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Als Hansa gegen Barca spielte und das Stadion nur zu einem Drittel voll war

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An jenem Tag vor 26 Jahren, an dem Barcelona an die Ostsee kam, sah ich nicht nur mein erstes Europapokalspiel, sondern lernte auch etwas über die Marktwirtschaft.

Erste Runde im 37. und letzten Wettbewerb der europäischen Landesmeister, der letzte DDR-Meister Hansa Rostock wird Barca zugelost. Im Camp Nou verliert Hansa klar mit 0:3, das sportliche Interesse am Rückspiel gegen den späteren Pokalsieger hält sich also in Grenzen. Zubizarreta, Guardiola, Koeman, Eusebio, Stoitschkow und Laudrup würden das schon schaukeln, da waren sich alle einig. Aber dennoch: BARCELONA! Es war 1991, die deutsche Einheit war 364 Tage alt, und alles, was damit zusammenhing, war noch so neu und aufregend und bunt und laut und duftend und unbedingt erstrebenswert – erst recht, wenn man 14 Jahre alt war und durch eine verdammt glückliche Fügung der Geschichte eine Eintrittskarte für dieses Spiel angeboten bekam.

So lief also ein aufgeregter Teenager am 2. Oktober 1991 mit einer guten Freundin seiner Mutter (Danke nochmal, Sylvie!) durchs Rostocker Hansaviertel, um den Freund der Freundin zu treffen. Der Mann, der gute Verbindungen zu Hansa hatte, wartete schon ungeduldig auf den Treppen irgendeines riesigen konspirativen Gebäudes, um hastig die Bekannte zu drücken und uns die Karten zu geben. Plötzlich direkt auf dem Grat zwischen Halblegalität und Klüngelwirtschaft wandernd bedankte ich mich artig und wollte gerne noch etwas sagen zu diesem unglaublichen Wahnsinn, den das ganze Land in diesen Zeiten ja gerne immer wieder gesondert betonte und der es machte, dass ein spanischer Weltverein gleich vor meinen Augen Fußball spielen würde und der auch dafür verantwortlich zeichnen dürfte, dass gerade ich dieses Ticket zu allem Überfluss auch noch geschenkt bekam und dass … aber da war der Mann dann auch schon wieder weg.

Und ich sah mir die Karte genauer an und bekam einen Schreck. „60 DM“. Sechzig! WESTMARK!!! Und ich hatte das eben gerade geschenkt bekommen. Erst lange Zeit später habe ich eine Verbindung herstellen können zwischen dem Preisschock, den ich auf dem Weg ins Ostseestadion erst mal langsam verdauen musste und dem Bild, das sich mir schließlich im Stadion bot. Wo waren all die Leute hin? Na klar doch, dachte ich erst, bis zum Anpfiff sind die alle wieder … aber nein, da kamen keine mehr: Das damals 25.000 Zuschauer fassende Ostseestadion war nur spärlich gefüllt. „Hey, freust du dich gar nicht?“, fragte die Freundin, und ich behalf mir mit irgendeiner halben Notlüge, denn natürlich freute ich mich, so wie sich ein Norddeutscher eben gerade so zu freuen vermag; aber sah sie denn nicht diese Unwucht, dieses surreal nicht mal halbvolle Stadion, wenn Hansa Rostock im Europapokal gegen Barcelona spielt?

Es war eine ganz einfache Rechnung. Preise von 40 bis 100 D-Mark (üblich waren hier sonst 15 bis 40) hielten die Menschen in und um Rostock davon ab, sich dieses Fußballspiel – das zumal vom ZDF live übertragen wurde – vor Ort im Stadion anzusehen. Seit der Währungsunion waren erst einige Monate ins Land gegangen, die Menschen hatten Autos, Küchen, Reisen und Fernseher gekauft, und schließlich war nicht mehr so sehr viel übrig für ein sportlich nahezu aussichtsloses Erstrundenrückspiel im Fußball-Europapokal. Am Spieltag machte die Vereinsführung zwar noch eine Rolle rückwärts und bot die Tickets um die Hälfte billiger an, aber da war es schon zu spät: Das bis heute sportlich größte Heimspiel der Vereinsgeschichte des FC Hansa Rostock fand vor gerade mal 8500 und also 400 Zuschauern weniger statt als die jüngste Drittligapartie gegen den VfR Aalen (1:0).

