Kategorien
Familie

Im Kindergarten, zum letzten Mal

Aber über Kindergärtner und Kindergärtnerinnen kann man nie genug Gutes schreiben.

Derart kommentiert ich an dieser Stelle; und dann möchte ich mal – zumal es einen Anlass gibt – mit ein paar Absätzen voranschreiben.

* * *

Seit einigen Jahren fahre ich fast jeden Wochentagsmorgen in die Neubrandenburger Südstadt. Direkt neben den wuchtigen Elfgeschossern an der Bundesstraße steht dort ein Plattenbauquader mit zwei Etagen. Dem Kindergarten ist seine spätsozialistische Architektur nicht mehr anzusehen, viele Jahre, viel Geld und viel guter Willen haben ihn in ein buntes Kinderhaus verwandelt – das Kinderhaus „Windmühle“.

Jeden Morgen habe ich erst unsere Töchter, später dann alle drei, jetzt nur noch unseren Sohn dorthin gebracht; sie in die Storchengruppe, ihn zu den „Kessen Spatzen“. Habe auf Kinderbänken sitzend ihnen dabei zugesehen wie sie Reißverschluss lernten, Schnürsenkel lernten, Tachsagen lernten. Und wie sie das erste Mal vor Spielaufregung vergaßen, mich drückenderweise zu verabschieden.

Alle drei Kinder haben das große Glück gehabt, jeweils von einer tollen Kindergärtnerin beim Großwerden begleitet zu werden. Zwei Frauen mit weitem Herzen, immer offenen Ohren und potenziell kräftiger Stimme. Große Menschen, die spürbar gerne mit kleinen Menschen umgehen, und die zu einem Teil aus unseren Kindern das gemacht haben, was sie heute sind.

Und ja, ich weiß, es heißt Erzieherin, aber trotzdem. Ben beschreibt in seinem Blog den äußerst lebendigen Begriff so:

Man ist nicht Kinderaufpasser oder Kinderwart oder Kinderlehrer … man ist Kindergärtner. Man sät und pflanzt und gibt dem Wachstum Richtung und Ordnung, man jätet etwas Unkraut, und wenn die kleinen zarten Pflänzchen stark genug sind, kommen sie in die Baumschule.

Und soweit ist es jetzt gekommen, er ist eine starke Pflanze geworden, die Baumschule ruft. Heute stellt er zum letzten Mal die Straßenschuhe unter die Sitzbank, schlüpft in die Drinnen-Sandaletten, sagt artig Hallo und tut dann Dinge. Und wenn er am Nachmittag abgeholt wird, dann ist sie für uns erst mal vorbei, die Zeit der Kindergärtnerei.

* * *

Vielen Dank, Haike! Vielen Dank, Ines! Stellvertretend für alle engagierten, geduldigen, begeisternden, konsequenten und liebevollen Kindergärtnerinnen und Kindergärtner.

Kategorien
Familie Sport

Eine Fußballgeschichte mit sehr viel Liebe

Pünktlich zum Start der Europameisterschaft die nächste Kurzgeschichte von Charlotte. Anlässlich des heutigen Geburtstags ihres Bruders verfasste sie eine fußballgeprägte Lovestory, die nach Hund und Schildkröte nun erstmals ganz ohne Tiere auskommt, dafür aber die gaaanz großen Gefühle anspricht.

Die Jungen und Mädchen aus Benns Klasse spielen Fußball. Es giebt nur ein einziges Mädchen in Benns Mannschaft. Sie heist Elena und ist vast so alt wie Benn. Sie ist vast ein bischen besser in Fußball.

Und wenn Benn erlich ist, ist er vieleicht ein bischen in sie verlibt. Aber jedst darf Benn nicht treumen, denn Elena past zu ihm. Er spield wider zurück zu Elena und die schist das endscheidende Tor. Tor schreid die ganze Mannschaft, Tor!

Es sted 2:3. Für Benns Mannschaft die letzte Spilminute, schaffen sie auch noch erfolgreich. Sie haben gewonnen! Plödzlich kommt der Torwart auf Benn zu und schubst ihn. Aua schreit Benn, was für eine Unverschemtheit, jetst schreit auch die ganze Mannschaft.

Da kommt Elena angerand. Sie hilft ihm noch, dann gehen sie zu einem Aufsichtslehrer. Der Junge, der übrings Axel hies, kriegt eine Woche Hausarest. „Danke“, stamelt Benn. „Bitte“, sagt Elena. Zuhause schreibt Benn alles in sein Tagebuch, und die besten Zeilen liest er euch jetzt vor:

Vieleicht war es ja auch ein Glücksvall, vieleicht mag Elena Benn ja auch, aber das weißer nicht. Aber das ist ihm auch egal, er glaubt natürlich vest daran.

