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„Wir können nicht immer nur vom Schicksal abhängig sein. Das ist in Zukunft nicht mehr tragbar.“

Ihr kuckt nachher auch brav die Europapokal-Auslosung? Diskutiert, ob nun PSG – Paris Saint-Germain​ oder Atlético de Madrid​ der bessere, weil leichtere Bayern-Gegner gewesen wäre und warum der VfL Wolfsburg​ gegen Manchester City FC​ keine Chance hat und weshalb Borussia Dortmund​ sowieso ins Finale kommt?

Gott, seid ihr doof!

Habt Ihr nicht in dieser Woche Eure Erleuchtung erfahren? Gelernt, um was es im Fußball, ach was: im Leben! eigentlich geht? Euch sagen lassen, wie man mit spontanen Unwägbarkeiten – wie zum Beispiel Viertelfinal-Auslosungen – umgeht? Wie man Dingen, die nun mal passieren dann und wann, optimal begegnet?

Und nein, wir reden nicht vom grandiosen Achtelfinal-Rückspiel-Kampf des FC Bayern gegen Juventus, einem einfach nur großartigen Fußballspiel mit allen dazu nötigen Ingredienzien, als da wären: Spannung, Fehlentscheidungen, Tore, Rudelbildung, Gefühle auf dem Platz, Verlängerung, Führungswechsel – und Beobachter, die spontan begeisterter Anhänger einer Mannschaft werden, die ihnen bislang egal war oder die sie vielleicht so gar nicht leiden konnten.

Nein, davon reden wir nicht. Also nicht direkt. Denn unerkannt und nahezu ungewürdigt lebt im Dunstkreis dieser Mannschaft einer der größten, ja wenn nicht sogar der allergrößte Philosoph unserer Zeiten. Er hat im Euphorietaumel des profanen Weiterkommens in der UEFA Champions League​ größtmögliche Distanz bewahrt und nach dem Spiel wahre Worte gefunden. Er hat ein Problem erkenntnistheoretisch filetiert, das vor ihm schon viele erkannt und benannt haben, das aber noch niemand so wahrhaftig und schon fast erkenntnisschmerzend auf den aristoteleschen Punkt gebracht hat.

adidas RUMMENIGGE SUPER 2Also Vorhang auf und maximum respect von DGNA für die Worte der Woche, die, wenn sich der Vergleich nicht verbieten würde, auch einem Absinth-durchtränkten Brainstorming von Loriot​ hätten entspringen können. Sie sind die einzig wahre Waffe gegen alle nervigen Auslosungen beim Fußball und überhaupt alles Chaos dieser Welt. Danke, o du Phussball-Philosoph, danke, Karl-Heinz Rummenigge​:

Was mir dabei nicht gefällt: Wir sind einfach alle abhängig vom Schicksal. Aber ich muss offen und ehrlich sagen: Irgendwann reicht’s mir mit dem Schicksal. Wir können nicht immer nur vom Schicksal abhängig sein. Das ist in Zukunft nicht mehr tragbar.

Foto: Adifansnet via Flickr unter CC-Lizenz by-sa

Zuerst erschienen auf Du gehst niemals allein.

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Auf dem Trampelpfad zum Titel –
Per Mertesacker

mertesacker

Foto: Daniel Zimmel auf Flickr unter CC-Lizenz by-nc-sa

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat ein Problem mit ihrer Abwehr. Das weiß, wer nicht das vergangene Jahrzehnt total ballabstinent verlebt hat. Niemand fand das doof, weil der DFB plötzlich Tore schoss und – jahaa! – schönen Fußball spielte. Dann merkten alle, dass für so ein Weltfußballtitel eine gute Abwehr doch ganz nützlich sein könnte.

Per Mertesacker spielt seit neun Jahren in der DFB-Defensive. Er ist der Größte, der jemals den Adler auf seiner Brust trug. Und heute Abend habe ich ihn beim Champions-League-Spiel gegen Borussia Dortmund beobachtet.

