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Loblied auf die Jahreszeiten

Minus 14

Das geht an alle Frostbeulen, Pollenjammerer, Hitzestöhner und Novemberdepris. An alle Wettermeckerer, Schneeschippheuler, Schattensucher und Goretexfetischisten. An alle, die auswandern wollen, um ganzjährig 25 Grad und Sonne zu haben.

Macht doch!

Ich finde Jahreszeiten toll. Ein ewiges Viergängemenü für lau, jedes Jahr leicht modifiziert, immer abwechslungsreich und nahrhaft. Das muss man sich erst mal vorstellen: Wir kriegen hier in diesen Breitengraden die größten Hits aller Klimazonen und die besten Klimakapriolen von heute! Und das ganze ohne lästige Touri-Werbung, alltäglich, einfach so.

So oder so ähnlich dachte ich kürzlich, als ich totaldurchfroren bei minus 15 Grad auf dem Brodaer Drachenberg stand und die Wintersonne sich nachmittags um fünf aber mal ganz schnell hinter den Horizont verkrümelte. Man konnte den Frost geradezu riechen, zumindest bis das Riechorgan wegen Unterkühlung seinen Dienst einstellte. Und als drei Eisklumpen und zwei Schlitten im Auto verstaut waren und alles langsam wieder auftaute, konnte ich sehen, dass auch die Kinder Jahreszeitenfans werden würden.

Denn wenn man satt ist von der einen, kann man aufhören und kurz verdauen, und schon bald, in fünf, acht, zwölf Wochen wird der nächste Jahreszeitengang aufgetischt. Einmal flambierter Frühling mit Kräuterkruste an Frühgemüse bitte, danke, hmmm, lecker! Dann kann es bald auch mal wieder richtig stickig werden, der Mensch kann ordentlich durchschwitzen, träge werden, sich verbrennen; und dann die erste kleine Sehnsucht nach dem Herbst. Der ist kaum da, schon schmeißen die Kleinen die ersten Schneebälle nach einem.

Was für ein Privileg: Ständig wird hier zuverlässig alle paar Monate das Weltprogramm gewechselt.

Jüngst einen Agentur-Text über die Malediven in die Zeitung gefrickelt. Dazu ein Info-Kasten, „auf den Malediven ist immer Sommer: die Lufttemperatur liegt zwischen 25 und 31, die im Wasser zwischen 27 und 29 Grad.“ Immer Sommer? Wasser immer wärmer als die Badewanne? (Also bei Männern.) Malediven?

Geh mir weg! Ich will warm und kalt und heiß und frostig. Ich will Schnee und Wind und Regen und Sonne und Blätter. Ich will Schnee schnuppern und Blättermatsch fühlen können und ein wenig braun werden und wieder vornehm erblassen können. Ich will das alles.

Und deswegen sind echte, ausgewachsene Jahreszeiten einfach nur geil.

Winter FTW!

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Bonustrack

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Spaß Sport

Auf dem Trampelpfad zum Titel: Die Gleichung

ballnetz 1-9+5•4
÷1-(9+7)÷4
-1•9÷√9+0
= 2⁰•1+4

(So. Hamwa das auch.)

Foto: Electric Eye via Flickr unter CC-Lizenz by-nc

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Der Trampelpfad bis jetzt

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Blog Sprache

Wie heißt eigentlich das gefärbte Vorderhaarteil?

Hair macroReden wir über Frisuren. Die sind im hiesigen Kulturkreis ja gerne mal pickepackebunt, oder, wie man auf Angeberenglisch sagen würde, two toned. Wobei das nicht immer korrekt ist, wie man an der regelmäßig auf den Straßen der Region anzutreffenden „Vorpommerschen Trikolore“ sieht, deren Trägerin sich da gleich der Farben drei auffen Kopp gekloppt hat, die Trennlinien dabei gerne schräg über den Scheitel gezogen, und generell auch immer ein sichtbarer Fan größtmöglicher Kontrastwirkungen.

