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Ja, sie lebt noch! Der unglaubliche Weg der Fußballstatistikorganisation IFFHS

Fußballstatistik

Ich finde: Fußball heißt Statistik! Iniesta fummelt fast himmlisch schön. Oder doch: International Federation of Football History and Statistics. Wofür IFFHS nun wirklich genau steht? Ach, komm, denk’ dir doch selber einen schönen Titel aus! Denn so viele un- und sinnige Bezeichnungen hinter dieser Abkürzung auch stecken könnten, so viele Frage- und Ausrufezeichen ploppen auf, wenn man sich mal ein paar Stunden beschäftigt mit … mal ein paar Minuten gugelt nach dem Phänomen IFFHS.

Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF hat das offensichtlich nicht gemacht. Denn die Frage Hat Spanien die beste Liga der Welt? beantwortete die SRF-Redaktion jüngst unter anderem mit Verweis auf das Fachwissen der IFFHS:

Deshalb stellt die International Federation of Football History & Statistics (IFFHS) jährlich eine Rangliste aller Ligen weltweit auf. Dazu wird ein Geflecht verschiedener und relativ undurchsichtiger Faktoren berücksichtigt.

Die deutsche Bundesliga landet in dieser Liste der undurchsichtigen Geflechte auf Platz drei, gerade noch knapp vor der argentinischen. Spanien auf eins, die Premier League hinter der brasilianischen Liga nur enttäuschender Siebter. Nun kann man über die Stärken nationaler Fußball-Ligen ja streiten bis zur nächsten Meisterschaft von Hansa Rostock – aber die erneute Hofierung der IFFHS als relevante, ernstzunehmende Quelle in fußballstatistischen Fragen ist erstaunlich.

Denn das Image der IFFHS ist – zumindest in Deutschland – reichlich beschädigt. Die Liste der kritischen Artikel zu der Organisation ist so lang wie renommiert: Spiegel, Süddeutsche, 11 Freunde, Taz. Das hindert andere Medien allerdings nicht daran, die IFFHS immer wieder als Quelle ins Gespräch zu bringen, wenn mal wieder ein Manuel Neuer oder Markus Merk als Welt-Torhüter oder -Schiedsrichter gekürt werden. Auch der DFB verweist in schöner Regelmäßigkeit auf die obskure Organisation, die den Vorwurf der Intransparenz, des Vortäuschens von Kompetenz und der Willkür auch durch ihre frickelige Webseite nicht wirklich ausräumen kann.

Und damit meine ich gar nicht mal die wunderliche IFFHS-Gründungsgeschichte um einen sonderlichen Dr. aus Leipzig, der es sich wohl erst mit der DDR und anschließend mit so manchem skeptischen Sportjournalisten verdarb. Nein, bis heute bleiben die exakten Kriterien der einzelnen IFFHS-Wahlen genauso im Unklaren wie der fachliche Hintergrund des IFFHS-Personals und die bilateralen Beziehungen zur Fifa, Uefa und zum SV Fortuna Tützpatz.

Aber nun gut. Es sind viele ziemlich wohlhabende Menschen auf den IFFHS-eigenen Bildern zu sehen, es dürfte diesen komischen Klub also noch etwas länger geben, und der Hauptsitz in Lausanne nahe des IOC hat da auch so sein Geschmäckle; aber was soll’s, leben und leben lassen. Und so möchte ich schließend für einen unheilvollen Blick in die Zukunft die IFFHS in ihrem ganz eigenen Englisch zitieren:

The IFFHS is also clear about its future global role which it will strongly seek to fulfil, without regard to outside influences. … Also will be of worldwide interest some surprises.

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Neubrandenburg Politik

Fakten über Neubrandenburg – Heute: Wie wählen die Stadtgebiete?

Zu Jahresbeginn ist das aktuelle Statistische Jahrbuch der Stadt Neubrandenburg erschienen. Das Ding ist knapp 230 Seiten dick (die PDF wiegt 3,3 MB) und behandelt alle Themen von Abfallentsorgung bis Zuzüge, die sich irgendwie in Zahlen pressen lassen. Ein paar interessante Fakten sollten aber nochmal extra gewürdigt werden, finde ich.

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Nachdem es jüngst um die vergangenen Oberbürgermeisterwahl 2008 ging, bleiben wir noch ein wenig beim Thema: Es soll jetzt das Wahlverhalten in den einzelnen Neubrandenburger Stadtgebieten eine Rolle spielen. Bei jeder Wahl werden die Ergebnisse in zehn Gebiete aufgeschlüsselt, die sich recht gut mit den realen Stadtvierteln decken.