Das Spiel selbst war ein großer Spaß, die Rostocker mit Olaf Bodden, Juri Schlünz, Jens Wahl und Florian Weichert machten von den typischen Oberliga-Fußball-Fanfaren und „Ich bin stolz, ein ,Ossi‘ zu sein“-Transparenten unterstützt ordentlich Dampf und gewannen schließlich durch einen formidablen Flugkopfball von Uwe Spies verdient mit 1:0. Die von Johan Cruyff trainierten Katalanen kickten noch den 1. FC Kaiserslautern aus dem Wettbewerb und gewann schließlich das Finale gegen Sampdoria Genua. Hansa hingegen spielte eine legendäre erste Bundesliga-Saison und stieg am Ende nichtsdestotrotz in die 2. Liga ab. Und dieses Video hier zeigt nicht nur das komplette Spiel mitsamt dem sonoren Kommentar von Günter-Peter Ploog, sondern auch ein Fernsehfußballspiel ohne Dauereinblendung von Teams und Spielzeit, mit Hansa-Trainer Uwe Reinders featuring New-Yorker-Basecap sowie unfassbar unkleidsamen Barca-Auswärtstrikots.

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Familie Musik sl.

Five get over excited – Das Mixtape für den Sommerurlaub 2016

Ostsee

Seit einigen Jahren frickele ich für den Sommerurlaub einen bunten Strauß luftiger Melodeien zu einem halbamtlichen Familien-Mixtape zusammen. Das kann man schnell haben – ab in den Musikmarkt die Cloud, Doppel-CD Playlist kaufen, fertig -, das kann man aber auch selbst machen. Richtig gut funktioniert das, wenn noch ein paar nette Menschen mithelfen, wie man es an dieser Stelle sehr gut erkennen kann. Vielen herzlichen Dank also an die Frauen Breitsprecher, Holz, Rau und Richter sowie die Herren Schulze, Wunder, Bahr und Schipke!

Doch ganz so einfach ist die Sache dennoch nicht.

Denn so ein Mixtape für die ganze Familie ist eine Art eierlegende Wollmilchsau. Es muss alles können, darf aber auch nicht zu überladen sein. Schließlich ist Urlaub, niemand soll verärgert werden, aber alle wollen im Auto und auf beim Sonnenuntergangsterrassenchillen gute Musik hören. Und deshalb gibt es – schließlich sind wir in Deutschland – einige Richtlinien:

  1. Pflicht sind ein paar Launenheber zu Beginn. Musikwunsch Nummer eins, der Herr Foster gleich zu Beginn, stammt beispielsweise vom Sohn, der Kuchen am Ozean und der Hurrikan von den Töchtern.
  2. Immer mal wieder eine deutschsprachige Musik-Insel einstreuen; ich wäre ja auch sauer, hörte ich andauernd Musik mit Texten, die ich nicht verstehe.
  3. Nur in Ausnahmefällen die Fünf-Minuten-Schallgrenze für einen Song überschreiten. Gefällt mal einer nicht, dauert’s dann wenigstens nicht lange bis zum nächsten. Max Herre ist jedoch eine prima Ausnahme.
  4. Mit dem ggN anfangen, mit dem kgV enden. Der größte gemeinsame Nenner, “die Sicheren”, für die schwierige Anfangshalbestunde, das kleinste gemeinsame Vielfache, “die Speziellen”, fürs Ende. In diesem Fall heißt das: Von Justin Timberlake bis hin zu Ekki Maas.
  5. Der eigene Musikgeschmack darf nicht gänzlich aufgegeben, jedoch auch nicht zum einzigen Gradmesser der Kompilation werden. Soll heißen: Dominik Eulberg musste unbedingt mit rein, Revolverheld leider auch.
  6. Wichtig sind die Übergänge. Von Deee-Lite zu Jack Johnson in drei Schritten, von Passenger zu Helge Schneider in vier. Bei allzu harschen Brüchen empfiehlt sich ein Instrumental als Brücke zu benutzen.
  7. Adele geht immer. Norwegische Frauenbands mit deutschen Namen gehen immer. Cover-Versionen gehen immer. Allzu viele laute Gitarren und übermäßige Technoidität gehen gar nicht. Tja, das Leben ist kein Pfannekuchen.
  8. Kommen Wasser, Meer, Strand, Sommer, Hitze, Ozean, Sonne, Liebe, Urlaub oder ähnliche Vokabeln im Songtitel vor, ist das zwar großartig, aber beileibe kein Dogma.
  9. Depeche Mode ist ein Muss.
  10. Das Tape funktioniert, wenn sie die Musik lauter macht. Von allein und freiwillig.

