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Drei Anekdoten zum Thema Handschrift

Schrift

Vor einigen Tagen ist es mir zum ersten Mal passiert, dass eine Verkäuferin „Nein!“ gesagt hat. Ich wollte gerne etwas kaufen und dafür mit meiner EC-Karte bezahlen. Dafür gibt es dann üblicherweise zwei Methoden: Pin-Nummer eingeben oder unterschreiben.

Diesmal musste ich unterschreiben. Und ich tat das offenbar qualitativ nicht ausreichend. „Darf ich bitte noch Ihren Personalausweis sehen?“, fragte die Verkäuferin. Und als ich auf den Kassenbon sah, den ich mit meiner hingeklierten Alltagsunterschrift nicht gerade verschönert hatte, da wusste ich, was sie meinte.

Im Vergleich zu der Unterschrift, die ich vor einigen Jahren auf meiner EC-Karte zwecks Verifizierung hinterlassen hatte, wirkte die aktuelle Unterschrift wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Die Verkäuferin hatte vollkommen recht: Sie musste den Unterschreiber als den rechtmäßigen Inhaber der Karte erst noch zusätzlich erkennen.

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Vor einiger Zeit feierte eine Kollegin ihren Geburtstag. Wir haben gesammelt und ein Geschenk besorgt und eine Glückwunschkarte gekauft. Alle haben gespendet und unterschrieben. Noch ein Grußtext, und fertig wäre das Geschenk.

„Sebastian, schreibst du bitte die Karte, du hast doch so eine schöne Handschrift.“

WAS? ZUM? TEUFEL???

Meine begrenzten Möglichkeiten, Bilder oder Text per Hand adäquat und künstlerisch wertvoll zu Papier zu bringen, sind in meiner Familie ein running gag. Meine Frau ist die stolze Inhaberin einer wunderschönen Handschrift. Ich dagegen besitze lediglich die Möglichkeit, mich auch mit Stift und Papier halbwegs verständlich auszudrücken. Aber die jüngeren Kolleginnen und Kollegen fanden, ich wäre noch am besten geeignet für so ein Schmuckvorhaben.

Meine „schöne Handschrift“ kann daher nur zwei Entwicklungen entsprungen sein: einer tagesaktuellen Geschmacksverirrung oder dem grundsätzlichen Verfall der Schreibschriftästhetik auf der Welt.

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Finnland macht einen Schritt weiter und legt in der Schule weniger Wert auf das Vermitteln von Schreibschrift (SZ, FAZ). Deutschland schreit auf. Wo kämen wir da hin? Was sagt die Omma auffem Dorf dazu? Und wenn das jeder machen würde?

Tja, was dann? Jeder darf sich gerne mal fragen, wann er zuletzt einen größeren Text per Schreibschrift verfasst hat – und ob dieser danach auch noch halbwegs leserlich gewesen ist. Die Menschen kommunizieren nicht mehr per Schrift, das ist ein Fakt.

Jetzt gilt es lediglich, die letzte Schlacht zu schlagen. Bringt es uns wirklich Vorteile, per Hand zu schreiben? Sind wir für diese Vorteile bereit, auf die Vorteile des Tippens und der digitalen Kommunikation zu verzichten? Und was bleibt eigentlich von der Handschrift übrig, wenn die Retro-Welle vorbeigezogen ist?

Mir macht es nach wie vor großen Spaß, mit der Hand zu schreiben. Den Lesern des Geschriebenen machte es zunehmend Mühe, die Schriftzeichen zu entziffern. Und: Die Menschen (zumindest ein Großteil) haben die Fähigkeit verloren, in freier Natur ohne Hilfsmittel ein Feuer zu entfachen.