Kategorien
Sport

Die ungewöhnlichen Trainingsmethoden des Viktor Ponedelnik

Bevor die Europameisterschaft beginnt und allerortens dem hypermodernen Fußball und seinen hochoptimierten Helden gehuldigt wird, möchten wir daran erinnern, dass die Ronaldos, Ibrahimovics, Neuers und Müllers auch nur auf den Schultern von Giganten stehen.

Wie zum Beispiel auf denen von Wiktor Wladimirowitsch Ponedelnik, der bei der ersten Euro 1960 dass Team CCCP, also der Sowjetunion, im Finale gegen Jugoslawien (es ist das einzige WM- oder EM-Finale, wo beide Gegner als Land so nicht mehr existieren) mit seinem Tor in der 114. Minute den EM-Titel bescherte. Wahrscheinlich hatte er zuvor am Ufer des Asowschen Meeres einfach nur ausreichend Steine in die Luft gestreckt.

via GIPHY

Später wurde Ponedelnik – was auf Deutsch Montag heißt und nach dem Finale, das in Russland am Montag früh stattfand, entsprechend launige Schlagzeilen produzierte – Trainer, Sportjournalist und Berater des russischen Präsidenten. Und er blieb, so heißt es zumindest in einer Kurzbiografie aus dem Jahr 2003 über Ponedelnik, „все так же тверд в своих взглядах и пристрастиях в футболе“ („immer noch fest in seine Ansichten und Vorlieben im Fußball“).

Und wer von uns wollte so einen Satz im hohen Alter nicht mal über sich lesen?

(Zuerst erschienen auf Du gehst niemals allein)

Kategorien
Sport

„Wir können nicht immer nur vom Schicksal abhängig sein. Das ist in Zukunft nicht mehr tragbar.“

Ihr kuckt nachher auch brav die Europapokal-Auslosung? Diskutiert, ob nun PSG – Paris Saint-Germain​ oder Atlético de Madrid​ der bessere, weil leichtere Bayern-Gegner gewesen wäre und warum der VfL Wolfsburg​ gegen Manchester City FC​ keine Chance hat und weshalb Borussia Dortmund​ sowieso ins Finale kommt?

Gott, seid ihr doof!

Habt Ihr nicht in dieser Woche Eure Erleuchtung erfahren? Gelernt, um was es im Fußball, ach was: im Leben! eigentlich geht? Euch sagen lassen, wie man mit spontanen Unwägbarkeiten – wie zum Beispiel Viertelfinal-Auslosungen – umgeht? Wie man Dingen, die nun mal passieren dann und wann, optimal begegnet?

Und nein, wir reden nicht vom grandiosen Achtelfinal-Rückspiel-Kampf des FC Bayern gegen Juventus, einem einfach nur großartigen Fußballspiel mit allen dazu nötigen Ingredienzien, als da wären: Spannung, Fehlentscheidungen, Tore, Rudelbildung, Gefühle auf dem Platz, Verlängerung, Führungswechsel – und Beobachter, die spontan begeisterter Anhänger einer Mannschaft werden, die ihnen bislang egal war oder die sie vielleicht so gar nicht leiden konnten.

Nein, davon reden wir nicht. Also nicht direkt. Denn unerkannt und nahezu ungewürdigt lebt im Dunstkreis dieser Mannschaft einer der größten, ja wenn nicht sogar der allergrößte Philosoph unserer Zeiten. Er hat im Euphorietaumel des profanen Weiterkommens in der UEFA Champions League​ größtmögliche Distanz bewahrt und nach dem Spiel wahre Worte gefunden. Er hat ein Problem erkenntnistheoretisch filetiert, das vor ihm schon viele erkannt und benannt haben, das aber noch niemand so wahrhaftig und schon fast erkenntnisschmerzend auf den aristoteleschen Punkt gebracht hat.

adidas RUMMENIGGE SUPER 2Also Vorhang auf und maximum respect von DGNA für die Worte der Woche, die, wenn sich der Vergleich nicht verbieten würde, auch einem Absinth-durchtränkten Brainstorming von Loriot​ hätten entspringen können. Sie sind die einzig wahre Waffe gegen alle nervigen Auslosungen beim Fußball und überhaupt alles Chaos dieser Welt. Danke, o du Phussball-Philosoph, danke, Karl-Heinz Rummenigge​:

Was mir dabei nicht gefällt: Wir sind einfach alle abhängig vom Schicksal. Aber ich muss offen und ehrlich sagen: Irgendwann reicht’s mir mit dem Schicksal. Wir können nicht immer nur vom Schicksal abhängig sein. Das ist in Zukunft nicht mehr tragbar.

Foto: Adifansnet via Flickr unter CC-Lizenz by-sa

Zuerst erschienen auf Du gehst niemals allein.

Kategorien
Politik Sport

„Ich betreibe die Seite www…“ – „Jaja, weiß ich schon.“

tl;dr: In der Datei „Gewalttäter Sport“ steckt jede Menge Excel. Aktuell steht sie auf dem Prüfstand.

Karteikarten Otlet

Familienname, Vornamen, Geburtsnamen, sonstige Namen wie Spitznamen, andere Namensschreibweisen, andere Personalien wie Alias-Personalien, Familienstand, akademischer Grad, erlernter Beruf, ausgeübte Tätigkeit, Schulabschluss, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort einschließlich Kreis, Geburtsstaat, Geburtsregion, Volkszugehörigkeit, aktuelle Staatsangehörigkeit und frühere Staatsangehörigkeiten, gegenwärtiger Aufenthaltsort und frühere Aufenthaltsorte, Wohnanschrift sowie Sterbedatum.

Diese Daten können seit 1994 – und seit 2010 rechtsmäßig – von Verdächtigen und Beschuldigten in der Datei „Gewalttäter Sport“ gespeichert werden.