So. Dann mal Butter bei die Fische und die Hosen runter: 84 Tracks, etwas mehr als fünf Stunden Sommermusik:

Hier noch die Tapes der vergangenen Sommer:
2015
2014
2013
2012
2011

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Bild Familie sl.

„Daß der Natur ein Meisterstück gelingt“

Wenn die Natur in ihrer Stärke
Vernichtung und Verderben bringt,
Dann ist sie gleich darauf am Werke,
Daß ihr ein Meisterstück gelingt.

Vor Zeiten brach die Ostseewelle
Verheerend über Dün’ und Land!
Nun seht nur, was an dieser Stelle
Gleich für ein Wunderwerk entstand!

Als sich die grimm’gen Ostseewogen
Dann ausgetobt in ihrer Gier,
Und in ihr Bett zurückgezogen –
Da ließen einen See sie hier.

Vom Meer getrennt nur durch die Düne
Liegt nun der See ganz friedlich da.
Ringsum der Wald. Nur auf der Bühne
Bisher ich solche Landschaft sah.

Das Gedicht hat keinen Namen, der Verfasser ist unbekannt. Es stammt aus einem Prospekt der Badeverwaltung Kölpinsee aus dem Jahr 1929, darauf gestoßen bin ich vor längerer Zeit über diesen Blogeintrag des Usedomspotters Hans-Jürgen Merkle.

Kölpinsee also. Der Name kommt aus dem Slawischen und bedeutet Schwanensee, der Ort liegt auf Usedom zwischen Koserow und Stubbenfelde, zwischen Bundesstraße 111 und Ostsee. Als Heinrich noch jung war, war ich mal ein paar Wochen lang mit ihm auf Kur. Es war ein Winter in Kölpinsee.

Es war sehr schön dort. Ruhig, kalt, leer, Ostsee. Diese Luft! Fast jeden Tag ein großer Spaziergang, oft durch den Schnee, immer packedicke angezogen. Nur wir zwei, zu den anderen Mamas und Kindern hielten wir meist respektvolle Distanz. Geordnete Tage, ein bisschen Turnraumsport hier, ein wenig Fortbildung für mich da, zwischendurch viel Freizeit, Ruhe, Essen, Schlafen, Zeit verbringen.

Kölpinsee ist deshalb besonders, weil der große Tourismus am Ort größtenteils vorbeihuscht, gerade eben im Februar. Dann ist da wirklich gar niemand, der nicht wirklich da sein möchte. Keine Camper, keine Wochenendhauptstädter, keine Ferienwohnungssachsen. Nur das Meer und der Himmel und die Luft. Erwähnte ich, wie großartig frostige Meeresluft sein kann, wenn man nach einem langen Spaziergang warm geworden ist und die Wintersonne einen die Augen zusammenkneifen lässt?

Kölpinsee ist ein schönes Fleckchen Erde und für mich eine sehr schöne Erinnerung.

Kölpinsee

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Familie Musik sl.

