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Musik

The Prodigy, die „Arena“ in Berlin und viel zu viele Nudeln

The Fat of the Land

Er hätte nicht so viele Nudeln essen sollen, resümierte er, als er an einem Pfeiler mitten in der „Arena“ sitzend wieder zu sich kam. Ihm fehlten ein paar Minuten, der Magen rumorte, und er hatte ein wenig Angst, dass ihm jemand im Ravepunk-Überschwang schlicht auf den ohnehin schon schmerzenden Kopf springen würde. Er schaute kurz auf die Uhr, konnte im Stroboskopgewitter allerdings nichts erkennen. War das hier schon die Zugabe?

Er hatte einen langen Tag an der Uni gehabt: Zwei Seminare, dazu Volleyball und Badminton und die Fahrerei durch die halbe Stadt von einem Campus zum anderen. Zeit fürs Mittagessen war irgendwie nicht übrig geblieben; und so war er mehr als dankbar, dass es bei Olli am Kotti neben ein paar kühlen Fläschbier auch noch äußerst bissfeste Nudeln in Kompaniemengen mitsamt einer merkwürdig scharfen Soße gab. Zur Verdauung reichte man einen Kurzen, ein Tütchen und ein paar Partien Dart, und ab ging es zu Fuß Richtung Treptow.

Der Novemberabend war diesig, die Stimmung in der halbdutzendgroßen Gruppe Sportstudenten riesig. Also hatte er natürlich auch nix gegen das Dosen-Mixgetränk, das ein etwas Betuchterer beim Warten im Halbdunkel des Eingangs ausgab: Prost! Noch ein letzter Blick auf die gemütlich auf der Spree schaukelnden Hoppetosse, dann flugs hinein in die Breakbeathölle.

Dass die Akustik in der Halle eine legendär beschissene ist, war entgegen ersten Befürchtungen gar nicht mal so schlimm. Denn The Prodigy machten dieses eklatante Manko durch schiere Lautstärke mehr als wett. BASS, BASS, WIR HATTEN BASS! Kaum Deko, viel Strobo, und Tausende Menschen aus allen Himmels- und Szenerichtungen, die mit den ersten Takten vom Meilenstein-Album „The Fat of the Land“ ausnahmslos und kollektiv in den „Ich will jetzt und hier aus mir herausgehen, aber dieses Mal so richtig, ey!“-Modus wechselten.

Er freute sich einerseits sehr darüber, hatte er The Prodigy doch schon seit „Everybody is in the Place“ und dem Über-Break-Konzeptalbum „Music for the Jilted Generation“ ob der famosen Verbindung von Melodie und Rhythmus in sein kleines Raverherzchen geschlossen. Andererseits hatte er wirklich sehr viele Nudeln gegessen und dazu recht willkürlich getrunken und geraucht. In der Summe mit dem ausdauerndem – er war schließlich ein Jünger der Sportwissenschaften und hatte keinen Ruf zu verlieren – Auf- und Niederhüpfen sowie dem permanenten Hinausschreien seiner Endorphine meldete sich irgendwann im zweiten Drittel des Konzerts das aufgebrachte Nudelrudel.

Er hätte nicht gedacht, dass es schließlich so schnell gehen würde. Zum Glück fand er fix eine geeignete Ablademöglichkeit in der Halle; und die Abwesenheit von lichtsensiblen Smartphone-Kameras und Sozialen Medien im Jahr 1997 verhinderte, dass er am nächsten Morgen verkatert und ängstlich über die Wahrscheinlichkeit nachgedacht hat, armselig in eine Mülltonne kotzend als Party-Sharepic-Meme bereits in alle Welt hinausgeteilt worden zu sein.

Am Pfeiler kauernd fand er nun zu sich und alsbald sogar einen Vorteil in seiner Situation: Die Tanzmasse von etwas außerhalb und schräg unten zu beobachten war mindestens genau so faszinierend wie mittendrin stehend; und der BASS, BASS, WIR HATTEN BASS fühlte sich im Kellergeschoss gleich noch um einige Stufen deeper an. So stieß er irgendwann auch wieder zu den anderen, deren Mienen – ebenso wie seine eigene vermutlich auch – vom entrückt-und-beglückt-Sein kündeten. Und in diesem Augenblick fand wohl auch der manische Zwang seinen Anfang, der ihn bei jedem Hören von nur ein paar Takten eines Tracks von „The Fat of the Land“ automatisch den „BASS“- und „VOLUME“-Knopp anner Anlage gen Osten drehen lässt.