So gehören zum Wahlbereich 1 das Industrieviertel und die Oststadt („Stadtgebiet Ost“), zum Wahlbereich 2 Innenstadt und Katharinenviertel sowie Südstadt und Lindenberg (Steep, Lindenberg Süd). Zum Wahlbereich 3 zählen die Statistiker den Datzeberg, das Reitbahn- und Vogelviertel sowie das sogenannte Stadtgebiet West mit Nachtjackenviertel, Rostocker Straße, Broda und Weitin.

Ich habe nun die Wahlergebnisse der jüngsten drei Wahlen (Landtagswahl 2011, Bundestagswahl 2013, Kommunalwahl 2014) mal in einen Topf geschmissen und nach Stadtgebieten und Parteien ausgewertet. Diese Wald- und Wiesen-Methode (Wie wurde im Viertel x für Partei y durchschnittlich gewählt?) hat natürlich nichts mit Wahlforschung zu tun. Eine gewisse Affinität von Datzebergern, Oststädtern oder Katharinenviertlern zu bestimmten Parteien kann aber ja vielleicht dennoch konstatiert werden.

Erste Erkenntnis: Die CDU hat’s in Neubrandenburg nicht so mit Plattenbauvierteln. Reitbahnweg, Datzeberg, Ost- und Südstadt stehen bei den Christdemokraten ganz hinten, die Eigenheim-Hochburgen im Westen wählen dagegen gerne mal schwarz.

Zweite Erkenntnis: Im Vogel- und Lindenbergviertel steht man auf die Volksparteien. Dort wird viel CDU gewählt, aber eben auch die SPD. Beide Parteien zusammen kommen in den Stadtgebieten auf knapp 60 Prozent, im Reitbahnviertel sind es dagegen gerade mal knapp über 40 Prozent für Schwarz und Rot.

Dritte Erkenntnis: Die Plattenbauviertel sind linke Hochburgen. Im Stadtwesten kann man mit den Genossen dagegen nicht ganz so viel anfangen.

Vierte Erkenntnis: Im Reitbahnviertel wird durchschnittlich am meisten Grün gewählt. Auch die Innenstadt und das Stadtgebiet West sind hier mit vorne. Meine schwache Vermutung ist, dass sich dabei reine Protest- und echte Öko-Wähler die Waage halten. Aber was weiß ich schon.

Fünfte Erkenntnis: In der Innenstadt kann man mit den Rechten nix anfangen. Aber auch in der Südstadt nicht ganz so, was hinsichtlich der platten Plattenbau-These (Reitbahnweg, Datzeberg, Oststadt vorne) etwas überrascht.

Sechste Erkenntnis: Die Neubrandenburger Piraten wohnen im Reitbahnviertel.

Siebte Erkenntnis: In Broda und auf dem Datzeberg wurde am meisten FDP gewählt. Kuck an!

Achte und letzte Erkenntnis: Das Industrieviertel, die Innenstadt und das Katharinenviertel tummeln sich meist im gepflegten Mittelfeld und dürfen daher in puncto Wahlverhalten als recht durchmischt anzusehen sein.

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Die Datenbasis der bunten Balkendiagramme schlummert übrigens in diesen Spreadsheet-Tabellen.

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Neubrandenburg Politik

Fakten über Neubrandenburg – Heute: Oberbürgermeisterwahl

Zu Jahresbeginn ist das aktuelle Statistische Jahrbuch der Stadt Neubrandenburg erschienen. Das Ding ist knapp 230 Seiten dick (die PDF wiegt 3,3 MB) und behandelt alle Themen von Abfallentsorgung bis Zuzüge, die sich irgendwie in Zahlen pressen lassen. Ein paar interessante Fakten sollten aber nochmal extra gewürdigt werden, finde ich.

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Neubrandenburg sucht einen neuen Bürgermeister. Sechs Kandidaten werden am 1. März die Nachfolge von Paul Krüger (CDU) anzutreten versuchen, der seit 2001 Oberbürgermeister der Stadt ist.

Zum letzten Mal gewählt wurde Krüger im Jahr 2008. Damals bekam er bei der Hauptwahl am 18. Mai 26,8 Prozent der Stimmen, das waren knapp 7000 Stimmen. In sieben von zehn Stadtgebieten bekam er die meisten Stimmen, nur im Reitbahnviertel (Einzelbewerber Hans-Joachim Schröder), in der Innenstadt und im Stadtgebiet Süd (jeweils Irina Parlow, Die Linke) war die Konkurrenz stärker.

