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Torjaner

Tor|ja|ner, der; -s, -, (ugs. für erfolgreicher Fußballtorjäger)
Als Torjanisches Pferd (englisch Goaljan Horse), auch kurz im DFB-Jargon Torjaner genannt, bezeichnet man einen Stürmer, der als harmloser Depp getarnt ist, im Hintergrund aber ohne Wissen des Zuschauers eine andere Funktion erfüllt.
Ein Torjanisches Pferd zählt zur Familie der beim Gegner unerwünschten bzw. abwehrschädlichen Spieler, der so genannten Malplayer. Es wird umgangssprachlich häufig mit Torjägern synonym verwendet, sowie als Oberbegriff für Diver und Faker gebraucht, ist davon aber klar abzugrenzen.

Etymologie
Der Name ist metaphorisch vom Torjanischen Pferd der Fußball-Mythologie abgeleitet. Als etwas Harmloses getarnt, verleitet es die Verteidiger dazu, von diesem in den geschützten Bereich gebracht zu werden und bezeichnet so vordergründig jede List oder Strategie mit diesem Ziel. Die im Inneren unentdeckt gebliebenen Fähigkeiten verlassen schließlich das Trojanische Pferd und erlangen als Angreifer Zugang zur Mannschaftsfestung bzw. zum geschützten Torsystem.

Charakteristik
Torjanische Pferde sind Programme, die gezielt in fremde Strafräume eingeschleust werden, aber auch zufällig dorthin gelangen können, und dem Trainer nicht genannte Funktionen ausführen. Sie sind als harmlose Spieler getarnt, indem sie beispielsweise vermeintlich sichere Torchancen auslassen oder ihre versteckten Fähigkeiten durch scheinbare Motivationsprobleme nach Tordurststrecken in der Liga-Hinrunde überlagern.

Arten Torjanischer Pferde
Zahlreiche Torjanische Pferde entstehen durch den Verbund zweier eigenständiger Stürmertypen zu einem einzigen Angreifer. Bekannt sind der in den letzten Tagen in die Schlagzeilen geratene Bayern-Torjaner Mario Gomez, der interessierten Kreisen schon länger bekannte Bundes-Torjaner Miroslav Klose sowie den sogenannten Tribünen-Torjaner Kevin Kuranyi, der zwar längst als gefixt gilt, dennoch in den Nullerjahren zum konstantesten Liga-Torjaner Deutschlands (nach Opi-Torjaner Gerd Müller) aufstieg.

Die Tarnung
Torjaner sind listige Gesellen. Sie treten auf in der Figur eines Chorknaben, um urplötzlich ihren Torinstikt ausbrechen zu lassen. Sie taggen sich mit Inkompetenz, um anschließend Gegenspieler schwindlig zu spielen. Manche spielen jahrelang einen durchschnittlichen Verteidiger, um nach 77 Länderspielen ohne Tor in einem WM-Viertelfinale kaltblütig einzunetzen.

Schutzmöglichkeiten
Den einzig wirkungsvollen Schutz vor Torjanischen Pferden bietet der Verzicht auf die Beeinflussung der eigenen Defensive durch schmähende Feindmedien. Als besonders gefährlich einzustufen sind hierbei, wie bei jedem Malplayer, Anbieter von Programmen bzw. Dienstleistungen am Rande der Legalität, z.B. sogenannte Internet-Streams. Als neuen Weg zum Schutz gegen Torjaner kann man die Bestrebungen der Trusted Computing Group (TCG) ansehen, die das Ausführen von ungeprüften, d.h. nicht verteidigungswürdigen Angreifern technisch unterbindbar machen will bzw. das Zusammenspiel geprüfter und ungeprüfter gegnerischer Spieler voneinander zu isolieren versucht. Diese neuen Scouting-Programme sollen den leidgeplagten Mannschaften helfen, künftig nicht mehr auf scheinbar harmlose Fußballtoreschießer hereinzufallen.