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Wenn 2010 jemand wissen will, wie Popmusik im Jahr 1997 geklungen hat, sollte er besser zu „The Fat Of The Land“ denn zu „Pop“ von „U 2“ greifen. Das ist auch heute schon die richtige Entscheidung.

Das schrieb der Spiegel 1997 über „The Fat of the Land“. Und heute möchten er und ich gerne 2010 durch 2017 ersetzen.

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Und auch das Kraftfuttermischwerk war damals offensichtlich dabei.

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Ratgeber

Fieser Tempo-60-Blitzer auf der Berliner Stadtautobahn

Aus aktuellem Anlass hier mal eine kleine Warnung für alle, die nur selten auf der Berliner Stadtautobahn A100 fahren: Seit einem Jahr gibt es dort in Richtung Hamburg eine Tempo-60-Zone (in etwa hier), die gerade nachts alles andere als gut gekennzeichnet ist und mit einem fest installierten Blitzer endet. Warum das so ist? Weil da ’ne Brücke bröckelt. Aber vielleicht könnense die ja mal heilemachen, wenn diese Sache mit dem Flughafen durch ist.

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Sprache

Kuttner spricht russisch

Jürgen, nicht Sarah. Irgendwann anfang des Jahrtausends auf Radio Fritz, wegen irgendeiner Ranking-Sendung „Die besten Songs des Jahrtausends“ oder so, als Einstieg. Klingt gut, besonders die Betonung auf поэтому. Wird hierhereingespült, weil mir ein Kassettendigitalisiergerät in die Hand fiel und benutzt werden wollte. Und ja, ich habe in diesem Jahrtausend noch vom Radio auf Kassette aufgenommen.

(Aktuell setzt sich Kuttner übrigens im Berliner DT mit der Sozialdemokratie und dem Links-Sein auseinander.)

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Ratgeber

MacGyver, Babybel und bröckelige Altbauwände

Es gab eine Zeit, da hatte ich Angst, Löcher in die Wand zu bohren.

Berlin ist eine tolle Stadt, vor allem auch wegen der Fülle an prima Wohnungen, die im Gegensatz zu anderen Großstädten hinsichtlich ihrer Finanzierung keine Dritt- oder Viertjobs erfordern. Der Einzug in eine neue Altbauwohnung war aber auch immer ein Stück weit eine spannende Angelegenheit. Musste zwecks Wanddekoration das erste Loch gebohrt werden, kam er unweigerlich, der Moment der Wand-Wahrheit: fest, bröckelig, Trockenbau, Mauerwerk, Sandstein, zusammengefegter Schutt, 10 Jahre alt, 100, 200? Man wusste es nicht, und das zu bebohrende Material konnte mitunter auf einem Quadratmeter mehrfach variieren.

Damals investierte ich mehrere Umfrageinstituts-Schichtlöhne – hätten Sie vielleicht ein paar Minuten für einige interessante Fragen? – in überteuertes Baumarktssuperduperklebezeugs. Das muss warmgeknetet und weitflächig anstelle des Rausgebröckelten um das Bohrloch aufgebracht werden. Es funktionierte, und ich vermute, noch heute verfluchen mich Nachfolgemieter, wenn ihnen beim Bilderanbringen plötzlich drei Kubikmeter Industriespachtel auf einmal entgegenkommt.

Doch Menschen wachsen, und hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, hätte ich so manchen braven Bürger nicht an seinem Feierabend zu seinem Kaufverhalten interviewen müssen. Die MacGyver-Erleuchtung kam mir gestern: Irgendein Kind hatte die Abendbrotsreste nicht komplett im Mülleimer versenkt, ein bisschen was ging daneben, und das Bisschenwas – klebte. Wie Sau. Das Abkratzen vom Boden dauerte knappe drei Minuten, die Fingernägelsäuberung danach nochmal so lange.

