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Familie

Lilly and Benno looking at things III

Lilly + Benno

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Die Entstehung des Langer-Songs:
Roy Keane und der „Saipan Incident“

So ist das mit diesem Internet: Du siehst ein lustiges Video, gugelst ein bisschen und studierst plötzlich die halbe Nacht die Geschichte des irischen Fußballs.

* * *

Ich habe hier neulich den Langer-Song vorgestellt, der zwar vorne so heißt wie ich hinten, aber eigentlich einen – im Dialekt der irischen Stadt Cork Langer genannten – ungehobelten Proll besingt. Und dass es dieses gesellige Liedchen überhaupt gibt, hat einzig mit einem sturköpfigen irischen Fußballer zu tun.

* * *

Es war vor der Fußball-WM 2002 in Japan und Südkorea. Die irische Nationalmannschaft bereitete sich mit einem Trainingscamp auf Saipan, einer Insel mitten im Pazifischen Ozean, auf die klimatischen Bedingungen in Japan vor. Der damalige Mannschaftskapitän: Roy Keane, ein hitzköpfiger Mittelfeldspieler aus Cork.

Roy Keane fand die Bedingungen auf Saipan eines WM-Teilnehmers unwürdig und überhaupt seien der irische Fußballverband und nicht zuletzt Trainer Mick McCarthy eher unprofessionell und inkompetent. Und wie das so die Art von Roy Keane war, hatte er wenig Probleme damit, seine Vorwürfe über die Presse öffentlich zu machen.

Daraufhin stellte ihn der Trainer vor versammelter Mannschaft zur Rede. Doch Roy Keane gab nicht etwa klein bei, sondern entlud seine geschundene Iren-Seele in einem mehrminütigen Monolog, wobei er sich wiederholt ungebührlicher Vokabeln bedient haben soll. Schließlich erklärte Keane, dass er bei der WM nicht für Irland spielen und überhaupt nun abreisen werde.

Roy Keane, Cork LegendFür Irland, dass sich damals erst zum dritten Mal überhaupt für eine WM qualifizieren konnte (und es seither auch nie wieder geschafft hat), war The Saipan Incident (hier der Wikipedia-Eintrag auf Englisch, hier eine umfassende Dokumentation) ein Riesen-Schock und monatelang Stoff für unzählige Kneipen-Diskussionen. Hatte Keane recht mit seiner harschen Kritik oder hatte er sich schlicht wie ein dummer irischer Gossenjunge verhalten?

Man muss dazu sagen, dass Keanes Heimat Cork von dessen Einwohner als wahre Hauptstadt Irlands gesehen und oft für den besonderen Unabhängigkeitswillen der Corkuianer gepriesen wird. Die eine Hälfte der Iren (vor allem viele Dubliner) waren nun sauer auf Roy Keane, weil er sein Team im Stich gelassen hatte. Die andere Hälfte aus der Gegend um Cork war stolz auf ihren Helden, der sich von den Funktionären nicht hatte verbiegen lassen. Die Irish Times schrieb später, dass die meisten Iren mindestens eine Geschichte von Streit in der Familie, zwischen Freunden oder Kollegen kennen – wegen Roy Keane.

Und da nun in Keanes Wutrede auf Saipan desöfteren „you’re a fucking Langer“ in Richtung McCarthy gebrüllt worden sein soll und Roy Keane auch in nachfolgenden Äußerungen alles und jeden gerne mit dem dem Cork-Slang entlehnten Schimpfwort bedacht hat, bekam „Langer“ eine fragwürdige Berühmtheit und inspirierte schließlich Songwriter Tim O’Riordan zum Langer-Song, der 2004 in Irland die am meisten verkaufte Single war.

* * *

Ich weiß zwar noch nicht ganz, wie ich diese Song-Genesis meiner Sippe beim nächsten Familienfest vermitteln kann, aber das wird schon noch. Übrigens bin ich auch gar nicht der Einzige, der über Roy Keane und die Musik schreibt. Auch der geschätzte Trainer Baade hat justament Mister Keanes Verbindung zu Morrissey offengelegt. Roy Keane scheint im fußballkulturell-musikhistorischen Kontext offenbar ’ne Menge herzugeben. Liegt aber bestimmt in der reichhaltigen britischen Stadionsgesangstradition begründet, das Ganze.