5. Mertesacker klärt im Fünfmeterraum vor Lewandowski.
9. Aus der Bedrängnis gelingt dem Per eine großartige Spieleröffnung mit einem nicht ungefährlichen halbhohen und -langen Pass in die Mitte – genau auf den Fuß des Mitspielers.
11. Eckball Arsenal. Die Gefahr ist da, wo Merte ist, auch wenn der Ball meterweit an ihm vorbeifliegt.
17. Subotic zielt knapp neben das Tor nach einer Ecke. Sein direkter Gegenspieler: Per Mertesacker. Der traute sich nicht recht, beherzt zum Ball zu gehen. Angst vor einem Foul?
19. Arsenal mit Schwierigkeiten beim Spielaufbau. Merte an der eigenen Eckfahne, ein mittelriskanter Pass zum Torwart, aber: Problem souverän gelöst.
21. Wenn Mertesacker sich mal bis zum Mittelkreis traut, dann hastet er zu einem Eckball oder erstickt – wie jetzt – taktisch nicht unklug einen potenziellen Konter.
30. Mertesacker überquert den Platz, denn es gibt Freistoß für Arsenal. Der Freistoß versackt, und Mertesacker rennt wieder zurück. Es ist dies das Los eines kopfballstarken Verteidigers.
31. Der rasende Reus eilt mit Ball am Fuß gen Arsenal-Strafraum. Dort steht ein Mertesacker, der zum richtigen Zeitpunkt an genau der richtigen Stelle den Fuß herausstreckt und damit die Situation sofort entschärft.
35. Merte steht bei einer Blaszykowski-Flanke silberrichtig und haut ein halbes Luftloch. Lewandowski war jedoch aus reinem Respekt längst auf Abstand geblieben, der Ball trudelt aus.
37. Bei einem Konter gerät Arsenals Abwehr in Unterzahl. Mertesacker stößt einen traditionellen Hannoveraner Fluch aus, und prompt vergibt Mchitarjan aus 1-a-Einschussposition.

Überhaupt kann ich, glaube ich, gar nichts Schlechtes schreiben über so ein Tanz-Talent. Erstmals staunte ich über Per Mertesacker allerdings, als er bei der WM 2006 gefühlt alle Zweikämpfe gewann und niemals Foul spielte. Man sieht Mertesacker selten unlässig. Behäbig, ja, ungelenk manchmal. Aber immer: lässig. Unhektisch. Beruhigend. In bestimmten Spielsituationen können das genau die notwendigen Charaktereigenschaften sein.

48. Merte lässte eine nicht mal sonderlich harmlose Flanke mit Absicht durch. Er sieht, dass kein Gelber lauert und sein Torwart den Ball bekommen wird.
50. Foul von Mertesacker nach einem Zweikampf mit Marco Reus. Allein: Es war keines. Kein bisschen. Merte hat den Ball abgewehrt und nix weiter. Aber: Kein Murren, kein Maulen.
52. Tor für Dortmund. Merte bleibt cool, ein klares Abseits.
62. Arsenal geht 1:0 in Führung. Per Mertesacker weiß, dass ihn eine aufregende Schlussphase erwartet.
64. Und da geht’s schon los: Beim ersten Duell kann er Lewandowskis Flanke abwehren, die zweite muss Merte durchlassen, weil: zu langsam. Das bleibt allerdings folgenlos.
66. Merte segelt im Fünfmeterraum Zentimeter am 2:0 vorbei. Dafür fehlt er hinten, dort muss der Mesut für den Per aushelfen.
70. Eckball Arsenal. Mertesacker springt gar nicht richtig, streckt sich nur mal so mit Schwung nach oben, und sein Kopfball geht knapp drüber.
79. Merte mault, weil Weidenfeller den Ball verfehlt und stattdessen Mitspieler Koscielny umrammelt.
82. Per Mertesacker köpft den Ball aus der Gefahrenzone – exakt auf den Fuß eines 25 Meter entfernten Mitspielers. Man kann so etwas gar nicht oft genug schreiben. Arsenals Passgenauigkeit von 75 Prozent ist mindestens auch Mertesackers Passgenauigkeit.
94. Zweikampf im Strafraum: Lewandowski versucht einen Rückseitfallzieher, Mertesacker hat ihm dabei väterlich die Hand auf die Schulter gelegt. Kein Tor, kein Foul. Arsenal gewinnt. Und Per Mertesacker hat nach dem Trikottausch ein viel zu kurzes BVB-Shirt an.

Ob er einer der zwei besten deutschen Innenverteidiger ist, wissen die Menschen, die dafür bezahlt werden. Dass Per Mertesacker dem DFB-Team helfen kann, nächstes Jahr Weltmeister zu werden – davon bin ich überzeugt.

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Dortmund gegen Bremen – Zeitnahe Betrachtungen zum Bundesliga-Auftakt