So empfehle ich hiermit allen verzweifelten Bohrlochbohrermeistern, sich immer eine Familienpackung Babybel im Kühlschrank zu halten. Käse raus (auffuttern schadet nicht), Käsehülle – eine Paraffin-Mikrokristall-Mischung – kurz warmgeknetet, in Form gebracht, härten lassen, fertig ist das Dübelfix.

Wahlweise dürfen Kreativversierte auch eine Käseflatrate buchen und ein kleines Wachsfigurenkabinett einrichten. Und, ganz besonders praktisch: Ist mal keine Kerze zur Hand hat, braucht man einfach nur das Bohrloch freilegen, Docht in die Wand, anzünden, fertig!

#8/365 - Punk Gobelin

foto:pierre guinoiseau unter cc-lizenz by
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Neubrandenburg Sport

200 Jahre Turnbewegung – Turnvater Friedrich Ludwig Jahn, die Hasenheide und Gedenkstätten in Neubrandenburg

Turnvater Jahn  Hasenheide

foto:sludgegulper

Die einzige Augenzeugin trägt einen ungewöhnlichen Namen. NDM XIV?1/B heißt sie, ist etwa 500 Jahre alt sowie 25 Meter hoch und unter diesem kryptischen Namen im Berliner Naturschutzregister als Naturdenkmal registriert (Quelle). Die mächtige Eiche steht in der Hasenheide direkt neben dem Denkmal von Friedrich Ludwig Jahn, der dort vor 200 Jahren, am 19. Juni 1811, Deutschlands ersten Turnplatz eröffnete und damit die Turnbewegung in Gang gebracht hat. Und an den Ästen dieser Eiche, so wird berichtet, soll Jahn seinen jungen Turnern Reckübungen beigebracht haben.

jahn_denkmal

foto:wikipedia

Zum Jubiläum haben der Bezirk Neukölln und die Berliner Senatsverwaltung für Sport die Geburtsstätte von Stufenbarren, Schwebebalken und Pauschenpferd mit 300.000 Euro aufgepäppelt. Mit dem Geld könne „der Sockel erhalten, Graffiti beseitigt und die Beete bepflanzt werden“, so das Naturschutz- und Grünflächenamt in Neukölln (Quelle). Das müssen dann aber wohl ganz schön große Beete sein.

Immerhin wird anlässlich des Jubiläums und nach einer mittellangen Netz-Recherche deutlich, wie umstritten der Turnvater sowohl zu seinen Zeiten war als auch heute noch ist. Ein deutsches Jubiläum? wird nicht umsonst in Fragezeichen gesetzt, Jahn wird als früher Rocker, verkrachter Bummelstudent, derber Prahlhans, nationalistischer Hassprediger und von Hitler sogar als erster Nationsozialist tituliert (Quelle); Sportgeschichtsprofessorin Gertrud Pfister (mit der ich vor einem Jahrzehnt mal in der Hasenheide rumgeturnt bin) fragt gar rhetorisch: Hat Jahn ausgeturnt?

jahn_post

foto:wikipedia

Hierhergeturnt ist der Bärtige jedenfalls mal, als Hauslehrer in Diensten eines Barons weilte Jahn 1803/04 in Neubrandenburg und trieb sich mit jungen Mitturnern am Tollensesee herum:

Die freien gymnastischen Übungen begannen in der Regel mit Schwimmversuchen am Kropf, der Badestelle am Austritt der Tollense aus dem See. Es folgten Geländespiele und häufig auch Ringkämpfe. Wettläufe, Stabspringen und Kletterübungen gehörten ebenso zum Programm des Nachmittags. Dazu war das weite Gelände an der Brodaer Seite des Tollensesees bis zu den Hahnen- und Krähenbergen bestens geeignet.
Im Winter wurden die Spiele mit tollkühnen Sprüngen in den Schnee und mit ausgedehnten Wanderungen fortgesetzt. Jahn verstand es, die Jungen für die ungewohnten körperlichen Übungen und Spiele zu begeistern.