(basiert auf dem Wikipedia-Eintrag „Trojanisches Pferd (Computerprogramm)„)

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4S in blauweiß

Wo heute Abend in der Netzwelt doch so intensiv dem neuen Eifon gefrönt wird, fällt mir glatt ein, an welcher Stelle ich das letzte Mal unvermutet ein „4S“ entdeckt habe: Auf dem Logo eines hiesigen Thekenbauers. Aufgefallen war mir der Service mit dem verdammt kernigen Namen, weil sein Logo – wie gesagt mit 4 und S – in ganz blauweiß dem eines deutschen Fußballgroßvereins ziemlich ähnelt.

Und das dürfte der einzige Blogbeitrag der Geschichte sein, der es in zwei Sätzen von Apple über Theken-Schmidtke bis auf Schalke schafft. Glück auf!

gesehen 2011 in Neubrandenburg

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200 Jahre Turnbewegung – Turnvater Friedrich Ludwig Jahn, die Hasenheide und Gedenkstätten in Neubrandenburg

Turnvater Jahn  Hasenheide

foto:sludgegulper

Die einzige Augenzeugin trägt einen ungewöhnlichen Namen. NDM XIV?1/B heißt sie, ist etwa 500 Jahre alt sowie 25 Meter hoch und unter diesem kryptischen Namen im Berliner Naturschutzregister als Naturdenkmal registriert (Quelle). Die mächtige Eiche steht in der Hasenheide direkt neben dem Denkmal von Friedrich Ludwig Jahn, der dort vor 200 Jahren, am 19. Juni 1811, Deutschlands ersten Turnplatz eröffnete und damit die Turnbewegung in Gang gebracht hat. Und an den Ästen dieser Eiche, so wird berichtet, soll Jahn seinen jungen Turnern Reckübungen beigebracht haben.

jahn_denkmal

foto:wikipedia

Zum Jubiläum haben der Bezirk Neukölln und die Berliner Senatsverwaltung für Sport die Geburtsstätte von Stufenbarren, Schwebebalken und Pauschenpferd mit 300.000 Euro aufgepäppelt. Mit dem Geld könne „der Sockel erhalten, Graffiti beseitigt und die Beete bepflanzt werden“, so das Naturschutz- und Grünflächenamt in Neukölln (Quelle). Das müssen dann aber wohl ganz schön große Beete sein.

Immerhin wird anlässlich des Jubiläums und nach einer mittellangen Netz-Recherche deutlich, wie umstritten der Turnvater sowohl zu seinen Zeiten war als auch heute noch ist. Ein deutsches Jubiläum? wird nicht umsonst in Fragezeichen gesetzt, Jahn wird als früher Rocker, verkrachter Bummelstudent, derber Prahlhans, nationalistischer Hassprediger und von Hitler sogar als erster Nationsozialist tituliert (Quelle); Sportgeschichtsprofessorin Gertrud Pfister (mit der ich vor einem Jahrzehnt mal in der Hasenheide rumgeturnt bin) fragt gar rhetorisch: Hat Jahn ausgeturnt?

jahn_post

foto:wikipedia

Hierhergeturnt ist der Bärtige jedenfalls mal, als Hauslehrer in Diensten eines Barons weilte Jahn 1803/04 in Neubrandenburg und trieb sich mit jungen Mitturnern am Tollensesee herum:

Die freien gymnastischen Übungen begannen in der Regel mit Schwimmversuchen am Kropf, der Badestelle am Austritt der Tollense aus dem See. Es folgten Geländespiele und häufig auch Ringkämpfe. Wettläufe, Stabspringen und Kletterübungen gehörten ebenso zum Programm des Nachmittags. Dazu war das weite Gelände an der Brodaer Seite des Tollensesees bis zu den Hahnen- und Krähenbergen bestens geeignet.
Im Winter wurden die Spiele mit tollkühnen Sprüngen in den Schnee und mit ausgedehnten Wanderungen fortgesetzt. Jahn verstand es, die Jungen für die ungewohnten körperlichen Übungen und Spiele zu begeistern.