Mein Name ist Urlaub – Das Mixtape für den Sommerurlaub 2015

buhnenviecher

Seit einigen Jahren frickele ich für den Sommerurlaub einen bunten Strauß luftiger Melodeien zu einem halbamtlichen Familien-Mixtape zusammen. Das kann man schnell haben – ab in den Musikmarkt die Cloud, Doppel-CD Playlist kaufen, fertig -, das kann man aber auch selbst machen.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Denn so ein Mixtape für die ganze Familie ist eine Art eierlegende Wollmilchsau. Es muss alles können, darf aber auch nicht zu überladen sein. Schließlich ist Urlaub, niemand soll verärgert werden, aber alle wollen im Auto und auf beim Sonnenuntergangsterrassenchillen gute Musik hören. Und deshalb gibt es – schließlich sind wir in Deutschland – einige Richtlinien:

  1. Pflicht sind ein paar Launenheber zu Beginn. Und mit Typen namens Farin, Omi und Olly kann da schon mal gar nichts falsch laufen.
  2. Immer mal wieder eine deutschsprachige Musik-Insel einstreuen; ich wäre ja auch sauer, hörte ich andauernd Musik mit Texten, die ich nicht verstehe. Was schön ist: Diese Inseln wachsen von Jahr zu Jahr.
  3. Nur in Ausnahmefällen die Fünf-Minuten-Schallgrenze für einen Song überschreiten. Gefällt mal einer nicht, dauert’s dann wenigstens nicht lange bis zum nächsten. Van Morrison ist jedoch immer eine prima Ausnahme.
  4. Mit dem ggN anfangen, mit dem kgV enden. Der größte gemeinsame Nenner, “die Sicheren”, für die schwierige Anfangshalbestunde, das kleinste gemeinsame Vielfache, “die Speziellen”, fürs Ende. In diesem Fall heißt das: Von Calvin Schulz … äh, Robin Harris bis hin Bobo in white wooden houses.
  5. Der eigene Musikgeschmack darf nicht gänzlich aufgegeben, jedoch auch nicht zum einzigen Gradmesser der Kompilation werden. Soll heißen: Kraftwerk musste unbedingt mit rein, Gregor Meyle leider auch.
  6. Wichtig sind die Übergänge. Von den Beatsteaks zu Norah Jones in drei Schritten, von Trude Herr zu Coldplay in vier. Bei allzu harschen Brüchen empfiehlt sich ein Instrumental als Brücke zu benutzen.
  7. Wir sind Helden gehen immer. 90er-Bombastrock geht immer. Live-Versionen gehen immer. Allzu viele laute Gitarren und übermäßige Technoidität gehen gar nicht. Tja, das Leben ist kein Pfannekuchen.
  8. Kommen Wasser, Meer, Strand, Sommer, Hitze, Ozean, Sonne, Liebe, Urlaub oder ähnliche Vokabeln im Songtitel vor, ist das zwar großartig, aber beileibe kein Dogma.
  9. Depeche Mode ist ein Muss.
  10. Das Tape funktioniert, wenn sie die Musik lauter macht. Von allein und freiwillig.

So. Dann mal Butter bei die Fische und die Hosen runter: 87 Tracks, mehr als fünf Stunden Sommermusik:

Hier noch die Tapes der vergangenen Sommer:
2014
2013
2012
2011

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Blog Politik sl.

… dass schon lange keine Musik mehr gespielt wurde

Es war ein ruhiger Tag. Wir hatten am Vormittag ganz ordentlich geübt und wollten jetzt noch mal aufs Wasser. Zwar blies der Wind eher dürftig, doch musste die Woche gut genutzt werden, um am Freitag die Prüfung zu bestehen. Vor- und rückwärts ging schon ganz gut, beim Umdrehen flogen die meisten aber noch regelmäßig ins fast wellenlose Salzhaff. Der Praxis-Schein in Windsurfen war notwendig für den Magister in Sportwissenschaften, die Spätsommerwoche an der Ostsee zählte – zumindest bis zu diesem Dienstagnachmittag – zu den schöneren Pflichten des Studiums.

Nach dem traditionell eher späten Frühstück krochen wir jeden Tag in die Neoprenanzüge, schnappten uns Brett und Segel und ließen uns erst wieder ans Ufer zurücktreiben, wenn die Kraft nicht mehr fürs Segelhalten reichte oder das Mittagessen lautstark angekündigt wurde. Es war ein dankbares Fleckchen Meer, flach, überschaubar, und stets weht ein sanfter Antrieb mit Windstärke zwei bis drei.

