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Warum ich einmal von Depeche Mode träumte

Eija's birthday cake

foto:abi_skipp@flickr.com

Ich träume selten. Sehr selten. Das war schon immer so. Ich wurde ab Werk unträumend ausgeliefert. Umso prägnanter sind dann richtige, echte, umfangreiche Träume, wenn ich sie dann mal ganz durchträume. Umso genauer kann ich mich an sie auch später erinnern.

Es muss kurz vor der Wende gewesen sein. Die DDR hatte eine Jugendorganisation, einen Jugendradiosender, eine Jugendfernsehsendung. Die DDR hatte jede Menge Jugend. Eine Jugend, die nur noch wenig Angst vor kapitalistischen Langstreckenraketen hatte und sich stattdessen fragte, warum offiziell und inoffiziell immer stärker auseinanderdrifteten.

Ich war damals 12 Jahre alt und träumte von Depeche Mode.

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Ein kleiner Sieg für einen Aufheber

IMG-20130416-00067Ich möchte hier jetzt brechen.

Und zwar endlich mal eine Lanze für die Aufheber dieser Welt. Menschen, die Dinge nicht gleich wegwerfen, nur weil sie jetzt, in diesem Moment keine Möglichkeit sehen, sie künftig noch einmal zu benutzen. Menschen, die einen Teil ihrer Ratio an einen klatschenden Affen verpachtet haben, der dann und wann ein beiläufiges „Das könnte man vielleicht noch mal brauchen …“ in den Gedankenstrom einpflanzt. Menschen, die sich seit einiger Zeit als dauerkonservierende Allesrecycling-Kämpfer gegen die Wegwerfgesellschaft gerieren, obwohl sie doch einfach nur Dinge nicht so gut wegschmeißen können wie andere.

Ältere Aufheber haben es dabei noch gut, sie können sich immer noch auf den Weltkrieg berufen, man hatte ja damals nichts, und deswegen kratzt man traditionell noch die letzte Fettschliere aus der Butterdose, das könnte man ja vielleicht noch mal brauchen. Wahlweise kommt ein augenbrauenunterstütztes „Das KANNST du doch nicht einfach wegschmeißen!“ zum Einsatz, wenn man die 24 Lexikonbände aus den Sechzigern endlich zum Altpapier bringen will. Und ja, was das betrifft weiß ich ein wenig, wovon ich rede.

Aber auch ich bin ein Aufheber. Kein Messie, das nicht, aber schon: ein Aufheber, wenn auch in überschaubarem Maßstab. Noch. (An dieser Stelle unheilvolle Streichermusik dazudenken.) Und neulich, da habe ich einen kleinen, inneren Aufhebereichsparteitag gefeiert. Es war, als das Staubsaugerteleskoprohr brach, weil ich wohl zu engagiert gesaugt hatte.

Tja. Doch wer hatte vor fünf Jahren beschlossen, das Staubsaugerteleskoprohr des alten, stark motorbeschädigten, ergo kaputten Staubsaugers NICHT wegzuschmeißen?

Eben.

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Tage wie dieser – Das Mixtape für den Sommerurlaub 2012

Seit einigen Jahren frickele ich für den Sommerurlaub einen bunten Strauß luftiger Melodeien zu einem halbamtlichen Familien-Mixtape zusammen. Das kann man schnell haben – ab in den Musikmarkt, Doppel-CD kaufen, fertig -, das kann man aber auch selbst machen. Im vergangenen Jahr sah das Ding beispielsweise so aus.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Denn so ein Mixtape für die ganze Familie ist eine Art eierlegende Wollmilchsau. Es muss alles können, darf aber nicht zu überladen sein. Schließlich ist Urlaub, niemand soll verärgert werden, aber alle wollen im Auto gute Musik hören. Und deshalb gibt es – schließlich sind wir in Deutschland – einige Richtlinien:

  1. Pflicht sind ein paar Launenheber zu Beginn. Und Glück gehabt, dass in Barbie und die drei Musketiere (oder so) EMF zum Soundtrack gehört. Und nicht etwa Pur.
  2. Immer mal wieder eine deutschsprachige Musik-Insel einstreuen; ich wäre ja auch sauer, hörte ich andauernd Musik mit Texten, die ich nicht verstehe.
  3. Nur in Ausnahmefällen die Fünf-Minuten-Schallgrenze für einen Song überschreiten. Gefällt mal einer nicht, dauert’s dann wenigstens nicht lange bis zum nächsten. MGMTs „Kids“ ist jedoch allerdings eine prima Ausnahme.
  4. Mit dem ggN anfangen, mit dem kgV enden. Der größte gemeinsame Nenner, „die Sicheren“, für die schwierige Anfangshalbestunde, das kleinste gemeinsame Vielfache, „die Speziellen“, fürs Ende. In diesem Fall heißt das: Von Michel Teló bis hin zu Vivaldi.
  5. Der eigene Musikgeschmack darf nicht gänzlich aufgegeben, jedoch auch nicht zum einzigen Gradmesser der Kompilation werden. Soll heißen: Dendemann musste unbedingt mit rein, „Live is life“ leider auch.
  6. Wichtig sind die Übergänge. Von Elvis zu Feist in fünf Schritten. Von den Puhdys zu Kool and the Gang in vier. Bei allzu harschen Brüchen empfiehlt sich ein Instrumental als Brücke zu benutzen.
  7. Oldies gehen immer. Reggae geht immer. Toni Mahoni geht immer. Allzu viele laute Gitarren und übermäßige Technoidität gehen gar nicht. Tja, das Leben ist kein Pfannekuchen.
  8. Kommen Wasser, Meer, Strand, Sommer, Hitze, Ozean, Sonne, Liebe, Urlaub oder ähnliche Vokabel im Songtitel vor, ist das zwar großartig, aber beileibe kein Dogma.
  9. Depeche Mode ist ein Muss.
  10. Das Tape funktioniert, wenn sie die Musik lauter macht. Von allein und freiwillig.