Vielen Dank übrigens an die Kollegin für die Trikolore (etwas weiter südlich gibt’s offenbar die „Brandenburger Bikolore“), und beim Fachgespräch erfand sie dann gleich noch einen Begriff, den ich ob seiner Kürze und Würze ganz hervorragend finde und gerne verbreiten möchte. Denn wie nennt man es, wenn die Signalfarbe auffällig den Pony der Farbenfrau ziert oder zumindest den allervorderen Teil des Haupthaars? Ich fand ja, es sähe aus, als sei die Dame in einem Anfall von Spontanmüdig-, Trunken- oder vielleicht sogar auch plötzlicher Kraftlosigkeit nach vorne gekippt und kurz in einen zufällig vor ihr postierten Rieseneimer voller Haarfärbefarbe gekippt.

Sie tunkte also ihren vorderen Haarburzel in die Farbe. Und also möchte ich hiermit diese, diese, jene oder auch diese Frisurenvariante feierlich taufen auf den offiziellen Namen: Teutonischer Tunkburzel.

Der Tunkburzel oder kurz TuBu ist häufig in den Kombinationen schwarz-neon anzutreffen, doch auch ein natürliches braun-blond oder ein freundliches wasserstoff-lila erzückt regelmäßig die Sinne von TuBu-Fetischisten. Und ich warte jetzt geduldig auf die ersten Tunkburzel-Vereine, regionalen TuBu-Verbände und natürlich die engagierten Bürgerinititativen namens „ProTubu“ oder „Nieder mit der Tunkburzel-Plage!“. Denn ich finde, diese Tunkburzel-Debatte ist noch lange nicht ausdiskutiert!

Foto: Sabrina S via Flickr unter CC-Lizenz by-nc-nd
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Links

Aufgelesenes vom Herbst/Winter 2013/2014

Aus Gründen hebe ich mir einige Lesezeichen auf. Man weiß ja nie, wozu man die noch mal brauchen könnte.

Halbautomatischer Post von Diigo. Der Rest meiner gespeicherten Links lagert hier.

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Familie Spaß

Spazierendenken mit Luise

Meeressonne

Gerade mal einige Minuten mit der Tochter gehabt. Alleine. Also nicht mal nur alleine von Andermenschen, sondern auch von Tätigkeiten, Erledigungen erledigen und dringende Dringlichkeiten entdringlichen.

Einfach nur mal einige Minuten mit ihr gehabt. Alleine.

Wir sponnen sehr. Dachten uns Dinge aus und lachten danach darüber. Einfach so. Erfanden Geschichten und Charaktere. Waren Drehbuchschreiber, Bestsellerautor, Grübelkomponist und Requisiteure in einem. Gaben dem Fantasie-Affen ganze Zuckerwürfelpaletten. Hatten Spaß, und das nicht zu wenig.

Wir malten uns aus, wie es wohl wäre, wenn sie der Vater wäre und ich die Tochter. (Katastrophe!) Wie es wohl aussähe, schielte ich, und sie würde stottern. (Eher unkorrekt, ich weiß.) Turnten herum und kicherten, wenn doch mal jemand aus der Außenwelt vorbeischlurfte.

Dann, am Abend, erinnerte ich mich an einen jahrealten Blogbeitrag und fand ihn ganz passend. Denn, so schien mir, wir hatten im Prinzip unsere Zeit mit dem Besten verbracht, was es so gibt: Miteinander, und mit Spazierendenken.

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Sport

Auf dem Trampelpfad zum Titel – Miroslav Klose

Germany vs USA | Miro Klose

Foto: Boomcha7 via Flickr unter CC-Lizenz by-nc-nd

Es war ein typischer Klose.