Kategorien
Bild

Spidermännchen (Selbstbildnis, Filzstift, 2012)

foto:heinrich unter cc-lizenz by-nc-sa
Kategorien
Familie

Schiefe Zahlen

Oder: Wie in der beschaulichen Adventszeit Neologismen geboren werden.

Heute ist der 1. Dezember, heute ist der Tag der Adventskalenderindustrie. Und es ist gut, dass es sie gibt. Denn gestern war der Abend der „Wie – ihr habt keine Adventskalender???“-*tränenkuller*-Töchter und „Futter bloß nicht die Weihnachtsschoko auf!!!“-Mütter. Dabei war das natürlich bloß ein Spaß – selbstverständlich haben wir Adventskalender.

Einen für jedes Kind. Und: einen für die Eltern. Von den Großeltern. Hurra! Aber nochmal: Einen. Für die Eltern. Zwei. Einen – zwei. Na?

Genau. Und dem Heinrich in seiner Gerechtigkeit-Ungerechtigkeit-Prägungsphase fiel es sofort auf: „Wer macht nun eigentlich euer erstes Türchen auf?“ Als geborener Dienstleister hatte er dann auch gleich eine faire Lösung parat, und da er auf die Einschulung zusteuert und äußerst mitteilungsfreudige Zahlenkundige als Schwestern hat, sind ihm die Grundlagen der Mathematik nicht mehr fremd. So ward es dann auch beschlossen und verkündet:

„Mama macht die geraden Zahlen auf. Und Papa die schiefen Zahlen.“

leuchtfiguren

Kategorien
Familie sl.

Hetz‘ mich nicht!

Es ist erstaunlich. Als würden seltsame Hormone wie Pollen im Frühling in der Morgenluft schweben. Denn dieses Phänomen tritt zeitlich begrenzt auf, es ist ab sechs Uhr zu beobachten, dabei meist begrenzt auf Wochentage. Es endet, wenn der Automotor angeht, der Klang eines erwachenden Benziners scheint heilende Wirkung auszuüben und die Atmosphäre zu reinigen.

Das Phänomen befällt Kinder im fortgeschrittenen Kindergarten- sowie Schulalter, es ist geschlechtsübergreifend und jahreszeitenunabhängig. Ausnahmen sind während einiger Sommerwochen sowie kurz vor dem Jahreswechsel festzustellen. Die Diagnose ist relativ einfach, denn als Lackmustest dient der eigene Gemütszustand: Fängt man in den Morgenstunden selbst innerlich an zu dampfen, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Nachwuchs vom Phänomen befallen ist.

Die Symptome der Lütten stellen sich wie folgt dar: Zunehmende Zeitluperitis, lokal auftretende vorübergehende Gehörlosigkeit, allgemeine Verständnisschwierigkeiten, Zuordnungsprobleme, vereinzelt starke Amnesie („Wer bist du? Wer bin ich? Wo wollen wir hin? Und warum?“), Phantomschmerzen („Ich KANN mich jetzt nicht anziehen!“), versagende Hand-Zahnbürste-Koordination. Meist zeigt sich zudem partielle Teilnahmslosikeit gepaart mit plötzlichen Übersprungshandlungen („Ich MUSS jetzt aber mit der Katze spielen!“) sowie lokalem Ausfall des gerade erst ausgebildeten Uhrzeit-Kenntnis-Moduls.

Und immer, wenn ich beginne, mich über ihre Trödelei zu ärgern, denke ich in jüngster Zeit an diesen gerupften Adlerfasan, der das Phänomen so treffend in die Pop-Kultur transferiert hat. Und dann muss ich innerlich lachen, und dann geht es schon wieder.

Bis das Phänomen das nächste Mal ausbricht. Sein Name: Hetz‘ mich nicht!

Kategorien
Familie

Früher waren die Oldtimer irgendwie älter

„Oh, kuckma Papa, da hinten steht ein Oldtimer!“

Häh? Nun, auf eine gewisse Entfernung habe ich ohne Brille schon mal besser sehen können, aber … da waren keine Oldtimer. Da waren parkende Autos am Straßenrand. Aber keine Oldtimer.