So, jetzt ist aber Schluss. Obwohl … einmal kann man ihn ja doch noch mal hören, den Langer-Song, mitsamt seiner zweiten Strophe, die dem Corker Jungen Roy Keane und dem Saipan Incident gewidmet sind:

And our hero Roy Keane
Footballer supreme
The finest this country and Man U’s ever seen.
And we’d have won the World Cup
But Mick McCarthy fouled up.
Roy was dead right to call him a langer!

Foto: Adrian, Acediscovery auf Flickr unter CC-Lizenz by-nc-nd
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Sport

Auf dem Trampelpfad zum Titel – Carta non grata

Mit der Statistik ist das im Fußball ja immer so eine Sache. Aber trotzdem.

Referee

Foto: John Henry Mostyn auf Flickr unter CC-Lizenz by-nc-sa

In den 101 Spielen, die Joachim Löw die deutsche Nationalmannschaft mittlerweile betreut hat, sahen die Männer mit dem Adler auf der Brust 100 Gelbe Karten (Gelb-Rot/Rot = 2 Gelbe). Mein Big-Data-Rechenorakel verrät mir nun: In jedem Spiel seit dem Juli 2006 hat durchschnittlich ein deutscher Nationalmannschaft eine gelbe Karte gezeigt bekommen.

Das ist nicht viel. Im Gegenteil: Das ist sogar sehr wenig. Die aktuelle Kartenstatistik der Bundesliga und 2. Liga zeigt, dass lediglich Dortmund (1,1), Bayern, Wolfsburg (je 1,3) sowie Schalke und der 1. FC Köln (1,4) halbwegs in die Nähe des Löwschen Schnitts kommen. Und hier sind die Gelb-Roten und Roten Karten nicht mal mit eingerechnet.

Auf diesem handelsüblichen Kartenschnitt spielte die DFB-Elf auch in den sechs Spielen nach dem Trainerwechsel 2006 (1,83 Gelbe Karten pro Spiel). Dann sank der Schnitt rapide (2009: 0,63), um sich auf immer noch niedrigem Niveau einzupendeln (2012: 1,07, 2013: 1,36). Es gab Zeiten (2009/2010), da hat die Mannschaft in sechs Spielen eine einzige Karte kassiert.

Ohne die Zahlen vor Löw genau zu kennen, möchte ich behaupten: So wenig gelb war selten. Die Gelbe Karte ist in der aktuellen Spielphilosophie ein unerwünschter Gast, eine Carta non grata quasi. Sie gehört für Löw nicht zum Fußball dazu, sondern ist bei Spielentgleisungen dann eben hinzunehmen. Nägschde Mal müssen wir des anderslösn, gansglar.

Die Nationalmannschaft will den Ball haben und halten und spielen und behalten und damit Tore schießen. Sie will ihn zurückerobern, nicht ihn sich erkämpfen müssen. Dräut am Horizont ein Zweikampf herauf, ist ein kluges Abspiel die erstbeste Option. Das Duell Mann gegen Mann ist potenziell gelbgefährdet und überhaupt risikobehaftet – schließlich könnte der Ball verloren gehen – und von daher zunächst mal die schlechtere Option.

Wie oft saß ich vor dem Bildschirm und habe spieleuphorisiert den ballführenden Germanen angefeuert: „Jau! Und los jetzt! MACH! IHN!! NACKISCH!!!“ Und dann sank ich desillusioniert zurück, weil der Systemspieler den taktisch wertvollen Flachschnellpass wählte. Kein Zweikampf, keine Karthasis, keine Gelbe Karte. Aber ja eben auch: kein Ballverlust.

Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum das moderne 80-Prozent-Ballbesitz-Passfußballspiel manchmal von auch ansonsten durchaus besonnen daherkommenden Menschen einfach nur gehasst wird: Weil diese verfluchten Tikitakerianer einem verdammt nochmal das Meersalz in der Suppe vorenthalten. Die Zweikämpfe. Die dann ab und an zu Fouls und Gelben Karten führen.