Die Gemeinschaft der Surf-Eleven war eine recht verschworene. Viele kannten sich schon vorher; die Zahl der Sportstudenten an der FU Berlin war Anfang des Jahrtausends auf ein sehr überschaubares Maß geschrumpft, denn lange sollte es den Studiengang nicht mehr geben. Wir waren zusammen auf dem Wannsee gerudert, hatten uns im tiefsten Spandau Badminton beigebracht und zusammen Tausende BVG-Kilometer zwischen Sportstätten und Seminaren absolviert.

An der Ostsee hörten wir diese coole, neue Band Seeed auf Dauerschleife, feilten in den Surf-Pausen an unseren Skills im Beachvolleyball und ruhten abends mit Dosenbier am Strandlagerfeuer. Ein paar Männlein und Weiblein spielten etwas unbeholfen das ewige Spiel; die meisten jedoch konnten die Zeit richtig genießen und die Studentenseele baumeln lassen.

Das Mittag war also vorbei und wir lungerten auf den Bänken zwischen den Bungalows herum. Irgendwo dudelte ein Radio, leider gerade keine Musik. Wir spielten Skat, eher uninspiriert, es war ein gutes Mittagessen gewesen, und das Kartenspiel sollte einfach nur den inneren Schweinehund besänftigen, damit der nicht plötzlich eifrig aufspringt und auf den Wellen reiten will. Irgendwo dudelte eine Radio, immer noch keine Musik. Die Sonne schien, noch recht träge schlurften die ersten Schnellverdauer in Richtung der Surfbretter.

Ich staune, wie genau ich heute noch weiß, auf welcher der vielen Bänke ich in diesem Moment wie gesessen habe: auf der in der Mitte, zur Ostsee hin, seitlich, je ein Bein links und rechts runterbaumelnd. Irgendwo dudelte ein Radio. Wir waren gerade beim Reizen, als jemand bemerkte, dass schon lange keine Musik mehr gespielt wurde.

Komisch.

„Machma lauter!“

„… Flugzeug … World Trade Center … ist nicht auszuschließen … Terrorismus …“

Am späten Abend riss ich mich mal kurz vom Fernsehen los, um meine Lieben anzurufen. Am nächsten Tag kaufte ich den örtlichen Kiosk leer, um in den Zeitungen und Magazinen gegen das Unbegreifliche anzulesen. Später in diesem Jahr passierten dann noch andere doofe Dinge, die aber nichts mit der Weltpolitik, sondern nur mit meinem Leben zu tun hatten.

Ende 2001 war in der Summe schlimm, und es fing an genau heute vor 13 Jahren. Als irgendwo am Meer ein Radio dudelte, aber schon lange keine Musik mehr gespielt wurde.

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Familie Musik sl.

Als gäb’s kein Morgen mehr – Das Mixtape für den Sommerurlaub 2014

Möwenstartplatz

Seit einigen Jahren frickele ich für den Sommerurlaub einen bunten Strauß luftiger Melodeien zu einem halbamtlichen Familien-Mixtape zusammen. Das kann man schnell haben – ab in den Musikmarkt, Doppel-CD kaufen, fertig -, das kann man aber auch selbst machen.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Denn so ein Mixtape für die ganze Familie ist eine Art eierlegende Wollmilchsau. Es muss alles können, darf aber nicht zu überladen sein. Schließlich ist Urlaub, niemand soll verärgert werden, aber alle wollen im Auto und auf beim Sonnenuntergangsterrassenchillen gute Musik hören. Und deshalb gibt es – schließlich sind wir in Deutschland – einige Richtlinien:

  1. Pflicht sind ein paar Launenheber zu Beginn. Und mit Dendemanns Sesamstraßen-Beatbox-Battle kann da schon mal gar nichts falsch laufen.
  2. Immer mal wieder eine deutschsprachige Musik-Insel einstreuen; ich wäre ja auch sauer, hörte ich andauernd Musik mit Texten, die ich nicht verstehe.
  3. Nur in Ausnahmefällen die Fünf-Minuten-Schallgrenze für einen Song überschreiten. Gefällt mal einer nicht, dauert’s dann wenigstens nicht lange bis zum nächsten. Udo Lindenberg ist jedoch immer eine prima Ausnahme.
  4. Mit dem ggN anfangen, mit dem kgV enden. Der größte gemeinsame Nenner, “die Sicheren”, für die schwierige Anfangshalbestunde, das kleinste gemeinsame Vielfache, “die Speziellen”, fürs Ende. In diesem Fall heißt das: Von Andreas Bourani bis hin zu Clowns & Helden.
  5. Der eigene Musikgeschmack darf nicht gänzlich aufgegeben, jedoch auch nicht zum einzigen Gradmesser der Kompilation werden. Soll heißen: Utah Saints musste unbedingt mit rein, Helene Fischer leider auch.
  6. Wichtig sind die Übergänge. Von den Beatles zu G.G. Anderson in drei Schritten. Von Helge Schneider zu den Kings in vier. Bei allzu harschen Brüchen empfiehlt sich ein Instrumental als Brücke zu benutzen.
  7. Deutsche Rap-Klassiker gehen immer. Singer/Songwriter geht immer. Keimzeit gehen immer. Allzu viele laute Gitarren und übermäßige Technoidität gehen gar nicht. Tja, das Leben ist kein Pfannekuchen.
  8. Kommen Wasser, Meer, Strand, Sommer, Hitze, Ozean, Sonne, Liebe, Urlaub oder ähnliche Vokabeln im Songtitel vor, ist das zwar großartig, aber beileibe kein Dogma.
  9. Depeche Mode ist ein Muss.
  10. Das Tape funktioniert, wenn sie die Musik lauter macht. Von allein und freiwillig.

So. Dann mal Butter bei die Fische und die Hosen runter: 78 Tracks, viereinhalb Stunden Sommermusik:

Hier noch die Tapes der vergangenen Sommer:
2013
2012
2011

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sl.

Loblied auf die Jahreszeiten

Minus 14

Das geht an alle Frostbeulen, Pollenjammerer, Hitzestöhner und Novemberdepris. An alle Wettermeckerer, Schneeschippheuler, Schattensucher und Goretexfetischisten. An alle, die auswandern wollen, um ganzjährig 25 Grad und Sonne zu haben.

Macht doch!

Ich finde Jahreszeiten toll. Ein ewiges Viergängemenü für lau, jedes Jahr leicht modifiziert, immer abwechslungsreich und nahrhaft. Das muss man sich erst mal vorstellen: Wir kriegen hier in diesen Breitengraden die größten Hits aller Klimazonen und die besten Klimakapriolen von heute! Und das ganze ohne lästige Touri-Werbung, alltäglich, einfach so.

So oder so ähnlich dachte ich kürzlich, als ich totaldurchfroren bei minus 15 Grad auf dem Brodaer Drachenberg stand und die Wintersonne sich nachmittags um fünf aber mal ganz schnell hinter den Horizont verkrümelte. Man konnte den Frost geradezu riechen, zumindest bis das Riechorgan wegen Unterkühlung seinen Dienst einstellte. Und als drei Eisklumpen und zwei Schlitten im Auto verstaut waren und alles langsam wieder auftaute, konnte ich sehen, dass auch die Kinder Jahreszeitenfans werden würden.

Denn wenn man satt ist von der einen, kann man aufhören und kurz verdauen, und schon bald, in fünf, acht, zwölf Wochen wird der nächste Jahreszeitengang aufgetischt. Einmal flambierter Frühling mit Kräuterkruste an Frühgemüse bitte, danke, hmmm, lecker! Dann kann es bald auch mal wieder richtig stickig werden, der Mensch kann ordentlich durchschwitzen, träge werden, sich verbrennen; und dann die erste kleine Sehnsucht nach dem Herbst. Der ist kaum da, schon schmeißen die Kleinen die ersten Schneebälle nach einem.

Was für ein Privileg: Ständig wird hier zuverlässig alle paar Monate das Weltprogramm gewechselt.

Jüngst einen Agentur-Text über die Malediven in die Zeitung gefrickelt. Dazu ein Info-Kasten, „auf den Malediven ist immer Sommer: die Lufttemperatur liegt zwischen 25 und 31, die im Wasser zwischen 27 und 29 Grad.“ Immer Sommer? Wasser immer wärmer als die Badewanne? (Also bei Männern.) Malediven?

Geh mir weg! Ich will warm und kalt und heiß und frostig. Ich will Schnee und Wind und Regen und Sonne und Blätter. Ich will Schnee schnuppern und Blättermatsch fühlen können und ein wenig braun werden und wieder vornehm erblassen können. Ich will das alles.

Und deswegen sind echte, ausgewachsene Jahreszeiten einfach nur geil.

Winter FTW!

* * *

Bonustrack

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Blog Netz sl.

Demut

Neubrandenburg von oben

Das gerade frisch entpackte Jahr beginnt hier mit einer kleinen Chronisterei: Einfach mal aufschreiben, was woanders auch schon aufgeschrieben wurde. In einigen Blogs wurde über Demut nachgedacht, und das will ich gerne mal zusammenfassen.

* * *
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach beginnt das Ganze in seinem Blog „Haltungsturnen“ mit dem Satz „Kinder und Pferde machen demütig.“ Das kann ich zur Hälfte bestätigen. Ebenso kenne ich das Gefühl der Demut, wenn das Leben seine „wilde, unbändige Seite“ zeigt und einen mal ordentlich zurechtpustet. Und das Schlusszitat eines Schweizer Theologen ist ein gar feiner Start in ein neues Jahr, finde ich:

Die einzig mögliche Antwort auf die wirklich gewonnene Einsicht in die Vergeblichkeit alles menschlichen Werkes ist, sich frisch an die Arbeit zu machen.

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Felix Schwenzel mag schon das Wort „Demut“, schreibt er auf wirres.net. Und zwar Demut im Sinne von Bescheidenheit, weniger von Unterwürfigkeit oder Understatement. Sich also nicht klein machen, sondern eben nur klar damit kommen, dass man nicht unfehlbar ist. Diese Demut zu lernen sieht er als erwachsen werden, „die meisten Kinder sind unerträgliche Klugscheißer“, die eben noch nicht wissen können, dass sie oder ihre Götter und Helden wie alle anderen falsch liegen können. Das sehe ich etwas anders. Ich glaube, die meisten Kinder sind eher respektlos, sie haben kein Respekt vor nichts und niemandem, der oder das den Respekt nicht verdient hat. Demut ist für mich dagegen nichts, was ich bei anderen hundertprozentig feststellen oder vermissen kann, sie ist ungleich stiller.

* * *
Benjamin Birkenhake fährt auf „Anmut und Demut“ fort: „Man kann nicht demütig sein und zugleich ein KZ führen. Sie ist eine der Tugenden, die uns vor der Barbarei bewahrt.“ Für ihn ist Demut deshalb eine Primärtugend und eine ewige Warnung und Mahnung: Komm’ ab und zu wieder auf den Boden, sonst wird es mal eine Schlechtes mit dir werden! Und ganz besonders gefällt mir der zeitgeistige Aspekt in seiner Annäherung. Wir haben doch schon alles, was für unser Glück brauchen, lasst uns doch mal Genügsamkeit als Tugend und nicht als Schwäche ansehen. Lasst uns doch mit dem bereits Vorhandenem Neues, Besseres kreieren, anstatt nach Mehr zu streben, dass zwar mehr ist, aber mitnichten besser, sondern eben nur: mehr. Und das klingt nur konservativ, ist aber eher subtile Gesellschaftskritik:

Die Demut ist mir eine Absage, an ein Mehr, das in der Zukunft liegt. Die Demut weißt mehr Gehalt, mehr Einfluss, mehr Klicks, mehr Schulterklopfen zurück und sagt beständig: Du hast schon alles, was Du brauchst, um glücklich zu werden. Die Demut richtet sich damit aktiv gegen Macht, Ruhm und Konsum.