Lazio gegen Inter, Rom hat ganz gute Torchancen, Mailand weniger gute, zehn Minuten vor Schluss steht es 0:0. Angriff Lazio, Roms Stürmer Miroslav Klose lauert auf Höhe des Elfmeterpunkts etwa zwei Meter schräg hinter seinem Gegenspieler. Eine Flanke betritt von rechts den Strafraum. Schon als der Flankende zum Schusse anhob, startete die Miro-Maschine: Blick nur noch zum Ball, Körperschwerpunkt tiefergelegt, sieben schnelle Sprintschritte. Mit dem vierten war er am Gegenspieler vorbei, dessen – nur allzu verständlicher – Fehler es gewesen war, sich im Strafraum gleich zwei Mal zu Klose umzudrehen. Wo steckt Klose? Was macht Klose? Beim zweiten Umdrehen verpasste er den Vorspann zur Flanke; und als er sie registrierte, war es schon zu spät: Klose war längst vor ihm, hielt den rechten Fuß hin und schoss Lazio zum verdienten Sieg.

In einem Interview hatte Miroslav Klose mal gesagt, dass er durchaus „ein ziemlich dickköpfiges Bambi“ sein kann. Das ist keine schlechte Näherung an den Toreschießer der Nation. Scheu wie ein Jungreh, wenn es darum geht, große Worte und Reden zu schwingen oder totalarschlochig zum Erfolg zu kommen, dafür stur wie ein echter Pommernbursche, wenn der Ball ins Tor muss. Das klassische Beispiel dafür ist für mich das 1:0 im WM-Achtelfinale 2010 gegen England, als sie ihm wahrscheinlich noch drei weitere Briten ans Bein hätten binden können – Klose hat das Tor gewollt, Klose hätte das Tor gemacht.

Wenn die Nationalmannschaft am 16. Juni gegen Portugal in die WM startet, wird Miroslav Klose gerade 36 Jahre alt geworden sein. Seit 13 Jahren ist er bereits Miro Nationale. Und so Kloses Körper denn mitspielt, dürfte er sich an diesem Tag auch in der Arena Fonte Nova in Salvador aufhalten. Ob in der Startelf oder auf der Ersatzbank: Dieser Stürmer ist für die DFB-Elf unverzichtbar. Denn es gibt viele großartige deutsche Angreifer, aber nur noch wenige Weltklasse-Stürmer. Das ist Miro Klose zwar auch nicht mehr, aber er hat noch so seine Momente – wie diese 81. Minute gegen Inter Mailand. Und auf genau diese Momente sollte Joachim Löw nicht verzichten wollen.

Ja, ich kann Miroslav Klose auch sonst ganz gut leiden. Er salbadert nicht umher, arbeitet für seine Mannschaft, hat ein fantastisches Kopfballspiel. Er scheut keinen Zweikampf, besitzt einen tollen Blick für den richtigen Pass, gibt nie auf. Er hätte die WM-Rekorde verdient (noch zwei Tore, noch sieben Spiele), er hat Zwillinge, er ist ein Zimmermann. Doch selbst, wenn er das alles nicht wäre und hätte: Wenn Deutschland im Viertelfinale in der 70. Minute 0:2 zurückliegt, ginge es mir mit einer Klose-Einwechslung gleich viel besser.

Es wird, wenn er denn teilnimmt, die letzte Weltmeisterschaft für Miroslav Klose werden. Es werden schon vor dem ersten Anpfiff zu Recht große Porträts über ihn geschrieben und gesendet werden. Wie allen deutschen Fußballern dieses Jahrhunderts fehlt ihm noch ein Titel, nur wenigen anderen würde ich den mehr gönnen. Doch selbst wenn das nicht klappt: Den einen, finalen Salto muss Miroslav Klose dann doch noch schlagen.

ps: Miroslav Klose sagt: „Ich will keinen Freifahrtschein. Und der Bundestrainer wird auch keinem Spieler einen Freifahrtschein geben. Man muss sich alles selbst erarbeiten wie so viele andere Dinge im Leben.“

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Auf dem Trampelpfad zum Titel:
Carta non grata
Per Mertesacker
Auskatern in Solna

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Blog Netz sl.

Demut

Neubrandenburg von oben

Das gerade frisch entpackte Jahr beginnt hier mit einer kleinen Chronisterei: Einfach mal aufschreiben, was woanders auch schon aufgeschrieben wurde. In einigen Blogs wurde über Demut nachgedacht, und das will ich gerne mal zusammenfassen.