„Da ist kein Oldtimer, mein Junge.“

Vielleicht hat er den Begriff nur falsch verwendet. Sowas kann ja vorkommen, er ist gerade fünf geworden, da sind eben noch nicht alle Assoziationen korrekt verknüppert. Ich überlegte überlegen, wie ich „Oldtimer“ einem Fünfjährigen am treffsichersten definieren könnte. Doch er plapperte dazwischen:

„Doch, Papa, da ist ein Oldtimer. Da vorne!“

Langsam wurde ich ein wenig ungehalten. Er sah einen Oldtimer, den ich nicht sah. Hatte er so einen langen Kindergartentag gehabt? Wollte er mich veralbern? Ist das ein brandneuer Kumpel-Insider? Papas mit Absicht imaginäre Oldtimer vorgaukeln? Na warte!

„Jetzt ist aber gut. DA STEHT KEIN …“
„Der weiße da!“

(Ups.)

Trabant in Wittenberg

foto:roger4336

P.S.
„Papa, wie heißt das Auto eigentlich? Das habe ich ja noch NIE gesehen!“

Kategorien
Familie

Worüber Kindergärtnerinnen sich freuen

Wir so: „Hui, woher hast du denn dieses putzige Plastedingens?“
Er so: „Den hat mir Tante Brigitte aus dem Kindergarten zum Geburtstag geschenkt.“
Wir so: „Oh, toll! Das ist ja ganz schön nett von ihr. Aber Tante Brigitte ist aber auch immer ganz lieb zu dir, oder? Wir könnten ihr ja auch mal eine Kleinigkeit schenken, oder was meinst du?“
Er so: „Ja! Vielleicht Bier oder so.“

(Hinweis: Wir verschenken manchmal Wein oder Sekt, Bier allerdings nie. Und selbst wenn ich höchst kritisch über meinen häuslichen Bierkonsum nachdenke – das kann nicht der Grund sein. Schuld müssen also die Medien™ sein.)

Kategorien
Familie

Soßentrost

„Ooch! Ich hätte jetzt sooo gerne Tomatensoße zu den Nudeln.“

Sagte Charlotte am Mittagstisch eher so beiläufig. Mama hatte es doch tatsächlich gewagt, eine andere Gemüsesoße anzubieten. Nun ja, Dinge passieren. Energiewende, Medienwandel, und ewig schon kein Regen. Da ist so ein sporadischer Soßenwechsel nicht das allergrößte Problem. Fand auch das Lottchen und verzichtete nach kurzer Lageprüfung auf eine erneute Soßenintervention.

Ihr Brüderchen meinte nun aber, so könne das Thema nicht im Raum stehen bleiben. Mit der ganzen philosophischen Wucht seiner immerhin knapp 60monatigen Lebenserfahrung hob er den Soßenstreit problemlos in die mindestens dritte Meta-Ebene des Lebens und rettete seine soßengekränkte Schwester mit sechs harten, aber wahren Worten vor dem sicheren seelischen Abgrund:

„Ooch! Ich hätte jetzt sooo gerne Tomatensoße zu den Nudeln.“
„Tja. [Kunstpause] Die Welt kann nicht alles haben.“

Kategorien
Blog

Blasphemie mit Herrn Kaffee

Nachrichten so: „… fand gestern eine bewegende Trauerfeier für die Opfer des Unfalls auf der A19 statt. Bei dem Gottesdienst in der …“
Er (5) so: „Oh. Das ist aber schade, dass der Gott jetzt gestorben ist.“
Nachrichten so: „… waren auch Ministerpräsident Erwin Sellering und Innenminister Lothar Caffier dabei.“
Er so: „Haha. Da war ein Herr dabei, der Kaffee heißt. Hihi.“

(Mich wundert ja nur, dass der Ministerpräsident nicht gleich noch zum Sellerie umverstanden wurde.)

Kategorien
Familie

Schiße

nur stuhlproben2Kinder sind schon was Wunderbares.

Und so anpassungsfähig. Ein magischer Wind muss ihm mal von irgendwoher den Allround-Allerwelts-Fluch Scheiße zugeflüstert haben, welcher – seien wir doch mal ehrlich – von seinem zischlautigen Start über den breiten Doppellaut bis hin zum scharfessigen Ende ein auch klanglich vorzügliches Alltagsfrustventil darstellt. Die Scheiße gefiel also und wurde benutzt. Also der Fluch. Und dann kommen diese beiden Eltern daher und – na klar, verbieten das frisch erworbene Fluchwissen sogleich.

Scheiße sagt man nicht.

Okay. Er erkennt unsere Überzahl in dieser Frage an und – sagt nicht mehr Scheiße. Streicht stattdessen einen Buchstaben, nehmen wir doch gleich das e, gibt’s eh doppelt. Und flucht seither mit Schiße.

Schöne Schiße.