So weit, so gut, so nachvollziehbar. In Löws Zeit (101 Spiele) hat die deutsche Mannschaft allerdings ganze 16 Spiele mehr Gelbe Karten als der Gegner erhalten. In jedem sechsten Spiel nur. In keinem der drei wichtigen Spiele der Löwschen Ära (2008 gegen Spanien, 2010 gegen Spanien, 2012 gegen Italien) hat die Mannschaft öfter gelb gesehen als der Gegner.

Und jetzt nochmal zum Anfang: Mit der Statistik ist das im Fußball ja immer so eine Sache. Was bedeuten schon Gelbe Karten? Was bedeuten Durchschnitte, in denen auch Gurkenspiele zählen und Fehlentscheidungen? Was bedeutet eine Gelbe Karte mehr als der Gegner, wenn der nunmal öfter ins Tor trifft? Ja, genau: Im Zweifel jarnüscht.

Aber trotzdem. Sind wir uns einig, dass wir in diversen Spielen von Bedeutung zu ganz bestimmten Momenten Spielaktionen bei den Deutschen vermisst haben, die – wenn es doof läuft – auch zu einer Gelben Karten – Ihgittigitt! – hätten führen können? Wurden diese Aktionen vermieden, weil Gelbe Karten böse und unter jeden Umständen zu vermeiden sind? Sitzt das Löwsche Taktikkorsett zu eng, wenn es mal eng wird? Hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu viel Angst vor Gelben Karten?

Und ich meine damit nicht bösartige Fouls, Schwalben oder alberne Nicklichkeiten. Ich meine ehrliche Zweikämpfe, die mit aller Vehemenz geführt werden, weil da jemand der Meinung ist, jetzt müsste aber mal ein ehrlicher Zweikampf geführt werden. Nicht das ganze Spiel lang, aber manchmal. Und ich schreibe bewusst auch nicht von einem wie auch immer gearteten Klopper vom Dienst, der mal eben Leader spielt, die Fresse aufreißt und in der Gegend umherholzt.

Na ja. Dünnes Eis, ich weiß. Die Mannschaft ist neben Spanien die erfolgreichste Nationalelf der Welt und spielt einen großartigen Fußball. Ihr fehlt ein Titel, aber es gibt Schlimmeres. Ich fände es aber gut, bekäme sie in einem „Spiel um alles“ mal mehr Gelbe als der Gegner – und schösse dann mehr Tore. Das wäre schön.

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Haus

Die Erde am Wolfswinkel

Weil ihr Großvater ein Faible für Elektronik sein eigen nennt und ab und an Konrads Katalog durchschmökert, haben Charlotte und Luise am Wochenende Dinge mikroskopiert. Und unter anderem eben auch: Erde von vor der Haustür. Und weil außer Klopapier ja kaum noch Geräte ohne USB-Anschluss gebaut werden, kann ich hier Erde ins Blog schmieren, ohne mich und es dreckig zu machen:

Ziemlich unerdig sieht sie aus, finde ich. Sollten findige Erdkundologen darin selten Erden erkennen, bitte ich um eine kleine Nachricht; an der Gewinnbeteiligung soll es nicht liegen.

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Neubrandenburg

Weil sie es so nicht sagen: Stadtwerke Neubrandenburg erhöhen für 2014 die Gaspreise

320px-Firmensitz_Neubrandenburger_Stadtwerke_GmbHWie viele andere Neubrandenburger habe ich heute Post von den Stadtwerken bekommen. Thema: Die Energiepreise für 2014. Und man hat eine „sehr gute Nachricht“ für mich: Der Strompreis bleibt gleich.

In der Tat ist das sehr gut, man hört und liest da ja so einiges. Und weil die Stadtwerke so gut sind, soll ich sie weiterempfehlen. Wie das genau funktioniert und wer warum die 20 Euro Weiterempfehlungs-Prämie wann bekommt, wird im Folgenden auf 18 Zeilen detailiert beschrieben.