Heute erinnern in Neubrandenburg Jahnstraße, Jahnviertel, Jahnstadion und Jahnsportforum an das Turnvater-Intermezzo. Frühe Turnplätze entstanden auf einer Kuhwiese am Ende der heutigen Jahnstraße und am Badeweg an der Stelle des heutigen Jahnstadions. Eine Denkmals-Büste wurde 1904 am Beginn der Jahnstraße enthüllt, sie steht heute noch direkt am Engelsring. Anlässlich des 150. Jahn-Geburtstags errichtete man 1928 im Brodaer Holz einen Jahn-Gedenkstein, dessen zweite Hälfte in die Hasenheide verfrachtet wurde. Und thematisch passend gelangt der interessierte Wanderer heute erst nach 152 mühsamen Stufen auf die Jahnhöhe zum Stein.

jahndenkmal neubrandenburg jahnstein im brodaer holz am tollensesee
inschrift jahnstein neubrandenburg

Wem diese Informationen nicht ausreichen, der sei noch auf drei Schriften anlässlich des 200-Jahre-Jubiläums aufmerksam gemacht (jeweils .pdf-Dateien):

200 Jahre Turnen (Berliner Turnerbund)
200 Jahre Turnbewegung – Soziale Verantwortung (Deutscher Turnerbund)
200 Jahre Turnbewegung – 200 Jahre Soziale Verantwortung (Jahn-Gesellschaft)

Abschließend die acht Turngesetze, an denen wohl jede schnöde Sport-Geräteturn-Stunde der deutschen Moderne kläglich scheitern würde:

1. Jeder, der Mitglied der Turngemeinschaft werden will, muß zuvor versprechen, der Turnordnung nachzuleben, und nicht anders zu handeln – auf keinerlei Weise.
2. Jeder soll nur in grau leinener Turntracht auf den Turnplatz kommen.
3. Kein Turner soll einigen Unwillen, Fehd und Feindschaft, so er mit einem und dem anderen Mitturner hat, während der Turnzeit und auf dem Turnfelde äußern; sondern jeder soll bloß turnen – und in Friede, Freude und Freundschaft.
4. Es soll auch keines Hasses oder Grolles auf dem Turnfelde gedacht werden; und eben so wenig auf dem Hingang und Heimgang, auch auf keinen Turnfahrten.
5. Jeder Turner darf nur auf den bezeichneten Wegen und Stegen zum und vom Turnplatze kommen und gehen, (weder durchkriechen, noch übersteigen, auch nicht überspringen).
6. Beim Kommen und Gehen muß jeder Turner auf den Tie gehen, und am Dingbaum schauen, was vor ist, was es giebt und was jedermann kund und zu wissen Noth thut.
7. Welcher Turner irgend etwas erfährt, was für ihn und wider die Turnkunst und unsre Übung derselben Freund oder Feind sprechen, schreiben und wirken: muß davon sogleich Anzeige machen, damit zu seiner Zeit und an seinem Orte aller solcher Kunden – mit Glimpf oder Schimpf – könne gedacht werden.
8. Und so soll ein Jeder nach unserm löblichen Turnbrauch sich richten und nicht neusüchtig Neuerungen aufbringen, ohne vorherige Rücksprache und Berathung.

(Aus: Jahn/Eiselen, „Die Deutsche Turnkunst zur Einrichtung der Turnplätze“ Berlin 1816, Quelle)

(Zuerst veröffentlicht im Sportkurier-Blog im Juni 2011)

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Sport

Bergring Teterow in der DDR: „Ost-Orgie“ oder doch einfach nur ein Motocrossrennen

015 DDR. Jugend. Berlin 1983

Zwei mythische Städte im Alten Testament, die wegen der Sünde ihrer Einwohner von Gott vernichtet wurden. Umgangssprachlich eine katastrophale Situation oder einen Ort zügellosen, unkontrollierbaren Geschehens.

Soweit die Definition von Sodom und Gomorra. Sünde also, katastrophal, zügellos, unkontrollierbar. So muss es demnach damals zugegangen sein bei der „abgefahrenen Ost-Orgie“, wie das Bergringrennen in Teterow bei einestages, dem Zeitgeschichte-Portal von Spiegel Online, im Vorspann angekündigt wird. Am Pfingstwochenende seien „Staatsfeinde in Feierlaune“ gewesen, Zigtausende Jugendliche hätten auf dem Bergring Widerstand gegen die DDR-Obrigkeit geleistet. Die passende Überschrift: Sodom und Motorrad.