So. Dann mal Futter bei die Fische und die Hosen runter: 76 Tracks, viereinhalb Stunden Sommermusik.

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Musik sl.

Hit the Decks – The Battle of the DJs

Man nehme: zwei Plattenspieler, dazu Rave, Breakbeat, Jungle, Techno und ein paar genreferne Gewürze, und dann, ja dann schalte man den Mixer an und lasse ihn laaange laufen. Und heraus kommt Hit the decks, eine kleine, aber verdammt feine Sample-Sampler-Orgie der frühen 90er. Wenn’s denn mit der Außenanlagen-Arbeitsmoral mal hapert, wandert eines der Tapes in den Rekorder, auf dass der Spaten beschwingt ins Geröll saust.

Und auch bei der folgenden Youtube-Sammlung gilt, was ich hier schon schrob:

Es waren nur ein paar Jahre, in denen eine ganz spezielle Art von elektronischer Tanzmusik mehr Menschen als Geld bewegt hat, aber diese Jahre hatten es in sich. Und auch wenn ich mich in manche Stücke heute nicht mehr unbedingt sooo verlieben würde – wenn eines meiner Kinder mal fragt, welche Musik Papa in seiner Zeit damals denn so gehört hat, dann schaltet der Papa irgendein onliniges Gerät an und klickt eine der folgenden Playlists an.


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Ausärmeln

Achtung, es folgt ein Beitrag zur Völkerverständigung.

Denn das ist es, wenn ich zwei Völkern behilflich bin, sich zu verständigen. In diesem Fall geht es um Sachsen und Norddeutsche. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, nördlich der Linie Berlin–Hannover dürfte der Begriff eher unbekannt sein.

Ausärmeln. Im Sinne von: Machmahinne! Kommakla! Nu aba! Oder auch: ausmehren, zu Potte oder auch wahlweise aussem Knick kommen. Im bildlichen Sinne solle man eben die Ärmel hochkrempeln, in die Hände spucken und endlich anfangen.

Und hiermit bedanke ich mich herzlich bei der Kollegin aus Riesa für diese kleine, aber feine Wortschatzerweiterung. (Hatte mich schon ein wenig revanchiert mit dem Hinweis auf diesen mundsprachlich-gezeichneten Witz.)

Apropos Wortschatzerweiterung: Da gibt es auch zum Beispiel das Wortistik-Blog oder die Wortweide.

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Schuhsohlendekadenz

Irgendwann fielen dem Menschen dann die Haare aus, er begann zu frieren und die Kleidung zu erfinden. Warm musste sie halten, bequem sein, praktisch, und gut aussehen sollte sie natürlich auch. Das war der Beginn der Mode-Evolution. Das Ende – zumindest für mich – ist jetzt erreicht, weiter geht es nicht mehr, denn das ist die pure Schuhsohlendekadenz: Ich habe mir etwas gekauft nur wegen des einen Teils, das man nicht sieht.

tastatursohle

(Wollte doch nur einmal auch ein Nerd sein …)

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Das perfekte Familiendiner

Vier Damen der Familie zu Gast, im Kühlschrank noch Brühe, Fleisch, Kartoffeln und Kräuter, außerdem zwei Stunden Zeit. Was es schließlich gab, war folgendes improvisiertes Drei-Gänge-Menü: Nudelsuppe, Schweinemedaillons mit Rosmarinkartoffeln und Erbsen, Eis mit frischer Pfefferminze. Und egal, ob das Eis zu weich, die Kartoffeln zu lasch, die Suppe zu heiß war – Kinder sind einfach die perfekten Dinergäste, wie das folgende Wortlautprotokoll von Charlotte beweist.

Vorspeise!
1. Note: 1+
Nudeln: 1+
Gewürz: 2+
Ferenderung: heis 1-
Viel Glück bei dem …

haubtgericht!
Note: 1- und 1+
Erbsen: 1+1+++ ser sehr gut! ♥
grosmarinen: 2-
Fleisch: 3
sosse: 1+++!
Fleisch habe ich noch nie gemocht schuldigung!
sonzt: 1+ und gut!
und aufpassen! Benno und Lilly häten es gerne gegessen!