Davor steht noch ein Satz: „Ihren Strom- und Gaspreis für das Jahr 2014 finden Sie auf der Rückseite dieses Schreibens.“ Ach genau, Gas gibt’s ja auch noch. Flink den Brief umgedreht, da stehen dann alle Grund- und Arbeitspreise in brutto und netto.

Und um es kurz zu machen: Die Neubrandenburger Stadtwerke erhöhen für 2014 die Gaspreise. Das ist eine weniger gute Nachricht und steht so auch nicht in dem Brief. Das ist aber so. Ich bezahle ab Januar 3,2 Prozent mehr für das Erdgas, im Jahr dürften das für uns etwa 50 Euro Mehrkosten bedeuten.

Die nette Frau an der Hotline sagte mir, dass dies für alle Gas-Tarife gelte. Sie hat mir dann auch gleich einen anderen Tarif empfohlen; ich werde wohl demnächst mal in die John-Schehr-Straße gondeln. Und überhaupt kann ich von der neu-sw-Hotline nur Gutes berichten, die sind da immer freundlich und schnell und hilfsbereit.

Aber dass die Stadtwerke sich nicht trauen, ihren Kunden die ganze Wahrheit zu schreiben, das ist schade. Da bekommt das neu-sw-Motto „Das und mehr!“ leider einen etwas herberen Beigeschmack.

Foto: Malte Penndorf (via Wikipedia unter CC-Lizenz by-sa)
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Bild Blog Familie

Meer

Dieser Text ist Teil der Blogparade „Mein Text zum Meer“, die jüngst auf dem Jazzblog gestartet wurde. Und da es Texte zum Meer ja gar nicht genug geben kann: Macht mit und schreibt doch auch einen! Und vier Jahre später sind diese Zeilen außerdem stolzer Teilnehmer des #SepteMeer.

Ostseeblick

Das war am Wochenende schon kein Nebel mehr, aber auch noch kein Regen. Auch Niesel trifft’s nicht, eher noch könnte man es mit „der Himmel hatte gerade einen kräftigen Schluck Wasser genommen und musste wegen eines guten Witzes plötzlich alles auf einmal rausprusten“ adäquat beschreiben. Dazu achteinhalb Grad Celsius und die Weltfarbe grau.

Es ist das perfekte Wetter, um sich mal wieder alte Bilder anzusehen.

Und wie ich so durch die Ordner stromere, fällt mir ein Motiv auf, das sich jedes Jahr wiederholt. Und zwar ausnahmslos. Meist gehört das Bild nicht zu den aufregendsten, es beruhigt durch Reduktion aufs Wesentliche und den Mangel an Bewegung, Leben, Gesichtern.

Es zeigt einen Menschen vor der Ostsee. Man sieht nur seinen Rücken, ab und zu verweht ein deftiger Seitenwind seine Frisur. Er hat die Hände in den Taschen (wenn er denn Hosen mit Taschen anhat) oder vor der Brust verschränkt oder in die Hüfte gestemmt oder lässig seitlich baumeln. Er steht da ganz ruhig, wahrscheinlich verharrt er für einige Momente.

Dieser Mensch braucht jetzt gerade gar nichts anderes, nur sich und frische Luft und das Meer. Die uralte Frage, ob der regelmäßige Wellenschlag seine Füße erreichen wird, ist ihm genug an Spannung; die ab und zu durch seinen Blick segelnden Möwen oder schippernden Boote reichen ihm an Aktion. Denn er muss demütig einsehen, dass er der Mensch ist und das da vor ihm das Meer.

Das Riesenwasser füllt den halben Horizont aus, er kümmerliche zwei Fußstapfen. Das Wasser hat alles, was er kennt, hervorgebracht, er hat bisher ein bisschen gebaut, gezeugt, gepflanzt, geschrieben. Noch in Tausend Jahren wird das Meer hier sein, er dagegen muss nachher gleich los, Abendbrot essen. Und irgendwann ist er ganz weg.