Nun ist das ja so eine Sache mit den Überschriften: Kurz und knapp sollen sie sein, Aufmerksamkeit sollen sie erregen, Reizwörter sind nicht schlecht, Wortspiele können funktionieren. Ärgerlich wird es aber immer dann, wenn sie etwas versprechen, was im Text nicht gehalten wird. Im Text – oder in der Realität.

War also der Bergring zu DDR-Zeiten ein Ort zügellosen, unkontrollierbaren Geschehens?

Ich weiß es nicht, war nie da. Der Fotograf Siegfried Wittenburg, geborener Warnemünder und Autor der einestages-Geschichte, hat 1982 und 1983 auf dem Bergring fotografiert. Und zu den Bildern hat er einen Text geschrieben, der vor allem die beschreibt, die damals in Scharen gen Teterow kamen: Jugendliche.

Dabei ließen sich die jungen Leute bereitwillig verewigen, stellten sich in Pose, mit Flasche oder ohne. Aber sie entsprachen damit eben so gar nicht dem sozialistischen Idealbild. Sie brachen aus dem Alltag aus, um allen zu zeigen, dass sie selbstbestimmt leben und keine „allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeiten“ sein wollten. (…) Die reichlich zitierten Berichte von Volkspolizei und Staatssicherheit lassen keinen Zweifel daran, dass die „Tramper und Gammler“ der Staatsfeind Nummer zwei waren, gleich nach den westlichen Agenten und Saboteuren.

Die Kommentare unter dem Artikel gleichen allerdings die arg reißerische Spiegel-Ankündigung wieder aus, „ziemlich albern“ sei „diese von Unwissen und Unverständnis strotzende nachträgliche Überhöhung alltäglichen Geschehens und Verhaltens“. Und selbst Autor Siegfried Wittenburg, der Überschrift und Vorspann vielleicht so nicht gewählt hätte, meldet sich daraufhin nochmal und stellt klar: „Natürlich war das Teterower Bergringrennen keine Veranstaltung von Widerstandskämpfern aus der Sicht der Teilnehmer. Aus der Sicht der Staatsmacht schon.“

Foto: ulrichkarljoho – ddr-jugend in berlin 1983
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Sport

Lass die Finger von der Vuvuzela: Das ist Afrika!

vuvuzela

Da kann man ja das eigene Wort nicht verstehen. Das hört gar nicht auf, das geht die ganze Zeit über! Das ist so laut. Das reagiert gar nicht auf die aktuelle Spielsituation! Das hat man ja noch nie erlebt. Das sollte man verbieten!

Du meine Güte!

In der DDR-Oberliga gab es auch Tröten, die ähnlich der Vuvuzelas komische Geräusche machten. Bei der WM 1986 in Mexiko herrschte meinen spärlichen Erinnerungen nach ebenfalls diese ungewohnte Bienenschwarmatmosphäre auf den Rängen; auch wenn es wohl etwas leiser war. Beiden Spontanbeispielen ist gleich, dass sie zeitbedingt nicht mal der Akustik benötigen, um korrekt erkannt zu werden. Die Oberliga kann man in Rückblenden heute nach drei Spielsekunden identifizieren, die WM 1986 ebenfalls, alleine schon der lustigen Schattenspiele auf dem Rasen wegen.

Aber wer kann nach kurzer Zeit die WM ‘94 von der ‘98 unterscheiden, wer die WM ‘06 von der EM ‘08, wer die Bundesliga-Saison 2009 von der 2005?

Normierte Stadien, normierte Reklame, quasi-normierte Akustik. Die ganze letzte Fußball-Dekade hindurch, mindestens. WMs in Deutschland, Frankreich, EMs in Österreich, Schweiz, Portugal, Niederlande, Belgien, England, die Bundesliga in den mittlerweile fast immergleichen deutschen Arenen. Immer die gleiche Champions League, immer die Ultras, die bekannten Fangesänge, Dauertrommeln. Europäische Fußballfanhegemonie.

Und dann ein Riesenthema, wenn es mal anders ist. Himmel! Ist es nicht ganz prima, später mal Spiel-Ausschnitte nur wegen ihrer eindeutigen, wenn auch zunächst ungewohnten Akustik der Afrika-WM zuordnen zu können? Oh, die Tröten, muss wohl 2010 gewesen sein. Muss man wirklich jedem Jammerer ein “Dann stell’ halt den Ton leiser!” zupfeffern oder sollten die auf diese naheliegende Bewältigungstaktik nicht von selbst kommen?