Heute erinnern in Neubrandenburg Jahnstraße, Jahnviertel, Jahnstadion und Jahnsportforum an das Turnvater-Intermezzo. Frühe Turnplätze entstanden auf einer Kuhwiese am Ende der heutigen Jahnstraße und am Badeweg an der Stelle des heutigen Jahnstadions. Eine Denkmals-Büste wurde 1904 am Beginn der Jahnstraße enthüllt, sie steht heute noch direkt am Engelsring. Anlässlich des 150. Jahn-Geburtstags errichtete man 1928 im Brodaer Holz einen Jahn-Gedenkstein, dessen zweite Hälfte in die Hasenheide verfrachtet wurde. Und thematisch passend gelangt der interessierte Wanderer heute erst nach 152 mühsamen Stufen auf die Jahnhöhe zum Stein.

jahndenkmal neubrandenburg jahnstein im brodaer holz am tollensesee
inschrift jahnstein neubrandenburg

Wem diese Informationen nicht ausreichen, der sei noch auf drei Schriften anlässlich des 200-Jahre-Jubiläums aufmerksam gemacht (jeweils .pdf-Dateien):

200 Jahre Turnen (Berliner Turnerbund)
200 Jahre Turnbewegung – Soziale Verantwortung (Deutscher Turnerbund)
200 Jahre Turnbewegung – 200 Jahre Soziale Verantwortung (Jahn-Gesellschaft)

Abschließend die acht Turngesetze, an denen wohl jede schnöde Sport-Geräteturn-Stunde der deutschen Moderne kläglich scheitern würde:

1. Jeder, der Mitglied der Turngemeinschaft werden will, muß zuvor versprechen, der Turnordnung nachzuleben, und nicht anders zu handeln – auf keinerlei Weise.
2. Jeder soll nur in grau leinener Turntracht auf den Turnplatz kommen.
3. Kein Turner soll einigen Unwillen, Fehd und Feindschaft, so er mit einem und dem anderen Mitturner hat, während der Turnzeit und auf dem Turnfelde äußern; sondern jeder soll bloß turnen – und in Friede, Freude und Freundschaft.
4. Es soll auch keines Hasses oder Grolles auf dem Turnfelde gedacht werden; und eben so wenig auf dem Hingang und Heimgang, auch auf keinen Turnfahrten.
5. Jeder Turner darf nur auf den bezeichneten Wegen und Stegen zum und vom Turnplatze kommen und gehen, (weder durchkriechen, noch übersteigen, auch nicht überspringen).
6. Beim Kommen und Gehen muß jeder Turner auf den Tie gehen, und am Dingbaum schauen, was vor ist, was es giebt und was jedermann kund und zu wissen Noth thut.
7. Welcher Turner irgend etwas erfährt, was für ihn und wider die Turnkunst und unsre Übung derselben Freund oder Feind sprechen, schreiben und wirken: muß davon sogleich Anzeige machen, damit zu seiner Zeit und an seinem Orte aller solcher Kunden – mit Glimpf oder Schimpf – könne gedacht werden.
8. Und so soll ein Jeder nach unserm löblichen Turnbrauch sich richten und nicht neusüchtig Neuerungen aufbringen, ohne vorherige Rücksprache und Berathung.

(Aus: Jahn/Eiselen, „Die Deutsche Turnkunst zur Einrichtung der Turnplätze“ Berlin 1816, Quelle)

(Zuerst veröffentlicht im Sportkurier-Blog im Juni 2011)

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Sport

Ein Abend mit Kutte An der alten Försterei

Es gibt Fußballvereine, die kann man anhand ihrer Titelvitrine beschreiben. Bei manchen ist es die Fankultur oder das Festgeldkonto, die Nachwuchsarbeit, die Jahrtausende alte Tradition oder das Fehlen derselben, das den Klub auf die Schnelle am besten charakterisiert. (Und wer wollte bestreiten, dass Fußballklubs keinen Charakter haben.) Manche Vereine erschließen sich manchem hingegen zuerst auch über ihr Stadion.

Stadion_an_der_Alten_Försterei

Foto: Lear21 unter CC-Lizenz by-sa

Für mich ist Union Berlin so ein Verein.