Da kein Kandidat die absolute Mehrheit auf sich vereinen konnte, gab es am 1. Juni 2008 eine Stichwahl zwischen Krüger und Schröder. Dabei wurden 19.736 Stimmen abgegeben. Paul Krüger gewann mit 52,3 Prozent, also 10.327 Stimmen. Letztendlich haben 459 Stimmen die Wahl entschieden. Hans-Joachim Schröder konnte lediglich im Reitbahnviertel (knapp) und im Stadtgebiet Süd (deutlich) gewinnen, im Datzeviertel gab es ein Unentschieden.

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Sport

Auf dem Trampelpfad zum Titel: Das Wesen von Testspielen

dfb3Mit der Statistik ist das im Fußball ja immer so eine Sache. Aber trotzdem. (Und das verlinkte Gif ist lustig!)

Man kann die überraschende Charakteristik von Spielen der deutschen Nationalmannschaft im Vorfeld von Weltmeisterschaften sehr gut erkennen, wenn man einen Blick in die Historie wirft. Dann sieht der geübte Beobachter: Mehr Siege, mehr Tore. Diese schockierende Erkenntnis resultiert dabei größtenteils aus der Sättigungsbeilage jüngster WM-Vorbereitungen namens Luxemburg, Kuwait oder Österreich, als man sich gleichzeitig warmschießen und die kritische Öffentlichkeit beruhigen wollte.

So, und das war’s. Mehr gibt es aus Testspielen nicht zu abzuleiten. Logisch, sind ja eben auch Testspiele. Kein Theaterkritiker schreibt Leitartikel über die Generalprobe. Bei uns kriegt keiner Stubenarrest, wenn’s beim Üben vor der Mathearbeit mal mit dem kleinen Einmaleins hapert. Jeder Lehrling kleckert vor der Gesellenprüfung etliche Testmauern zusammen; und es stört genau: Niemanden.

Denn das große Problem von Nationalelf-Testspielen ist ja, dass der Mannschaft zehn Millionen Menschen beim Üben zusehen. Alle wissen das zwar, aber gänzlich ausschalten können das weder Spieler noch Trainer. Solche Spiele sind also immer auch eine Balance zwischen dem sich miteinander einspielen und Dinge ausprobieren auf der einen und der – im wahrsten Sinne des Wortes – Befriedigung der Öffentlichkeit auf der anderen Seite. Zumindest unbewusst ist das so, und da können hinterher noch so viele Beteiligte den vielbeschworenen Testspielcharakter betonen.

Hinterher reden sich doch wieder alle den Mund fusselig.

(Macht ja auch Spaß.)

Ich fand es auch blöd, dass Eintracht Frankfurt la Mannschaft gegen Chile das Momentum des feinen Tores nicht hat nutzen können und fortan so selbstbewusst und gekonnt aufgetreten ist wie dieser erstaunlich ballfertige Nachwuchs-Rastelli. Dass die hier bereits für fähig befunden Merte, Kroos und Klose nix gezeigt haben. Und dass Chile nicht drei seiner 38 Chancen reingemacht hat, damit der Brennpunkt Abwehr vielleicht noch stärker als sowieso schon in den Fokus der Verantwortlichen geraten wäre.

Aber ein Testspiel ist am Ende auch nur ein Testspiel, und auch die kommenden Testspiele gegen Polen, Kamerun und Armenien im Mai und Juni werden voraussichtlich auch nur Testspiele sein. Denn das ist das Wesen von Testspielen: Dass sie nur Testspiele sind. Und ich verspreche, den Platon-Generator wieder auszuschalten und lieber Big Testspieldata hier reinzupfeffern:

Spielbilanz der Nationalmannschaft (ohne WM-Testspiele)
816 Spiele, 467 Siege (57%), 171 Remis (21%), 178 Niederlagen (22%), 1811:993 Tore (Ø 2,2 : 1,2)

Spielbilanz bei deutschen WM-Testspielen
66 Spiele, 45 Siege (68%), 7 Remis (11%), 14 Niederlagen (21%), 170:59 Tore (Ø 2,6 : 0,9)

Alle DFB-Spiele von Januar des WM-Jahres bis WM-Beginn
1954
Schweiz – Deutschland 3:5 (0:4)

1958
Belgien – Deutschland 0:2 (0:1)
Deutschland – Spanien 2:0 (1:0)
Tschechoslowakei – Deutschland 3:2 (1:1)

1962
Deutschland – Uruguay 3:0 (1:0)

1966
England – Deutschland 1:0 (1:0)
Niederlande – Deutschland 2:4 (1:3)
Irland – Deutschland 0:4 (0:2)
Nordirland – Deutschland 0:2 (0:1)
Deutschland – Rumänien 1:0 (0:0)
Deutschland – Jugoslawien 2:0 (1:0)

1970
Spanien – Deutschland 2:0 (2:0)
Deutschland – Rumänien 1:1 (1:1)
Deutschland – Irland 2:1 (1:0)
Deutschland – Jugoslawien 1:0 (1:0)

1974
Spanien – Deutschland 1:0 (1:0)
Italien – Deutschland 0:0 (0:0)
Deutschland – Schottland 2:1 (2:0)
Deutschland – Ungarn 5:0 (1:0)
Deutschland – Schweden 2:0 (0:0)

1978
Deutschland – England 2:1 (0:1)
Deutschland – Sowjetunion 1:0 (0:0)
Deutschland – Brasilien 0:1 (0:0)
Schweden – Deutschland 3:1 (1:1)

1982
Deutschland – Portugal 3:1 (2:1)
Brasilien – Deutschland 1:0 (0:0)
Argentinien – Deutschland 1:1 (0:1)
Deutschland – Tschechoslowakei 2:1 (1:0)
Norwegen – Deutschland 2:4 (1:3)

1986
Italien – Deutschland 1:2 (1:1)
Deutschland – Brasilien 2:0 (1:0)
Schweiz – Deutschland 0:1 (0:1)
Deutschland – Jugoslawien 1:1 (0:1)
Deutschland – Niederlande 3:1 (2:0)

1990
Frankreich – Deutschland 2:1 (1:1)
Deutschland – Uruguay 3:3 (0:0)
Deutschland – Tschechoslowakei 1:0 (1:0)
Deutschland – Dänemark 1:0 (1:0)

1994
Deutschland – Italien 2:1 (1:1)
V.A. Emirate – Deutschland 0:2 (0:0)
Deutschland – Irland 0:2 (0:1)
Österreich – Deutschland 1:5 (0:1)
Kanada – Deutschland 0:2 (0:1)

1998
Oman – Deutschland 0:2 (0:1)
Saudi-Arabien – Deutschland 0:3 (0:1)
Deutschland – Brasilien 1:2 (0:1)
Deutschland – Nigeria 1:0 (0:0)
Finnland – Deutschland 0:0 (0:0)
Deutschland – Kolumbien 3:1 (2:0)
Deutschland – Luxemburg 7:0 (4:0)

2002
Deutschland – Israel 7:1 (0:1)
Deutschland – USA 4:2 (1:1)
Deutschland – Argentinien 0:1 (0:0)
Deutschland – Kuwait 7:0 (5:0)
Wales – Deutschland 1:0 (0:0)
Deutschland – Österreich 6:2 (3:1)

2006
Italien – Deutschland 4:1 (3:0)
Deutschland – USA 4:1 (0:0)
Deutschland – Luxemburg 7:0 (3:0)
Deutschland – Japan 2:2 (0:0)
Deutschland – Kolumbien 3:0 (2:0)

2010
Deutschland – Argentinien 0:1 (0:1)
Deutschland – Malta 3:0 (1:0)
Ungarn – Deutschland 0:3 (0:1)
Deutschland – Bosnien-Herzegowina 3:1 (0:1)

2014
Deutschland – Chile 1:0 (1:0)

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Der Trampelpfad bis jetzt

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Sport

Auf dem Trampelpfad zum Titel – Carta non grata

Mit der Statistik ist das im Fußball ja immer so eine Sache. Aber trotzdem.

Referee

Foto: John Henry Mostyn auf Flickr unter CC-Lizenz by-nc-sa

In den 101 Spielen, die Joachim Löw die deutsche Nationalmannschaft mittlerweile betreut hat, sahen die Männer mit dem Adler auf der Brust 100 Gelbe Karten (Gelb-Rot/Rot = 2 Gelbe). Mein Big-Data-Rechenorakel verrät mir nun: In jedem Spiel seit dem Juli 2006 hat durchschnittlich ein deutscher Nationalmannschaft eine gelbe Karte gezeigt bekommen.

Das ist nicht viel. Im Gegenteil: Das ist sogar sehr wenig. Die aktuelle Kartenstatistik der Bundesliga und 2. Liga zeigt, dass lediglich Dortmund (1,1), Bayern, Wolfsburg (je 1,3) sowie Schalke und der 1. FC Köln (1,4) halbwegs in die Nähe des Löwschen Schnitts kommen. Und hier sind die Gelb-Roten und Roten Karten nicht mal mit eingerechnet.

Auf diesem handelsüblichen Kartenschnitt spielte die DFB-Elf auch in den sechs Spielen nach dem Trainerwechsel 2006 (1,83 Gelbe Karten pro Spiel). Dann sank der Schnitt rapide (2009: 0,63), um sich auf immer noch niedrigem Niveau einzupendeln (2012: 1,07, 2013: 1,36). Es gab Zeiten (2009/2010), da hat die Mannschaft in sechs Spielen eine einzige Karte kassiert.

Ohne die Zahlen vor Löw genau zu kennen, möchte ich behaupten: So wenig gelb war selten. Die Gelbe Karte ist in der aktuellen Spielphilosophie ein unerwünschter Gast, eine Carta non grata quasi. Sie gehört für Löw nicht zum Fußball dazu, sondern ist bei Spielentgleisungen dann eben hinzunehmen. Nägschde Mal müssen wir des anderslösn, gansglar.

Die Nationalmannschaft will den Ball haben und halten und spielen und behalten und damit Tore schießen. Sie will ihn zurückerobern, nicht ihn sich erkämpfen müssen. Dräut am Horizont ein Zweikampf herauf, ist ein kluges Abspiel die erstbeste Option. Das Duell Mann gegen Mann ist potenziell gelbgefährdet und überhaupt risikobehaftet – schließlich könnte der Ball verloren gehen – und von daher zunächst mal die schlechtere Option.

Wie oft saß ich vor dem Bildschirm und habe spieleuphorisiert den ballführenden Germanen angefeuert: „Jau! Und los jetzt! MACH! IHN!! NACKISCH!!!“ Und dann sank ich desillusioniert zurück, weil der Systemspieler den taktisch wertvollen Flachschnellpass wählte. Kein Zweikampf, keine Karthasis, keine Gelbe Karte. Aber ja eben auch: kein Ballverlust.

Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum das moderne 80-Prozent-Ballbesitz-Passfußballspiel manchmal von auch ansonsten durchaus besonnen daherkommenden Menschen einfach nur gehasst wird: Weil diese verfluchten Tikitakerianer einem verdammt nochmal das Meersalz in der Suppe vorenthalten. Die Zweikämpfe. Die dann ab und an zu Fouls und Gelben Karten führen.

So weit, so gut, so nachvollziehbar. In Löws Zeit (101 Spiele) hat die deutsche Mannschaft allerdings ganze 16 Spiele mehr Gelbe Karten als der Gegner erhalten. In jedem sechsten Spiel nur. In keinem der drei wichtigen Spiele der Löwschen Ära (2008 gegen Spanien, 2010 gegen Spanien, 2012 gegen Italien) hat die Mannschaft öfter gelb gesehen als der Gegner.

Und jetzt nochmal zum Anfang: Mit der Statistik ist das im Fußball ja immer so eine Sache. Was bedeuten schon Gelbe Karten? Was bedeuten Durchschnitte, in denen auch Gurkenspiele zählen und Fehlentscheidungen? Was bedeutet eine Gelbe Karte mehr als der Gegner, wenn der nunmal öfter ins Tor trifft? Ja, genau: Im Zweifel jarnüscht.

Aber trotzdem. Sind wir uns einig, dass wir in diversen Spielen von Bedeutung zu ganz bestimmten Momenten Spielaktionen bei den Deutschen vermisst haben, die – wenn es doof läuft – auch zu einer Gelben Karten – Ihgittigitt! – hätten führen können? Wurden diese Aktionen vermieden, weil Gelbe Karten böse und unter jeden Umständen zu vermeiden sind? Sitzt das Löwsche Taktikkorsett zu eng, wenn es mal eng wird? Hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu viel Angst vor Gelben Karten?

Und ich meine damit nicht bösartige Fouls, Schwalben oder alberne Nicklichkeiten. Ich meine ehrliche Zweikämpfe, die mit aller Vehemenz geführt werden, weil da jemand der Meinung ist, jetzt müsste aber mal ein ehrlicher Zweikampf geführt werden. Nicht das ganze Spiel lang, aber manchmal. Und ich schreibe bewusst auch nicht von einem wie auch immer gearteten Klopper vom Dienst, der mal eben Leader spielt, die Fresse aufreißt und in der Gegend umherholzt.