Was ist an den Vuvuzelas eigentlich so schlimm? Die Lautstärke an sich? Nun, ein Fußballspiel ist keine Kinderkrippe, und 80.000 Unterstützer im Westfalenstadion sind auch nicht viel leiser. Die nervige Frequenz? Ist ungewohnt, ja, so ungewohnt wie Höhenluft, Winter im Sommer oder Bauhelme als Fanutensil. Die Tröten-Permanenz? Hmm, mag sein. Aber sind Dauertrommler oder -singer denn so viel besser als Dauertröter? Sind die Vuvuzela-Feinde zu verärgert, um den Volumenknopf ihres Heimkinos einfach und ohne augenrollenden Meckermonolog runterzudrehen?

Ist denen das Dauergetröte im Fernsehen in der Tat fußballverhindernd zu laut?

Ja? Tja. Dann muss das wohl so sein. Ich hingegen freue mich, mal guten Fußball in etwas anderem Kleide sehen zu können, auch wenn dieses “Andere” eben aus abertausenden Plastetröten besteht. So sei es. Entweder man ist dabei, oder man ist es eben nicht, weil einem das Gesummse auf den Keks geht. Aber zusehen und dann permanent mosern finde ich mittlerweile ermüdender als die Tröten selbst. Die eigene WM-Begeisterung sollte doch vom Fußballspiel und nicht von der Atmosphäre im Stadion – wie komisch die auch immer sich anhören möge – hervorgerufen werden.

Ich hoffe nun auf weitere aussagekräftige Vuvuzela-Klagelieder in den nächsten Tagen, auf dass dann aber bitte auch Schluss ist damit. Es geht schließlich auch um Fußball. Doch weil sich selbst Günter Netzer wegen der Tröten zu einem jetzt schon legendären Lachanfällchen hinreißen ließ, hier wenigstens noch der Hinweis auf ein ziemlich ordentliches Anti-Tröten-Cover: Lass die Finger von der Vuvuzela!

Und FIFA-Chef Sepp Blatter hat die vorigen Absätze vor einiger Zeit mal sehr schön und vor allem lautmalerisch höchst interessant in knapp 30 Sekunden gepackt. Sein Fazit: This is Africa!

Foto: Martin Abegglen via Flickr unter CC-Lizenz by-sa
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Jammern über Jabulani

Weighing of 2010 World Cup balls

Morten Olsen! Iker Casillas! Gianluigi Buffon! Julio Cesar! Luis Fabiano! Fabio Capello! Ihr Memmen! Öl überflutet die Meere, Vulkane husten und prusten, Präsidenten werfen Hand- und Taschentücher. Und was tun so verdienstvolle Fußballer und Trainer wie ihr?

Ihr jammert über Jabulani, den WM-Ball.

Es ist schade, dass in einem so bedeutenden Wettbewerb wie einer Weltmeisterschaft ein so wichtiges Element wie der Ball einen so abgründigen Charakter hat.

Herr Casillas! Ich bitte Sie! Bälle haben einen abgründigen Charakter so wie Außenlinien zur manischen Depressivität neigen, nämlich gar nicht! Sie mögen anders fliegen als andere Bälle, aber die Grundvoraussetzungen für ein ordnungsgemäßes Fußballspiel sind gegeben: rund, knapp ein halbes Kilo schwer, aufgepumpt.

Der Ball ist furchtbar. Schrecklich. Er gleicht den Bällen, die es im Supermarkt zu kaufen gibt.

Herr Cesar! Ich bitte Sie! Den Jabulani gibt es im Supermarkt zu kaufen. Und wenn nicht jetzt, dann bestimmt bald. Und dass Sie als von Nike Ausgerüsteter den adidas-Ball beschimpfen, ist nun auch nicht sonderlich originell.

Für Torhüter ist der Ball fürchterlich, er bewegt sich dauernd. Auch meine Spieler haben Schwierigkeiten mit der Ballkontrolle.

Herr Capello! Ich bitte Sie! Ein Ball, der sich bewegt? Und auch noch dauernd? Skandal! Und wenn die von Ihnen trainierten Spieler Probleme mit der Ballkontrolle bekommen, weil sie mit einem anderen Ball spielen, sollten sie vielleicht mal ihr Technik-Training überdenken.

