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Musik

Danke, Traumzauberbaum! –
Danke, Reinhard Lakomy!

Ich bin der Traumzauberbaum,
mich sieht ein Kind nur im Traum,
wachse im Traumzauberwald,
bin tausend Jaher schon alt,
hab viele Blätter so fein,
ein Blatt gehört dir allein,
in jedem Blatt steckt ein Traum,
ich bin der Traumzauberbaum.

Ich habe mich nicht bedankt. Das ist nicht in Ordnung und soll hiermit endlich getan werden. Denn Autofahrten mit kleinen Kindern können sehr, sehr lang werden.

Das kann viele Gründe haben. Ein Kind kann Hunger bekommen oder Durst. Oder es muss mal oder hat schon. Das Kind mag generell kein Autofahren. Oder ihm ist langweilig und es muss beschäftigt werden.

Für diesen Fall geht es eine Weile mit „Hui, schau mal, da steht ‘ne Kuh!“ oder „Ich sehe was, was du nicht siehst“ oder „Ich packe einen Koffer“ oder „Wer zuerst was sagt, hat verloren“. Wenn diese Weile vorbei ist, und diese Weile wurde immer kürzer, dann wollten sie den Traumzauberbaum hören.

Kurze Geschichtenlieder, eine einfache, fantastische, natürliche Geschichte drumherum. Zwei Waldgeister, die Sprüche klopften, die man zur Entstehungszeit „flott“ genannt hätte. Ein knorriger, waldweiser Zauberbaum, dem es an die Blätter und die Wasser-Substanz geht.

Es ist alles drin: Ein Schlaflied, ein Katzenlied, ein Wasserlied, ein Grusellied, ein Frühstückslied, ein Abendlied. Am Ende kannten wir sie alle auswendig. Die Eltern konnten sich noch an früher erinnern, als sie selbst vertraumzauberbaumt wurden. Die Kinder sogen jeden CD-Durchlauf wie Wüstenschwämme ein und bewiesen das „je jünger, je besser lernen“ aufs Neue.

Die diabolischen Eltern haben sich später ab und zu den Spaß gemacht, die Lautstärke abrupt runterzudrehen und uns am fast identischen Kinderpublikumschor zu freuen.

Die Kinder haben auch andere CDs gehört, darunter andere tolle, andere weniger tolle. Aber bei genauem Nachdenken: Der Traumzauberbaum war ihr erstes medial vermitteltes Gesamtkunstwerk. Sie haben es gehört und wollten es immer wieder hören. Immer. Wieder.

Ihre Traumzaubi-Phase ist längst vorbei, aber die Erinnerungen an abendliche Heimfahrten, wenn sie erst zu den Klopsemopsen gelacht und später zum Abendstadtlied sanft und erschöpft im Kindersitz eingeschlummelt sind, die bleiben ihnen und ihren Eltern. Diese haben nicht ein einziges Mal nach einem ausweichenden, pädagogisch wertvollen Kompromiss gesucht, wenn es mal wieder hieß: “Traumzauberbaum! Traumzauberbaum!”

Denn genau das war er, der Baum, minus dem Zeigerfingerimpetus: pädagogisch wertvoll.

Eine der wenigen Musikgeschichtenliederwerke, das den kleinen Kindern, den etwas größeren Kindern, den sogenannten Erwachsenen Spaß gemacht hat – auch bei der 38. Wiederholung noch. Toll gesungen, zeitlos komponiert, mutig arrangiert. Eine Kollegin berichtete, sie habe das Grusellied als Kind nie laut hören können, so überzeugend geriet das Olga-Hugo-Duett.

Noch Jahrzehnte nach der Entstehung wuchs der Traumzauberbaum bei aufwendigen Tourneen in den Kulturhallen der Republik – der ost- und westdeutschen übrigens. Künstler, die sich nicht zu schade sind, ihren größten Hit immer und immer und immer wieder in fast identischen Versionen den traumzauberbaumdurstigen Kindern nahezubringen – man kann ihnen nicht genug danken. Kleine Menschen haben noch kein popkulturelles Gedächtnis, sie beschweren sich nicht, wenn der Lakomy ja so gar nichts mehr Neues zustandebringt, sie feiern gerne auch mal das dritte Jahr in Folge unsre Katze Mary Lou.