Dieser Mensch auf den Bildern ist manchmal ein Kind oder zwei oder drei, mal ist es eine Frau, mal ein Mann. Mal ist es Winter, mal Sommer, mal früh, mal spät. Immer aber ist es das gleiche Motiv: Ein Mensch schaut aufs Meer. Die Fotos sind nicht inszeniert, niemals hat der Knipser gesagt: „Ey, los jetzt, ab ans Ufer, Augen aufs Meer, und dann stillgestanden!“ Irgendwann an diesem Tag am Meer steht plötzlich jemand allein am Ufer und glotzt in die Gischt und hält inne und atmet ganz tief durch.

Und es ist nichts anderes, als es der Mensch mit seinem Auto an Tankstellen macht: Er kommt da hin, bezahlt mit ein wenig Lebenszeit und bekommt Meeresmomente.

Einmal voll, bitte! Und den Kanister auch gleich noch.

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Sport

Auf dem Trampelpfad zum Titel –
Per Mertesacker

mertesacker

Foto: Daniel Zimmel auf Flickr unter CC-Lizenz by-nc-sa

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat ein Problem mit ihrer Abwehr. Das weiß, wer nicht das vergangene Jahrzehnt total ballabstinent verlebt hat. Niemand fand das doof, weil der DFB plötzlich Tore schoss und – jahaa! – schönen Fußball spielte. Dann merkten alle, dass für so ein Weltfußballtitel eine gute Abwehr doch ganz nützlich sein könnte.

Per Mertesacker spielt seit neun Jahren in der DFB-Defensive. Er ist der Größte, der jemals den Adler auf seiner Brust trug. Und heute Abend habe ich ihn beim Champions-League-Spiel gegen Borussia Dortmund beobachtet.

5. Mertesacker klärt im Fünfmeterraum vor Lewandowski.
9. Aus der Bedrängnis gelingt dem Per eine großartige Spieleröffnung mit einem nicht ungefährlichen halbhohen und -langen Pass in die Mitte – genau auf den Fuß des Mitspielers.
11. Eckball Arsenal. Die Gefahr ist da, wo Merte ist, auch wenn der Ball meterweit an ihm vorbeifliegt.
17. Subotic zielt knapp neben das Tor nach einer Ecke. Sein direkter Gegenspieler: Per Mertesacker. Der traute sich nicht recht, beherzt zum Ball zu gehen. Angst vor einem Foul?
19. Arsenal mit Schwierigkeiten beim Spielaufbau. Merte an der eigenen Eckfahne, ein mittelriskanter Pass zum Torwart, aber: Problem souverän gelöst.
21. Wenn Mertesacker sich mal bis zum Mittelkreis traut, dann hastet er zu einem Eckball oder erstickt – wie jetzt – taktisch nicht unklug einen potenziellen Konter.
30. Mertesacker überquert den Platz, denn es gibt Freistoß für Arsenal. Der Freistoß versackt, und Mertesacker rennt wieder zurück. Es ist dies das Los eines kopfballstarken Verteidigers.
31. Der rasende Reus eilt mit Ball am Fuß gen Arsenal-Strafraum. Dort steht ein Mertesacker, der zum richtigen Zeitpunkt an genau der richtigen Stelle den Fuß herausstreckt und damit die Situation sofort entschärft.
35. Merte steht bei einer Blaszykowski-Flanke silberrichtig und haut ein halbes Luftloch. Lewandowski war jedoch aus reinem Respekt längst auf Abstand geblieben, der Ball trudelt aus.
37. Bei einem Konter gerät Arsenals Abwehr in Unterzahl. Mertesacker stößt einen traditionellen Hannoveraner Fluch aus, und prompt vergibt Mchitarjan aus 1-a-Einschussposition.

Überhaupt kann ich, glaube ich, gar nichts Schlechtes schreiben über so ein Tanz-Talent. Erstmals staunte ich über Per Mertesacker allerdings, als er bei der WM 2006 gefühlt alle Zweikämpfe gewann und niemals Foul spielte. Man sieht Mertesacker selten unlässig. Behäbig, ja, ungelenk manchmal. Aber immer: lässig. Unhektisch. Beruhigend. In bestimmten Spielsituationen können das genau die notwendigen Charaktereigenschaften sein.