Das ist lustig, denn dieser neblige Februar-Abend vor acht Jahren war mein erstes und bislang einziges Mal in der Alten Försterei. Pokalhalbfinale, Union gegen Gladbach. Das Spiel Regional- gegen Zweitligist hatte mehr als 18.000 Zuschauer gelockt, darunter auch zwei Eventfans, die ungewollt an Karten gekommen waren. Zusammen mit ganz viel Ostberlin strömten wir gen Stadion, als uns Hungrige die bekannte Melange von Bockwurst, Weißbrot und Senf in ein geselliges Gasthaus zog.

„Ey, wer seidn iaa?“
„Öh, wir möchten gerne was essen.“
„Möchten? Gerne?“

(Lachen)

(Pause)

(Nochmal Lachen)

„Wüat! Zwee Wurst, zwee Bia! Und jetzt Fresse jehalten und dahinten inne Ecke, kla?!?“
„Öh, wir würden aber gerne …“

Ich weiß noch genau, wie ich meinen Freund damals bewundert habe ob seiner zidaneschen Körperbeherrschung, als er in der berstend vollen Unionkneipe mit vollem Bierglas und Bockwurst in den Händen von so ’ner ollen Kutte erst in seinem Widerspruch unterbrochen und dann in die Nische zwischen Tresen und Klotür hineindrangsaliert wurde. Und ich sehe auch noch diesen anthropologisch angehauchten Blick des Wirtes, der dieses Initiations-Ritual offenbar gut kannte und meinem Freund nur stumm riet: „Mach jetzt einfach mal gar nichts.“

Offenbar weil ich kameradenschweinig und feige gewesen war und nicht edel solidarisierend protestiert hatte, wurde ich ebenfalls grobschlächtig in die Ecke komplimentiert; aber das Bier war kühl und billig, die Wurst fettig und lecker, die Kneipe laut und vorfreudig. Irgendwie kamen immer noch mehr Menschen hinein, ohne dass gehende Gäste für Volumenentlastung sorgten. Die olle Kutte hatte uns längst eine Runde spendiert, sicherheitshalber hatten wir prompt zurückspendiert, und so kam man bald ins Gespräch.

„Kommpt wohl nich von hia, wa?“
„Nein, wir kommen …“
„Na dit merkich. Wollta ma dit Stadion sehen?“

Wir verzichteten auf die naheliegende Replik Na logisch, Alta, wat gloobste, wofür die Karten hia sind? und wurden durch Kutte sicher zurück in die Welt des Sauerstoffs geleitet. Und erst nachdem die Försterei „je-entat“ (O-Ton Kutte) war, wussten wir sein Angebot allmählich zu deuten. Kutte zeigte uns das ganze Stadion, sein Stadion, wie er mehrmals pathetisch in die Köpenicker Abendluft raunte. Eine halbe Stunde lang dackelten wir in der Alten Försterei einem angetrunkenem Union-Fan hinterher, der Stadion-Anekdote an Stadion-Anekdote reihte und mich noch heute meine verdammte Faulheit verfluchen lässt, damals nicht in der Nacht noch alles aufgeschrieben zu haben.

Zwischenzeitlich glaubte ich, der permanent gestikulierende und stets voranschreitende Mittvierziger hätte uns über seine Fußballplatzgeschichten von A wie Anzeigetafeln bis Z wie Zoolautierende Gästefans vergessen. Doch dann, wir kamen gerade bei unseren Plätzen auf der Haupttribüne an, der Anpfiff nahte, die Einführung in die Stadionkunde hallte noch durch unsere Köpfe, der Fanblock gegenüber sang sich gerade warm, dann drehte sich Kutte plötzlich um.

Dit is mein Stadion, vastehste?“

Er lachte noch kurz und ging. Und wir hatten vastandn. Union gewann schließlich mit 6:4 im Elfmeterschießen, wir erwischten den damaligen Gladbacher Trainerschüler Michael Frontzeck nach der Pressekonferenz herzhaft in die diesige Nacht fluchend, und Kutte muss die vergangenen Monate im Jahn-Sportpark-Exil wohl ziemlich gelitten haben.

Aber alles egal. Union ist aufgestiegen, Union hat ein neues Stadion. Herzlichen Glückwunsch.