Er verändert plötzlich seine Flugbahn. Es ist, als ob er sich nicht treten lassen will. Es ist unglaublich – als ob jemand den Ball steuert. Du willst ihn kicken, und er bewegt sich zur Seite. Ich denke, das ist übernatürlich und sehr übel.

Herr Fabiano! Ich bitte Sie! Wer möchte sich schon gerne treten lassen? Und außerdem glaube ich, dass Sie zuviel Erich von Däniken und Stephen King lesen. Wenn, ja wenn ein übler Übernatürlicher Dinge auf dieser Erde von irgendwoher steuern oder lenken könnte, dann wären dies mit Sicherheit nicht bestimmte Fußbälle einer bestimmten Fußballherstellfirma.

Ich glaube, dass es eine Schande ist, ein so wichtiges Turnier mit solch einem Ball zu spielen.

Herr Buffon! Ich bitte Sie! Ich glaube, dass es eine Schande ist, den baldigen Start eines Fußballgroßturniers allein daran zu erkennen, dass weltweit Klagelieder über Arbeitsgeräte angestimmt werden. Ich glaube auch, dass es eher eine Schande ist, darauf zu bestehen, mit rechtsextremen Schlüsselsymbolen auf dem Hemd zu spielen.

Wir haben mit einem unmöglichen Ball gespielt, an den wir uns erst noch gewöhnen müssen. Es war sehr schwierig, diesen Ball zu kontrollieren und ihn bei Pässen auf Tempo zu bringen.

Herr Olsen! Ich bitte Sie! Wenn man möchte, dass ein Ball schneller von A nach B fliegt, einfach mal stärker gegentreten. Wenn das nicht klappt, einfach mal in den Kraftraum gehen. Wenn das zu umständlich ist, einfach mal den Beruf wechseln.

Generell ist festzuhalten: Gut bezahlte Profifußballer beschweren sich mimosiger als meine Tochter beim Spinatessen über etwas, was ihnen eigentlich zugute kommt, nämlich die fortdauernde Entwicklung von neuen Bällen zu den EM- und WM-Endrunden. Neue Bälle, neuer Umsatz, neues Geld. Der Ball mag anders fliegen und meinetwegen unberechenbarer geworden sein – echte Männer nehmen das zur Kenntnis und zum Anlass, sich darauf einzustellen und halt mal ein wenig mit dem Ding zu üben.

Findet im übrigen auch Ex-Nationalspieler René Müller, der dieses Interview ganz ähnlich beschließt:

Aufhören zu jammern und sich an den Wasserball gewöhnen. Alles andere hilft ja auch nicht.

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Sportarten, die es auch noch gibt: Broomball

broom – der Besen
ball – der Ball

Häh? Besenball? Heißt das nicht eigentlich Quidditch? Nein, Harry Potter hat mit Broomball nix zu tun. Broomball ist Eishockey ohne Schlittschuhe, dafür mit besenartigem Schläger.

Selbst schon mal Broomball gespielt hat die Journalistin Diana Laarz, die derzeit in Moskau arbeitet – und Broomball spielt. Ihr Bericht „Alles besenrein“ beschreibt sehr anschaulich, wie schwierig es ist, in voller Montur auf glatten halbwegs eine gute Figur abzugeben.

Laut Lexikon haben ein paar Kanadierinnen im frühen 18. Jahrhundert den ersten Broomball gespielt. Es gibt Welt- und Europameisterschaften, ein deutsches Team und eine Frustventilfunktion, die dem großen Bruder Eishockey ziemlich ähnlich ist.

Broomball II

foto:dailyinvention
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Wie steht es um den deutschen Fußballosten?