48. Merte lässte eine nicht mal sonderlich harmlose Flanke mit Absicht durch. Er sieht, dass kein Gelber lauert und sein Torwart den Ball bekommen wird.
50. Foul von Mertesacker nach einem Zweikampf mit Marco Reus. Allein: Es war keines. Kein bisschen. Merte hat den Ball abgewehrt und nix weiter. Aber: Kein Murren, kein Maulen.
52. Tor für Dortmund. Merte bleibt cool, ein klares Abseits.
62. Arsenal geht 1:0 in Führung. Per Mertesacker weiß, dass ihn eine aufregende Schlussphase erwartet.
64. Und da geht’s schon los: Beim ersten Duell kann er Lewandowskis Flanke abwehren, die zweite muss Merte durchlassen, weil: zu langsam. Das bleibt allerdings folgenlos.
66. Merte segelt im Fünfmeterraum Zentimeter am 2:0 vorbei. Dafür fehlt er hinten, dort muss der Mesut für den Per aushelfen.
70. Eckball Arsenal. Mertesacker springt gar nicht richtig, streckt sich nur mal so mit Schwung nach oben, und sein Kopfball geht knapp drüber.
79. Merte mault, weil Weidenfeller den Ball verfehlt und stattdessen Mitspieler Koscielny umrammelt.
82. Per Mertesacker köpft den Ball aus der Gefahrenzone – exakt auf den Fuß eines 25 Meter entfernten Mitspielers. Man kann so etwas gar nicht oft genug schreiben. Arsenals Passgenauigkeit von 75 Prozent ist mindestens auch Mertesackers Passgenauigkeit.
94. Zweikampf im Strafraum: Lewandowski versucht einen Rückseitfallzieher, Mertesacker hat ihm dabei väterlich die Hand auf die Schulter gelegt. Kein Tor, kein Foul. Arsenal gewinnt. Und Per Mertesacker hat nach dem Trikottausch ein viel zu kurzes BVB-Shirt an.

Ob er einer der zwei besten deutschen Innenverteidiger ist, wissen die Menschen, die dafür bezahlt werden. Dass Per Mertesacker dem DFB-Team helfen kann, nächstes Jahr Weltmeister zu werden – davon bin ich überzeugt.

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Medien

Thesen zur Zukunft des Journalismus –
Was bisher geschah

Unbenannt

* * *

An vielen Thesen soll die Branche genesen. Und endlich habe ich jetzt auch eine:

Meine Meinung. Aber weil der Journalismus bekanntermaßen seit Ewigkeiten im Umbruch und eine Solidierung auf Jahrzehnte nicht abzusehen ist, dürften immer mal wieder ein paar neue oder eben neu aufgewärmte dazukommen.

Damit künftige Thesenausdenker einen kleinen Überblick über bereits bestehende Journalismuszukunftsthesen bekommen können, habe ich mal ein paar Thesenlisten zusammengestellt. Für einen spontanen Vortrag können sich Bedürftige hier flink einige gut abgehangene Thesen zusammenklauben, für das nächste ganz große Thesending können beim Durchkucken Thesenlücken erkannt und gerne ausgefüllt werden.

Und in zehn Jahren wollen wir doch mal sehen, welche Prognosen ins Schwarze getroffen haben.

Wie leicht zu erkennen ist, gibt sich niemand mit läppischen drei oder vier Thesen ab, gethest wird ausschließlich ab fünf. Recht beliebt sind fünf, sieben und zehn Thesen, die acht ist aber gerade in jüngster Zeit ziemlich im Kommen. „Sechs Thesen zur Zukunft des Journalismus“ wäre noch frei, das ist doch noch ganz übersichtlich. 13 und 16 wären auch noch unbesetzt, doch könnte das dann schon in ein bisschen Denkarbeit ausarten. Ab 18 ist noch einiges frei, und der Rekord steht bei erstaunlichen 23 Thesen.

Also: Vorhang auf für insgesamt 273 274 Thesen.