Da war dann auch für mal die Chance, Danke zu sagen. Ein Lakomy-Traumzaubi live, mit Wucht und Wonne. So viel Kinderspaß, der Erwachsene nicht nervt, sondern gleich mal eben mitbespaßt. So ein präsenter, alberner, dröhnstimmiger und auch mit ergrautem Blattwerk immer noch quicklebendiger Mann, der selbst ein Traumzauberbaum ist, der sich kurz schüttelt, und schwupps! ein Lied fällt herab. Ich habe damals mit meinen Kindern und allen anderen im Neubrandenburger HKB geklatscht wie wild.

Aber jetzt möchte ich endlich laut Danke sagen. Für den Traumzauberbaum.

Danke.

Plitsche Platsche, Regentropfen,
wie sie auf die Dächer klopfen.
Waschen alles blitze blank,
lieber Regen vielen Dank.
Hast es wirklich gut gemeint,
mach nun dass die Sonne scheint.

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Neubrandenburg

Zettelwirtschaft auf dem Datzeberg:
Bitte parken Sie künftig hier nicht mehr!

Bitte parken Sie künftig hier nicht mehr!

Ich finde es furchtbar nett, derart angezettelt auf dem Datzeberg auf real existierende Parkplatz-Eigentümer-Verhältnisse hingewiesen zu werden. Immerhin hätte auch gleich das LKA hinzugezogen werden können. Der Lack meines protzigen Mini-SUVs hätte arg zerkratzt werden können. Eine zehnköpfige Bürgerwehr hätte meine semi-heimliche Flucht vom Tatort mit entschlossenen Mienen verhindern können. Ein Ex-Feldwebel hätte mich im feinsten Fensterweißripp aus der dritten Etage mit humorlosen Rentner-Schimpfwortsätzen anbellen können.

Aber nein.

Stattdessen dieser schlichte Serienhinweiszettel. Akkurate Grammatik, pro Zeile ein Satz, die zentrierte Schrift rückt die Aussage unmissverständlich in den Fokus des ignoranten Übeltäters. Was der Malerei ihr Triptychon, der Mathematik ihr Dreisatz, dem Fußball sein Hattrick ist – das ist der Neubrandenburger Zettelwirtschaft dieses Meisterwerk.

Pure Aufklärung wird im ersten Satz geleistet. In ganzen fünf Wörtern erschließt sich dem Unwissenden die komplizierte Welt des Parkplatz-Kapitalismus. Hier bleiben keine Fragen mehr offen, fast meint man, nach dem Schlusspunkt für einen kurzen Moment ein kurz aufblitzendes BASTA! erkennen zu können.

Im zweiten Satz gelingt dem Autor innerhalb nur weniger Zeichen der Wandel vom devot Bittenden bis zum strengen Parkplatzabschnittsbevollmächtigten – eine publizistische Meisterleistung. Das großgeschriebene „Sie“ verrät den Schreibkundigen, der es trotz aller Scherereien mit seinen Mitmenschen nicht an nötigem Respekt mangeln lassen möchte.

Ganz großes Zettelkino dann im dritten Satz. Vier Worte! Und ich schreibe bewusst nicht „Wörter“, denn es sind reife, erwachsene, große Worte, die den schuldigen Leser wieder in sein armseliges Leben entlassen; souverän abgeschlossen nicht etwa von einem aufgeregten Ausrufezeichen oder gar einem schludrig-fehlenden Satzzeichen, sondern von einem die müßige Diskussion ein für alle mal beendenden Punkt. Dass auf ein wie auch immer geartetes Verbum verzichtet wurde, beweist das hochsensible Sprachgespür des Schreibers: Nein, ein Tuwort wird dem Falschparker nicht auch noch hinterhergeworfen, das ginge zu weit, das Leben schenkt einem ja auch nichts. Es ist ein wahrhaft monumentaler Schluss.

Und ich oute mich hiermit schlechten Gewissens als haarspaltender Korinthenkacker, wenn ich diesen Text nicht beende, ohne mich noch kurz zu erklären: Die zwanzig Zentimeter Neuschnee hatten den in den Boden versenkten Parkplatzabsperrpfosten überdeckt. Verschämt möchte ich dem Mieter dieses Parkplatzes dennoch sagen: Kommt nicht wieder vor!