Nachschbeise!
+++ sehr gut
so gut hat es mihr schon lange nicht geschmegt
gedrenge: 1 (gut: eiswürfel)

inzgesamtzensur: 1+++
schüss!

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Kleiner Illuminator-Blues zum Wochenende

Solange es niemanden gibt, der nicht Ende November für okayes Geld die DNA kilometerlanger Lichterketten entschlüsselt, sie also geduldig aus ihrem Dachboden-Winterschlaf entwirrt und mit einem fröhlichen Gassenhauer auf den Lippen entspannt in Reihe bringt, ohne bereits nach zehn Minuten genervt so stark an dem nach wie vor gewaltigen Lichterketten-Knäuel zieht, bis mindestens drei unschuldige Lichter abreißen; solange es also so jemanden nicht gibt, braucht mir niemand etwas von Dienstleistungsgesellschaft erzählen.

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Hetz‘ mich nicht!

Es ist erstaunlich. Als würden seltsame Hormone wie Pollen im Frühling in der Morgenluft schweben. Denn dieses Phänomen tritt zeitlich begrenzt auf, es ist ab sechs Uhr zu beobachten, dabei meist begrenzt auf Wochentage. Es endet, wenn der Automotor angeht, der Klang eines erwachenden Benziners scheint heilende Wirkung auszuüben und die Atmosphäre zu reinigen.

Das Phänomen befällt Kinder im fortgeschrittenen Kindergarten- sowie Schulalter, es ist geschlechtsübergreifend und jahreszeitenunabhängig. Ausnahmen sind während einiger Sommerwochen sowie kurz vor dem Jahreswechsel festzustellen. Die Diagnose ist relativ einfach, denn als Lackmustest dient der eigene Gemütszustand: Fängt man in den Morgenstunden selbst innerlich an zu dampfen, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Nachwuchs vom Phänomen befallen ist.

Die Symptome der Lütten stellen sich wie folgt dar: Zunehmende Zeitluperitis, lokal auftretende vorübergehende Gehörlosigkeit, allgemeine Verständnisschwierigkeiten, Zuordnungsprobleme, vereinzelt starke Amnesie („Wer bist du? Wer bin ich? Wo wollen wir hin? Und warum?“), Phantomschmerzen („Ich KANN mich jetzt nicht anziehen!“), versagende Hand-Zahnbürste-Koordination. Meist zeigt sich zudem partielle Teilnahmslosikeit gepaart mit plötzlichen Übersprungshandlungen („Ich MUSS jetzt aber mit der Katze spielen!“) sowie lokalem Ausfall des gerade erst ausgebildeten Uhrzeit-Kenntnis-Moduls.

Und immer, wenn ich beginne, mich über ihre Trödelei zu ärgern, denke ich in jüngster Zeit an diesen gerupften Adlerfasan, der das Phänomen so treffend in die Pop-Kultur transferiert hat. Und dann muss ich innerlich lachen, und dann geht es schon wieder.

Bis das Phänomen das nächste Mal ausbricht. Sein Name: Hetz‘ mich nicht!

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Zwei Porträts für ein Halleluja

Talent. Ein großes Wort, das manchmal den kleinen Unterschied ausmacht. Das manchmal das I mit Tüpfelchen vom tüpfellosen seperiert. Das oft den schmalen Grat zwischen Joaa, ganz nett, ne und Heeyy! Großartig! bedeutet.

Ich möchte das hier mal an einem Beispiel demonstrieren.

Nehmen wir Bud Spencer. Der heimliche Held aller Cineasten traf zweieinhalb Dekaden zuvor auch meinen Prügelkomödiennerv, was – wenn ich die Filme heute ansehe – wohl auch an der brummbärigen Whiskeyzigarrenstimme des Spencerschen Synchronsprechers gelegen hat. Und was hatte ein Heranwachsender Mitte der 80er? Viel Zeit und noch keinen Computer.

Nichts lag also näher, als Bud Spencer einfach mal zu zeichnen malen.

bud spencer, schlecht

Klar, das ist Bud Spencer, und für eine flink aufs Blatt geworfene Bleistiftskizze gar nicht mal übel. Hervorstechend brillieren auf diesem frühen Meisterwerk die klare Linienführung und der epochengründende Mut zur Abstraktion.

Das würde ich angebenderweise im Normalfall schreiben.

Das Problem: Es gibt Beweisunterlagen. Und da mein Bruder älter ist, bekäme ich nur unbotmäßigen Ärger, hielte ich die Wahrheit zurück. Und so schließt sich der Kreis; ein Bud wurde schlechtschnöde abgemalt, ein Bud wurde gezeichnet. Ich habe für die Krakelversion Ewigkeiten benötigt (und wäre ohne seine Vorlage komplett aufgeschmissen gewesen), der talentierte Mr. Großlanger hingegen dürfte damals auf dem Lindenberg sich mal kurz ein bisschen bemüht haben – und schwupps, er hatte ihn getroffen:

bud spencer, gut