* * *
Daniel Brockmeier unterzieht die drei Beiträge auf seinem Blog „Privatsprache“ einer philosophischen Analyse und wechselt am Ende mal ein wenig die Perspektive (oder eben „Perspektiefe“, so wie er seine Blog-Kategorie nennt). Die Demut ist nicht so seins, „weil Demut Unterwürfigkeit zumindest konnotiert.“ Skepsis, Zweifel, Altruismus, Genügsamkeit, Bescheidenheit – das ja, aber Demut: nein. Das geht ihm zu etwas zu weit, schreibt er und zitiert Nietzsche, der das demütige Christentum „Sklavenmoral“ nannte. Demut sei immer nur gut und wichtig, wenn sie richtig eingesetzt wird. Ich finde das einen wichtigen Einwurf, den auch die größten Demut-Fans nicht vergessen sollten: Sich nicht in einer Haltung – und sei sie noch so verlockend universal einsetzbar – komplett ergehen, sondern wach bleiben, beweglich, immer auf der Suche nach dem einen Moment, an dem es für einen selbst oder für andere, einem nahe Menschen nicht mehr funktioniert.

* * *
Dann noch eine Replik von Benjamin Birkenhake, der einiges nochmal ausdifferenziert und vor allem deutlich macht:

Viertens halte ich die Demut (wie alle andere Tugenden) ja nicht für eine Supertugend, auf deren Urteil allein man sich verlassen kann und sollte. Moralischer Fortschritt scheint mir dann am effizientesten, wenn die Demut Begleitung von aktiveren Tugenden hat (wie der Anmut zum Beispiel, hehe).

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Jawoll, eine Tugend kommt eben selten allein. Aber ich finde, wenn man gerade eine Wette verloren hat oder noch nach frischen Vorsätzen sucht oder generell mal eine frische Denkrichtung einschlagen möchte oder einfach nur auf Gedankenexperimente steht, der liegt mit mit einer kräftigen, gesunden Demut schon mal gar nicht verkehrt.

Sie mutet ein bisschen wie eine hipsterige Erste-Welt-Tugend an, etwas für Leute, die offenbar keine ernsteren Probleme haben. Aber das ist es nicht. Es ist auch kein Good-Feel-Baustein aus einem dieser Lebenshilfe-Ratgeber-Bestseller-Bücher, hey, mal ’me Prise Demut, dann wird das schon wieder, Kopf hoch!

Ich sehe Demut eher als eine Leitplanke, die – nicht immer, aber eben an den neuralgischen Lebensunfallpunkten – den Weg nicht einengt, aber begrenzt; die falsche Energie absorbiert und einen sanft wieder auf die Straße bringt, auf dass man nicht auf dem freien Feld landet und versumpft. Manchmal ist so ’ne Leitplanke arg uncool, weil es trocken ist und hell und man die 70er-Kurve locker mit 110 nehmen kann. Doch wenn es stürmt und schneit und es stickeduster ist, und man war noch nie in dieser Gegend und übertreibt es dann aber doch ein wenig mit der Geschwindigkeit – dann weiß man sie zu schätzen.

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Der Mann ohne Pust-Boost

Und dann kommt dieser eine kurze Moment, in dem der moderne Mann wieder zum Tier wird.

FishVorher ist alles schön. Die Sonne scheint, das Meereswasser glitzert, der Wind windet sich so umher und fragt mal hier, ob er mal ein wenig Abkühlung herbeiwehen solle und mal da, ob es denn schon zu viel der Seeluft sei. Der Sand umschmeichelt die bereits leicht angebräunten Füße und gibt sich ansonsten dolle Mühe, sich nicht allzu stark aufzuhitzen.

Die Kinder haben sich erstaunlich schnell ausgezogen; abends vor dem Schlafengehen bereitet das Entkleiden ja deutlich mehr Probleme, das muss mit den unterschiedlichen Lichtverhältnissen zu tun haben, ich weiß es auch nicht. Rein in die Badesachen und dann, je nach Gusto, lesend auf die Decke oder johlend in die Wellen. Die Großen bereiten wahlweise das große Sonnencreme-Massaker vor oder wundern sich über die neuesten Entwicklungen in der Windmuschelaufbautechnik-Industrie.

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Familie Musik sl.

Sonnentanz – Das Mixtape für den Sommerurlaub 2013

sandsteine

Seit einigen Jahren frickele ich für den Sommerurlaub einen bunten Strauß luftiger Melodeien zu einem halbamtlichen Familien-Mixtape zusammen. Das kann man schnell haben – ab in den Musikmarkt, Doppel-CD kaufen, fertig -, das kann man aber auch selbst machen.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.