Kategorien
Sport

Hand vor den Mund! – Wie Lippenleser den Fußball verändert haben

Henry et C Ronaldo post match

Foto: nofrills via flickr cc-license by-sa

Die WM steht bevor, und die geneigte Öffentlichkeit wird in den kommenden Wochen wieder eine Menge solcher Szenen beobachten können. Der Trainer bespricht mit seinem Assistenten die nächsten ausgeklügelten Schachzüge. Zwei Gockel versuchen sich im Trash Talk. Ex-Kollegen schnattern nach Abpfiff beim Trikottausch über das Wetter. Oder ein Enttäuschter geigt dem Schiri aber mal so richtig die Meinung.

Und stets hält der Redende eine leicht gewölbte Hand vor seinem Munde.

Seit einigen Jahren übt sich die Weltfußball-Profigemeinde am verdeckten Sprechen; und es ist gar lustig mit anzusehen. Impliziert doch der Akt des Verhinderns von optischen Lauschangriffen, dass das Gesagte stets eine gewisse Bedeutung innehat. Etwas, was die Zuschauermillionen und das Twitter-Tribunal um Gottes Willen bloß nicht erfahren dürfen. Mich macht erst die Mundvorhaltsgeste so richtig neugierig auf das, was der Vorhaltende meint, geheim halten zu müssen. Ich bezweifele jedoch, dass der Smalltalk-Content dabei besonders häufig die Nachrichtenwert-Schwelle überwindet.

Heuchelei kann zudem attestiert werden, wenn selbige, die mit Gossip-News und Social-Media-Kanälen ihre Werbemillionen generieren, sich nun mitten in der Aufmerksamkeits-Arena vor ein bisschen Beobachtung zieren. Man wartet nur noch auf den #Aufschrei, wenn einer der Sport-Gladiatoren bald jammert: „Die kucken mir alle zu, das ist nicht mehr der Fußball, den ich noch kenne!“ Respekt an dieser Stelle an alle aufrecht Pöbelnden, die ihren Verbal-Sermon ungeschützt und also mit einem unsichtbar darüber schwebenden „IHR KÖNNT DAS ALLE WISSEN!!!1!“ ihrem Widerpart entgegenbellen. Das ist der Fußball, den wir noch kennen.

Jedoch bleibt festzuhalten, dass die protektionistische Kommunikationsgeste in der Welt ist. Vermutlich ahmen sie in diesem Moment unzählige minderjährige Schulrowdys nach, um bloß nicht von der Aufsicht enttarnt zu werden. Auch im Großraumbüro bietet sich das Unmöglichmachen von Spontan-Lippenleserei an, das Kollegenlästern könnte sonst zu ernsthaften arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen. Und sogar in der Familie sollte erwogen werden, die Verbalkritik an Heranwachsenden auf der Terrasse künftig nicht nur mit gesenkter Stimme, sondern auch mit obercoolen Profifußball-Handbewegungen vor dem Entschlüsseln zu bewahren.

Denn man kann ja nie wissen …