Unter anderem. Als da nämlich noch wären:

Lichtbilder, Gestalt, Größe, Gewicht, scheinbares Alter, äußere Erscheinung, Schuhgröße, besondere körperliche Merkmale, verwendete Sprachen, Stimm- und Sprachmerkmale wie eine Mundart, verfasste Texte, Handschriften und Angaben zu Identitätsdokumenten wie Personalausweis, Reisepass und andere die Identitätsfeststellung fördernde Urkunden (Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunde).

Niemand wird informiert, ob sie oder er in der Datei gespeichert ist. Eine automatische Löschung erfolgt nach fünf Jahren.

In dem Eintrag kann übrigens noch mehr drinstehen:

Angaben zum Aufenthaltsstatus und Aufenthaltsanlass, zu vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten wie Sprachkenntnisse, Fertigkeiten in der Herstellung oder im Umgang mit Sprengstoffen und Waffen, zu verwendeten Kommunikationsmitteln wie Telefon (Festnetzanschluss oder Mobiltelefon), Telefax, E-Mail-Adresse, vom Beschuldigten betriebene Internetadresse, statische Internetprotokolladresse, dynamische Internetprotokolladresse und zugehöriger Zeitstempel sowie Diensteanbieter.

Aktuell läuft ein Antrag der Grünen, die Datei mal gründlich zu entmisten und die Löschfristen deutlich zu verkürzen.

Und was darf noch alles gespeichert werden?

Angaben zu verwendeten Fahrzeugen und sonstigen Verkehrsmitteln wie Luftfahrzeuge, Wasserfahrzeuge, einschließlich der Registrierdaten zur Identifizierung dieser Verkehrsmittel, zu Identitätsdokumenten und anderen Urkunden, die im Zusammenhang mit einer Straftat stehen und der betroffenen Person zuzurechnen sind, wie die Nummer der Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II eines Kraftfahrzeugs, zu Konten, Finanztransaktionen, Zahlungsmitteln, zu Vermögenswerten, zu Sachen, die Gegenstand oder Mittel der Straftat waren, wie Waffen, Betäubungsmittel, Falschgeld, Publikationen.

Das ist ’ne Menge Excel. Laut Regierung wird die Datei derzeit evaluiert, „um herauszufinden, was zu verbessern ist“.Außerdem gespeichert werden können noch folgende Daten:

„Personengebundene Hinweise, die dem Schutz des Betroffenen dienen wie „Freitodgefahr“ oder die der Eigensicherung der ermittelnden Bediensteten dienen wie „bewaffnet“, „gewalttätig“, „Explosivstoffgefahr“, die der Ermittlungsunterstützung dienen wie „Sexualstraftäter“, „Straftäter politisch links motiviert“ oder „Straftäter politisch rechts motiviert“.“

(Quelle der möglichen zu erfassenden Daten: BKA-Daten-Verordnung)

Zuerst erschienen auf Du gehst niemals allein

Kategorien
Sport

Warum die Giovanni Trapattonis Wutrede in Salzburg noch besser war

Da gestern die legendäre Giovanni-Trapattoni-Wutrede volljährig wurde, ploppten natürlich hier und da wieder Ausschnitte mit den längst in den popkulturellen Kanon eingegangenen Redewendungen auf. Ein wenig schade ist es allerdings, dass ein ebenso beachtenswerter Auftritt Trapattonis in Deutschland deutlich weniger Aufmerksamkeit fand.

Denn was der Maestro 2007 als Trainer des FC Red Bull Salzburg den Journalisten in die Mikrofone sprach, hat mindestens das Niveau der berühmten Bayern-Rede. (Die hat jedoch einen ganz klaren Vorteil: Sie ist deutlich kürzer.)

Fußballphilosophisch geht die Zehn-Minuten-Suada Trapattonis nach DGNA-Ansicht sogar teilweise darüber hinaus, was mit „Was erlaube“ und „Flasche leer“ schon als Gipfel der Sport-Aphorismen angesehen wurde. Wir erlauben uns an dieser Stelle, chronistenpflichtig einige Beispiele zu notieren, verbunden mit dem dringenden Hinweis, dass natürlich gerade in diesem Fall nichts über das Bewegtbild geht:

„Ich verstehe die Kritiker über Ergebnis, aber ich kann nicht akzeptieren die Kritiker über Profi, unsere Arbeit.“

„Die verletzt sind nur der Knödel, der Knie e de andere Situation. Nur Gott sei Dank ein paar de Faserrissen. Warum? Erfahrung in Kopf!“

„Fehler sind Fehler, und Verletzungen sind besonders.“

„Ich bin ein Profi über Physiologie, 13 Jahre, 21 Erfolg! Was verstehe Sie wenn gucke eine Training?“

„Musse verstehen, warum wir machen wenig oder nicht. Mussen verstehen, wenn wir läuft 90 Minuten, haben wir bewiesen viele Male.“

„Was kenne Sie über die … was Stress habe die Spieler in Kopf?“

„Ich verstehe de Leute: bezahlt, richtig sein, und pfeif. Kein Problema, lassen pfeif. Is richtig, wir verloren, wir akzeptieren dieses.“

„Ich verstehe in Training, ich verstehe auch die Spieler. Ich verstehe! Nicht Sie!“

„Die Wörter sind einfach, sehr einfach Wörter. Wer kann machen, machen. Wer kann nicht machen, sprechen. Wer kann nicht sprechen, nicht schreiben!“

„Wir sind Führer in Tabelle?! Oh!“

(Der Auftritt in der extended version: https://www.youtube.com/watch?v=jToIQBBJayw)

Zuerst erschienen auf Du gehst niemals allein