Fünf Thesen zur Zukunft des Journalismus
1. Juli 2009: Natürlich der Chef zuerst: Nordkurier-Geschäftsführer Lutz Schumacher fand 2009: „Wir sind entrückt und unflexibel“.
9. Mai 2011: Ulrike Langer nannte ihren Thesen-Vortrag „Digitaler Urknall“.
13. Mai 2011: Die freie Autorin Katrin Schuster versucht sich ganz meta in Thesen-Thesen.
9. Juli 2012: Ein Videostatement von Miriam Meckel zum Reporterforum 2012

Sieben Thesen zur Zukunft des Journalismus
11. Januar 2008: Klaus Jarchows Beitrag auf netzwertig.com.
22. Oktober 2012: Die Zeit-Journalisten Götz Hamann und Bernd Ulrich finden: „Es ist noch reichlich Zukunft da“.
27. Oktober 2013: Zur Abwechslung nennt Karsten Lohmeyer seine Thesen auf Lousy Pennies die „sieben Tibeter“.

Acht Thesen zur Zukunft des Journalismus
19. September 2013: Der Chef von sz.de, Stefan Plöchinger, hat für das BDZV-Jahrbuch nachgedacht.
26. Oktober 2013: Im URL waren’s noch sieben, beim Schreiben scheint Daniel Bröckerhoff noch eine Idee gekommen zu sein, wie Journalismus künftig finanziert werden könnte.
1. November 2013: Der Anlass für diese Liste: Das Ergebnis der Arbeit einer DJV-Arbeitsgruppe.

Neun Thesen zur Zukunft des Journalismus
31. März 2009: Klaus Meier benutzt für das Journalistik-Journal einen sehr lyrischen Titel
7. März 2011: Christian Jakubetz wird etwas spezifischer und thest ausdrücklich nur zum Qualitätsjournalismus.

Zehn Thesen zur Zukunft des Journalismus
19. Dezember 2008: Johannes Eber alias Pixelökonom betrachtet die Medienkrise aus Sicht eines Volkswirts.
April 2009: Der damalige Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer hatte 2009 gar „zornige“ Thesen parat.
11. Februar 2012: Gregor Landwehr geht es ganz um den „neuen Journalismus“.
4. Dezember 2012: Matthias Michael schreibt für Cicero, aufgeschreckt durch die Pleiten von FR, FTD und dapd.

Mehr als zehn Thesen zur Zukunft des Journalismus
24. Juni 2012: Johannes Kuhn nennt den Journalismus in seinen elf Thesen sehr schön eine „lädierte Profession“.
10. Juli 2011: Wolfgang Michal hoffte schon 2011 auf „zwölf finale Thesen“.
4. Januar 2010: Die zwölf Thesen von Deutschlandradio-Gründungsintendant Ernst Elitz sind im Archiv der Berliner Zeitung leider etwas lieblos formatiert.
2. Januar 2010: Das 14 Thesen umfassende „Slow Media Manifest“ von Benedikt Köhler, Sabria David und Jörg Blumtritt.
Oktober 2011: SPD-Mediepolitiker Marc Jan Eumann mit seinen ebenfalls 14 Thesen.
2. April 2012: Leif Kramp und Stephan Weichert auf Vocer mit 15 Thesen aus ihrem „Innovationsreport Journalismus“.
2. Mai 2012: Der Schweizer Journalist Constantin Seibt bringt neben seinen 15 Thesen erstmals das Jahrhundert mit ins Spiel.
7. September 2009: 15 Journalisten haben dem Internet ein Manifest mit 17 Thesen geschrieben. Zwei durften also doppelthesen. Gemein!
21. März 2013: Karsten Wenzlaff vom Ikosom-Institut kommt zwischen Utopie und Dystopie auf 18 Thesen.
16. Oktober 2010: Der damalige Focus-Online-Chef Jochen Wegner haute vor drei Jahren ganze 23 Thesen zur Zukunft der Medien raus, was aber überhaupt nichts mit dem mystischen Potenzial dieser Zahl zu tun hatte.

Wer noch andere Journalismuszukunftsthesen kennt: Immer her damit!