Der deutsche Fußballosten. Der eine sieht ihn verschwinden und empfindet Mitleid jedoch als eher unangebracht. Der andere zieht optimistische Vergleiche mit Kiel und Saarbrücken und empfindet Mitleid als fehl am Platz. Ich kenne diesen Fußballosten gar nicht persönlich und stecke meine Nase mal lieber in die Vergangenheit:

So. Rein quantitativ betrachtet krepeln in den ersten drei Fußballebenen genau so viele Ostvereine herum wie noch vor vier und fünf Jahren. Die konstantesten von ihnen – Hansa Rostock, Union Berlin, Energie Cottbus – sehen sich in der zweiten Liga, und auch die Drittligisten Dresden, Erfurt, Aue und Jena sind mitnichten überraschende Emporkömmlinge. Würde man sich den Spaß machen und die Zuschauerzahlen dieser Klubs mal in Verhältnis zu irgendwas setzen, wäre vielleicht auch nicht so viel von Mitleid, welcher Art auch immer, die Rede.

Qualitativ gewichtet sieht es ein wenig anders aus, in der Tat wird hier ein gewisser Abwärtstrend sichtbar. Das liegt an der künftigen Nichtteilnahme des Fußballostens an der Bundesliga, aber auch an der Umstrukturierung der Regionalligen. Und vor gerade mal zwei Jahren ist nach dieser Rechnungsweise das beste Ost-Ergebnis (2xBL, 2x2L, 6xRL) der vergangenen Dekade zu konstatieren.

Lassen wir spaßeshalber die dritten Ligen außen vor, ergibt sich ein ähnlich diffuses Bild. Die soeben vergangene Saison waren es lediglich Cottbus und Hansa, die in Liga eins und zwei mitspielten, vor zehn Jahren gab es eine ähnliche Konstellation, nur gab es damals noch die Regionalliga Nordost, quasi eine Reinkarnation der DDR-Oberliga. Mit einer Ausnahme spielten immer zwei bis fünf Ostklubs in Bundes- und 2. Liga, ein Trend ist hier nicht zu erkennen.

Unter dem Strich ergibt sich folgendes Fazit: Ja, der Fußballosten verschwindet – stützt sich der Analysator größtenteils auf die Teilnahme und den Erfolg von Ostvereinen in der Eliteklasse. Nein, es gibt ihn und er lebt – löst man sich von der Bundesliga und sieht mal nach, wie es darunter so kreucht und fleucht. Und findet jemand mal verlässliche Zahlen, wie viele hoffnungsvolle Ost-Fußballer zwecks Ausbildung, Studium oder generellem Geldverdienen gen Westen zogen, braucht niemand mehr pünktlich zum Saisonende Mitleid, Traurigkeit oder Ärger herauszukramen.

Es ist eben so.

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Ein Abend mit Kutte An der alten Försterei

Es gibt Fußballvereine, die kann man anhand ihrer Titelvitrine beschreiben. Bei manchen ist es die Fankultur oder das Festgeldkonto, die Nachwuchsarbeit, die Jahrtausende alte Tradition oder das Fehlen derselben, das den Klub auf die Schnelle am besten charakterisiert. (Und wer wollte bestreiten, dass Fußballklubs keinen Charakter haben.) Manche Vereine erschließen sich manchem hingegen zuerst auch über ihr Stadion.

Stadion_an_der_Alten_Försterei

Foto: Lear21 unter CC-Lizenz by-sa

Für mich ist Union Berlin so ein Verein.

Das ist lustig, denn dieser neblige Februar-Abend vor acht Jahren war mein erstes und bislang einziges Mal in der Alten Försterei. Pokalhalbfinale, Union gegen Gladbach. Das Spiel Regional- gegen Zweitligist hatte mehr als 18.000 Zuschauer gelockt, darunter auch zwei Eventfans, die ungewollt an Karten gekommen waren. Zusammen mit ganz viel Ostberlin strömten wir gen Stadion, als uns Hungrige die bekannte Melange von Bockwurst, Weißbrot und Senf in ein geselliges Gasthaus zog.

