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Familie

800 Morgen

Drillinge

Ich habe das mal nachgerechnet. Sie sind jetzt dritte und fünfte Klasse, werden also bei angestrebtem Abitur mindestens noch sieben Schuljahre à circa 200 Tage Richtung Schule schlendern. Macht plus Resttage dieses Schuljahr und Rechenfehler rund 1500 Tage. Wenn ich gut bin, schaffe ich es im Schnitt jeden zweiten Tag, sie loszuschicken. Macht 750 Tage, locker aufgerundet also 800.

Geschätzte 800 Mal stehe ich also vor der Haustür und sehe ihnen nach. Zwei gehen ineinandergehakt, einer rollt auf dem Fahrrad nebenher. Sie plappern und schnattern und labern und rhababern, sie necken sich und tratschen und latschen und reden über Gott und die Welt. Zunehmend sprechen sie über Dinge, die Eltern nichts angehen, nehme ich an, und zunehmend klingen ihre Gespräche erwachsener.

Ihre Handys stecken in den Hosentaschen, erste Hallos sind bereits in die Welt hinausgetippt worden, angerufen wird eher wenig. Auf dem Weg von zu Hause weg zur Schule drehen sich nicht mehr um, den ganzen geraden Weg vom väterlichen „Tschüss, macht’s gut!“ an geht es nur nach vorne, ein Glück auch, sie müssen mich nicht unbedingt so sehen.

Ich stehe vor der Haustür, Hände in den Hosentaschen, der Blick ist weit. Ich denke an die unzähligen Fahrten mit Kindersitzen und Klassikradio gen Kindergarten, mit Kindersitzen und NDR 1 gen Grundschule, habt ihr auch alles mit, was liegt heute an, jetzt streitet euch doch nicht!, wollen wir die Musik lauter machen?; und ganz oft einfach nur stumm und vergnügt den kindlichen Konversationen lauschend. Ein Dank geht raus an die oft nicht gerade familienfreundlichen Arbeitszeiten bei der Zeitung, aber am Morgen hatte ich immer Zeit, sie hinauszuschicken in den neuen Tag.

800 Mal habe ich noch, 800 kleine Abschiede, vielleicht auch weniger, denn wer weiß, wann sie eines Morgens sagen werden: „Bleib liegen, alter Mann, wir machen das schon.“ Irgendwann sehe ich keinen Kindern mehr nach mit Schulrucksack auf dem Rücken und der nächsten Klassenarbeit oder Liebelei im Kopf, zu Fuß oder auf dem Fahrrad, allein, zu zweit, zu dritt. Irgendwann zieht ein Jungmensch mitsamt dem gemieteten Umzugswagen in die Welt hinaus, und er wird dann erstmal nicht wiederkommen.

Das Gute ist: Ich – und sie –, wir werden diese Herausforderung, diesen Tag X noch ungefähr 800 Mal üben können.

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Neubrandenburg

Die POS 5 „Antonin Zapotocky“ / IGS Mitte in Neubrandenburg gibt es nicht mehr

(Klick auf die Bilder startet Bilder-Slideshow)

POS 5 Antonin Zapotocky

Anlässlich eines bevorstehenden Klassentreffens habe ich mich mal aufgerafft (okay, es waren ein paar Klicks, mehr nicht) und die im September 2011 und März 2012 geknipsten Bilder meiner Schule endlich in die Wolke schweben lassen. Da es seit der Schulzeit mit Menschen generell und Kindern im Besonderen hier etwas rarer geworden ist, brauchte niemand mehr einen derart überdimensionierten Kasten. Was dagegen immer nötiger wird: Wohnungen in Innenstadtnähe. Also: Abriss.

Abriss IGS Mitte

In der Neubrandenburger Innenstadt stand bis vor drei Jahren ein Gebäude, in dem ich zehn Jahre meines Lebens zu einem nicht ganz unbeträchtlichen Teil verbracht habe. Das Haus war kein schönes, aber auch keines der Standard-DDR-Baukasten-Schulen wie die POS 18 auf dem Lindenberg. Die Schule bot eine spacige Turnhalle, den Wunderwall gleich nebenan und Russisch-Unterricht ab Klasse drei. Sie trug den Namen des zweiten kommunistischen Staatspräsidenten der Tschecheslowakei und ersetzte nach der Wende das Wortungetüm „Polytechnische Oberschule“ mit dem Wortungeüm „Integrierte Gesamtschule“, nur dass eben der Staatspräsident ersatzlos gestrichen wurde.

Und wie das mit Schulzeiten eben so ist: Es war eine schöne Zeit. Es gäbe viel zu erzählen, aber das macht Opa dann lieber erst mal am Wochenende in analog. Ich freu’ mich schon.

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Bild Sprache

Gesichtgedicht, schlicht V

kiwigesichtEin frescha Kiwi-Kucka
übertrieb es jüngst mitte Drogen:
Erst entwich ihm die Spucke,
dann jrünten die Oogen,
am Ende durchfuhr ihn ein Rucke.
.
Denn er spürte:
Die janze Welt is jelogen!

– – –

Noch mehr Lyrik

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Bild Politik

Wir qualifizieren Fassaden

Eine meiner Lieblings-Bürotassen:

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„Und, was machen Sie so beruflich?“
„Nun, ich bin Fassadenqualifizierer.“
„Ach! Das ist ja … interessant!“
„Nicht wahr? Die Leute glauben das immer nicht, aber Fassaden dürfen eben nicht nur gut aussehen.“
„Sehen Sie, das habe ich bisher auch immer gedacht.“
„Tun Sie das nicht! Eine perfekte Fassade muss dringend als solche qualifiziert werden. Sonst taugt sie nix!“
„Gut, dass ich Sie getroffen habe. So was sagt einem ja auch keiner!“
„Nicht wahr? Ich verrate Ihnen jetzt mal was: Eine ganze Industrie lebt vom Geschäft mit unqualifizierten Fassaden!“
„Das gibt es doch nicht!“
„Aber wenn ich’s Ihnen doch sage! Es will nur niemand wissen.“
„Halten Sie durch! Klären Sie auf! Die Welt braucht Menschen wie Sie!“
„Ach … ich weiß nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass mich niemand versteht. Dass ich gegen Mühlen ankämpfe. Dass die moderne Gesellschaft gar keinen Wert mehr auf qualifizierte Fassaden legt, sondern nur auf das Äußere. Dass die Blender immer mehr werden, die stets Lächelnden, die mit den kräftigen Farben, den starken Kontrasten, der lauten Reklame.
Jetzt seien Sie mal ehrlich: Braucht es überhaupt noch Fassadenqualifizierer?“
„Ähm … also … na ja …“
„Sehen Sie!“
„Ach, kommen Sie! Sie sind doch nicht dumm! Sind es gewohnt zu arbeiten, sind fleißig, offen, kommunikativ, teamfähig; Sie wissen, was los ist in der Wirtschaft …
Hmm, warten Sie mal, ich hab’s: Sie könnten doch irgendwas mit Medien machen!“