Na ja. Dünnes Eis, ich weiß. Die Mannschaft ist neben Spanien die erfolgreichste Nationalelf der Welt und spielt einen großartigen Fußball. Ihr fehlt ein Titel, aber es gibt Schlimmeres. Ich fände es aber gut, bekäme sie in einem „Spiel um alles“ mal mehr Gelbe als der Gegner – und schösse dann mehr Tore. Das wäre schön.

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Neues Design für beliebtes Statistik-Tool Statcounter

Seit ich in das Internet reinschreibe, benutze ich Statcounter, um mal nachzusehen, wie viele denn und wann und woher und warum auf meinen Seiten lesen. Nach gefühlten drei Dekaden frischt Statcounter nun erstmals sein Design auf und hat auch gleich ein paar neue Funktionen spendiert.

Sieht nun alles ein bisschen fluffiger aus, mehr Weißraum zwischen den Zeilen, na klar, könnte glatt von Google sein. Man kann nun flink zwischen seinen „Projekten“ hin- und herwechseln, bei den Suchanfragen wird der Pagerank gleich mit angezeigt, die Besucherzahlen können stundenweise angezeigt werden; und alles ist ein kleines bisschen bunter.

Mehr zum Redesign von Statcounter gibts dort im Blog.

Statcounter tastet sich also langsam an die Moderne heran und ist im Prinzip die Alternative zum zwar weitaus mächtigeren, dafür aber umso umstritteneren Google Analytics.

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Sport

Wie steht es um den deutschen Fußballosten?

Der deutsche Fußballosten. Der eine sieht ihn verschwinden und empfindet Mitleid jedoch als eher unangebracht. Der andere zieht optimistische Vergleiche mit Kiel und Saarbrücken und empfindet Mitleid als fehl am Platz. Ich kenne diesen Fußballosten gar nicht persönlich und stecke meine Nase mal lieber in die Vergangenheit:

So. Rein quantitativ betrachtet krepeln in den ersten drei Fußballebenen genau so viele Ostvereine herum wie noch vor vier und fünf Jahren. Die konstantesten von ihnen – Hansa Rostock, Union Berlin, Energie Cottbus – sehen sich in der zweiten Liga, und auch die Drittligisten Dresden, Erfurt, Aue und Jena sind mitnichten überraschende Emporkömmlinge. Würde man sich den Spaß machen und die Zuschauerzahlen dieser Klubs mal in Verhältnis zu irgendwas setzen, wäre vielleicht auch nicht so viel von Mitleid, welcher Art auch immer, die Rede.

Qualitativ gewichtet sieht es ein wenig anders aus, in der Tat wird hier ein gewisser Abwärtstrend sichtbar. Das liegt an der künftigen Nichtteilnahme des Fußballostens an der Bundesliga, aber auch an der Umstrukturierung der Regionalligen. Und vor gerade mal zwei Jahren ist nach dieser Rechnungsweise das beste Ost-Ergebnis (2xBL, 2x2L, 6xRL) der vergangenen Dekade zu konstatieren.

Lassen wir spaßeshalber die dritten Ligen außen vor, ergibt sich ein ähnlich diffuses Bild. Die soeben vergangene Saison waren es lediglich Cottbus und Hansa, die in Liga eins und zwei mitspielten, vor zehn Jahren gab es eine ähnliche Konstellation, nur gab es damals noch die Regionalliga Nordost, quasi eine Reinkarnation der DDR-Oberliga. Mit einer Ausnahme spielten immer zwei bis fünf Ostklubs in Bundes- und 2. Liga, ein Trend ist hier nicht zu erkennen.

Unter dem Strich ergibt sich folgendes Fazit: Ja, der Fußballosten verschwindet – stützt sich der Analysator größtenteils auf die Teilnahme und den Erfolg von Ostvereinen in der Eliteklasse. Nein, es gibt ihn und er lebt – löst man sich von der Bundesliga und sieht mal nach, wie es darunter so kreucht und fleucht. Und findet jemand mal verlässliche Zahlen, wie viele hoffnungsvolle Ost-Fußballer zwecks Ausbildung, Studium oder generellem Geldverdienen gen Westen zogen, braucht niemand mehr pünktlich zum Saisonende Mitleid, Traurigkeit oder Ärger herauszukramen.

Es ist eben so.