„Ey, wer seidn iaa?“
„Öh, wir möchten gerne was essen.“
„Möchten? Gerne?“

(Lachen)

(Pause)

(Nochmal Lachen)

„Wüat! Zwee Wurst, zwee Bia! Und jetzt Fresse jehalten und dahinten inne Ecke, kla?!?“
„Öh, wir würden aber gerne …“

Ich weiß noch genau, wie ich meinen Freund damals bewundert habe ob seiner zidaneschen Körperbeherrschung, als er in der berstend vollen Unionkneipe mit vollem Bierglas und Bockwurst in den Händen von so ’ner ollen Kutte erst in seinem Widerspruch unterbrochen und dann in die Nische zwischen Tresen und Klotür hineindrangsaliert wurde. Und ich sehe auch noch diesen anthropologisch angehauchten Blick des Wirtes, der dieses Initiations-Ritual offenbar gut kannte und meinem Freund nur stumm riet: „Mach jetzt einfach mal gar nichts.“

Offenbar weil ich kameradenschweinig und feige gewesen war und nicht edel solidarisierend protestiert hatte, wurde ich ebenfalls grobschlächtig in die Ecke komplimentiert; aber das Bier war kühl und billig, die Wurst fettig und lecker, die Kneipe laut und vorfreudig. Irgendwie kamen immer noch mehr Menschen hinein, ohne dass gehende Gäste für Volumenentlastung sorgten. Die olle Kutte hatte uns längst eine Runde spendiert, sicherheitshalber hatten wir prompt zurückspendiert, und so kam man bald ins Gespräch.

„Kommpt wohl nich von hia, wa?“
„Nein, wir kommen …“
„Na dit merkich. Wollta ma dit Stadion sehen?“

Wir verzichteten auf die naheliegende Replik Na logisch, Alta, wat gloobste, wofür die Karten hia sind? und wurden durch Kutte sicher zurück in die Welt des Sauerstoffs geleitet. Und erst nachdem die Försterei „je-entat“ (O-Ton Kutte) war, wussten wir sein Angebot allmählich zu deuten. Kutte zeigte uns das ganze Stadion, sein Stadion, wie er mehrmals pathetisch in die Köpenicker Abendluft raunte. Eine halbe Stunde lang dackelten wir in der Alten Försterei einem angetrunkenem Union-Fan hinterher, der Stadion-Anekdote an Stadion-Anekdote reihte und mich noch heute meine verdammte Faulheit verfluchen lässt, damals nicht in der Nacht noch alles aufgeschrieben zu haben.

Zwischenzeitlich glaubte ich, der permanent gestikulierende und stets voranschreitende Mittvierziger hätte uns über seine Fußballplatzgeschichten von A wie Anzeigetafeln bis Z wie Zoolautierende Gästefans vergessen. Doch dann, wir kamen gerade bei unseren Plätzen auf der Haupttribüne an, der Anpfiff nahte, die Einführung in die Stadionkunde hallte noch durch unsere Köpfe, der Fanblock gegenüber sang sich gerade warm, dann drehte sich Kutte plötzlich um.

Dit is mein Stadion, vastehste?“

Er lachte noch kurz und ging. Und wir hatten vastandn. Union gewann schließlich mit 6:4 im Elfmeterschießen, wir erwischten den damaligen Gladbacher Trainerschüler Michael Frontzeck nach der Pressekonferenz herzhaft in die diesige Nacht fluchend, und Kutte muss die vergangenen Monate im Jahn-Sportpark-Exil wohl ziemlich gelitten haben.

Aber alles egal. Union ist aufgestiegen, Union hat ein neues Stadion. Herzlichen Glückwunsch.

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Gebt mir ein U!

Wahlweise mit einem oder auch zwei Binnen-F verwendet sowie beliebig erweiter- oder modifizierbar, ist die possierliche UFFTA mittlerweile in den meisten Stadien der Republik angekommen. Stimmt die Chemie zwischen Fans und Mannschaft, schwappt der lebensfrohe Gesang durchaus auch auf den Rasen über. Wie so etwas aussieht, demonstrieren hier in höchst anschaulicher Weise ein paar junge Männer aus Malchow, nachdem der Aufstieg des hiesigen SV 90 aus der Verbands- in die Oberliga klar gemacht war:

Zur Geschichte des UFFTA nur soviel: Adaptiert vom in den 60er Jahren entstandenen Humba Tätärä des Mainzer Komponisten Toni Hämmerle waren es Berliner Eishockeyfans, die das klassische Humba bei einem Gastspiel der Kölner Haie in Berlin mal eben kreativ in ein Uffta verwandelten (Quelle). Folgend eine Aufführung des klassischen Humbas, wobei die erstaunten Blicke des New Yorker Publikums besonders erwähnenswert sind: