündige Film „Wir ham’ noch Reserven – Jugendliche in der DDR„, den man in vier Teilen drüben beim SWR ansehen kann. Ohnehin aus zeitgeschichtlichen Gründen sehr interessant, machen den die vielen Bewegtbilder aus dem Neubrandenburg vor 26 Jahren zu einem wahren Schatz für alle, die zu der Stadt und ihren Jugendlichen schon länger einen Bezug haben.

Im ersten Film lernen wir in einem Physik-Kabinett Robert Peters aus der 9. Klasse der POS IX „Dr. Theodor Neubauer“ kennen. Die Leiterin des Polytechnischen Zentrums, Henny Riemer, kommt zu Wort. Gezeigt werden die VEB Gartenbaubetriebe mit ihren vielen Gewächshäusern im Tannenkrug. Und aus der voll retro gekachelten Blumenverkaufsstelle in der Innenstadt strömen erstaunlicherweise fünf Frauen, um die angelieferte Ware entgegenzunehmen.

Der zweite Film beginnt mit einem Einblick in die weite Welt der Jugendmode. Die Verkaufsstellenleiterin Christiane Schafft konstatiert beispielsweise, dass es immer noch große Bedarfslücken und viele Wünsche der Jugendlichen gibt, die sie nicht erfüllen kann, weil schlicht die Produktion nicht hinterherkommt.

Weiter geht’s mit einem Schwenk in den Plattenladen, und … das ist doch der gute, alte Cadillac Record Shop Stargarder Ecke Neutorstraße! Das ist ziemlich kuhl, in dem Schuppen habe ich Mitte der Neunziger mal gearbeitet, aber das ist eine andere Geschichte. Aber sogar meine damalige Chefin, Doris Lange, darf in dem Beitrag als „Objektleiterin Musikalien“ die geringe Auflagenhöhe von West-Lizenzplatten beklagen (ab 3:30). Hallo, Frau Lange, war ’ne tolle Zeit damals! Und ich find’s toll, dass Sie Ihr Markenzeichen, den bunten Lidschatten, über die Wende gerettet hatten. Wenn den jemand tragen kann, dann die Frau Lange, das ist mal klar.

Dann erfahren wir, dass Gärtnereifacharbeiterin Birgit eine Normerfüllung von 108 bis 110 Prozent vorzuweisen hat, wie ein Lehrlingswohnheim von innen so aussieht, warum dort keine Bilder aufgehängt werden durften, wie Outdoor-Kegeln so geht, dass die FDJ-Sekretärin der Lehrlinge ausgerechnet Bärbel Freiheit heißt und wer Heinrich Stiegelmeier ist.

Im dritten Film darf der ehemalige Leiter des Neubrandenburger Sportgymnasiums, Winfried Schneider, als Übungsleiter der Betriebssportgemeinschaft „Aufbau“ den Wert sportlicher Betätigung an sich eloquent lobpreisen. Schneller Wechsel zum Speedway, und prompt erklingt „Born to be wild“, während die Jungs ihre Maschinen zwischen Trabi und Barkas ins Harderstadion schieben. Heute kümmert sich an dieser Stelle die AOK um die Kranken dieser Stadt.

Eine Monika aus Möllenbeck fährt auffem Moped durch die Landschaft, und endlich ist da auch die Omma mit der Dederonschürze im Bild. Wir lernen, dass auch schon früher in den Dörfern nix los war, aber es trotzdem auf dem Land mehr fetzt. Monika reitet schließlich zu „Goodbye Yellow Brick Road“ von Elton John auf dem LPG-Pferd über den Acker.

Und wie sagt der Sprecher aus dem Off danach über den Rummelplatz in der Stadt: „Das Schreierische, Aufdringlich-Laute fehlt hier. Alles geht irgendwie seinen geruhsamen, stetigen Gang.“ Und schließlich: Der Biergarten am Tollensesee, Angeln an der Oberbaumbrücke, Tollensesee-Idylle.

Der vierte Film zeigt Birgit, die eine Wohnung sucht und erklärt, warum es nicht so einfach war, eine zu finden, besonders, wenn man, wie Birgit, ledig war. Schwenk in die Oststadt, Plattenbau galore. Und wieder die sonore Stimme aus dem Off: „Hinter den Fassaden gedeiht bescheidener Komfort: fernbeheizt und preiswert.“ Wir sehen einen der typischen gelben Ikarusse an der Haltestelle „Reifenwerk“; und wie voll die Busse damals waren!

Dann ist es Disco-Zeit im „Mosaik“! Der DJ mit Bommelmütze und Kassettensammlung begeistert die vokuhilalastigen und dauerrauchenden Jugendlichen mit den Pet Shop Boys. Der Rest des Films geht in weiteren Mode-, Tanz- und Frisuren-Flashbacks unter und endet mit dem bemerkenswerten, tiefenpsychologischen Fazit des Sprechers:

Jugendliche in der DDR. So, wie wir sie erlebt haben, erscheinen sie wohlerzogen und angepasst. Nach außen hin folgen sie bereitwillig den Forderungen des Staates. „Nur nicht auffallen“ ist die Devise. Dennoch wird jede Gelegenheit genutzt, ins Private abzutauchen, sich von außen herangetragenen Ansprüchen zu entziehen und die eigenen Interessen auszuleben.“

mosaik

Dieser Beitrag wäre ohne den Hinweis von dem guten Monaco-Franze nie entstanden. (Was macht überhaupt dein Internet?) Der hatte nach irgendwas gegugelt und war im Neubrandenburg von 1988 gelandet. Fazit: Die Suchmaschine ist der bessere Fluxkompensator.

Kategorien
Neubrandenburg

Vor 24 Jahren in Neubrandenburg: Die große Zeit der Teppichhändler

Teppichausstellung

Eine Anzeige im Nordkurier aus dem Jahr 1990. Und als wir dann westdeutsche Teppiche hatten, kamen Einigkeit und Recht und Freiheit.