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Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach beginnt das Ganze in seinem Blog „Haltungsturnen“ mit dem Satz „Kinder und Pferde machen demütig.“ Das kann ich zur Hälfte bestätigen. Ebenso kenne ich das Gefühl der Demut, wenn das Leben seine „wilde, unbändige Seite“ zeigt und einen mal ordentlich zurechtpustet. Und das Schlusszitat eines Schweizer Theologen ist ein gar feiner Start in ein neues Jahr, finde ich:

Die einzig mögliche Antwort auf die wirklich gewonnene Einsicht in die Vergeblichkeit alles menschlichen Werkes ist, sich frisch an die Arbeit zu machen.

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Felix Schwenzel mag schon das Wort „Demut“, schreibt er auf wirres.net. Und zwar Demut im Sinne von Bescheidenheit, weniger von Unterwürfigkeit oder Understatement. Sich also nicht klein machen, sondern eben nur klar damit kommen, dass man nicht unfehlbar ist. Diese Demut zu lernen sieht er als erwachsen werden, „die meisten Kinder sind unerträgliche Klugscheißer“, die eben noch nicht wissen können, dass sie oder ihre Götter und Helden wie alle anderen falsch liegen können. Das sehe ich etwas anders. Ich glaube, die meisten Kinder sind eher respektlos, sie haben kein Respekt vor nichts und niemandem, der oder das den Respekt nicht verdient hat. Demut ist für mich dagegen nichts, was ich bei anderen hundertprozentig feststellen oder vermissen kann, sie ist ungleich stiller.

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Benjamin Birkenhake fährt auf „Anmut und Demut“ fort: „Man kann nicht demütig sein und zugleich ein KZ führen. Sie ist eine der Tugenden, die uns vor der Barbarei bewahrt.“ Für ihn ist Demut deshalb eine Primärtugend und eine ewige Warnung und Mahnung: Komm’ ab und zu wieder auf den Boden, sonst wird es mal eine Schlechtes mit dir werden! Und ganz besonders gefällt mir der zeitgeistige Aspekt in seiner Annäherung. Wir haben doch schon alles, was für unser Glück brauchen, lasst uns doch mal Genügsamkeit als Tugend und nicht als Schwäche ansehen. Lasst uns doch mit dem bereits Vorhandenem Neues, Besseres kreieren, anstatt nach Mehr zu streben, dass zwar mehr ist, aber mitnichten besser, sondern eben nur: mehr. Und das klingt nur konservativ, ist aber eher subtile Gesellschaftskritik:

Die Demut ist mir eine Absage, an ein Mehr, das in der Zukunft liegt. Die Demut weißt mehr Gehalt, mehr Einfluss, mehr Klicks, mehr Schulterklopfen zurück und sagt beständig: Du hast schon alles, was Du brauchst, um glücklich zu werden. Die Demut richtet sich damit aktiv gegen Macht, Ruhm und Konsum.

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Daniel Brockmeier unterzieht die drei Beiträge auf seinem Blog „Privatsprache“ einer philosophischen Analyse und wechselt am Ende mal ein wenig die Perspektive (oder eben „Perspektiefe“, so wie er seine Blog-Kategorie nennt). Die Demut ist nicht so seins, „weil Demut Unterwürfigkeit zumindest konnotiert.“ Skepsis, Zweifel, Altruismus, Genügsamkeit, Bescheidenheit – das ja, aber Demut: nein. Das geht ihm zu etwas zu weit, schreibt er und zitiert Nietzsche, der das demütige Christentum „Sklavenmoral“ nannte. Demut sei immer nur gut und wichtig, wenn sie richtig eingesetzt wird. Ich finde das einen wichtigen Einwurf, den auch die größten Demut-Fans nicht vergessen sollten: Sich nicht in einer Haltung – und sei sie noch so verlockend universal einsetzbar – komplett ergehen, sondern wach bleiben, beweglich, immer auf der Suche nach dem einen Moment, an dem es für einen selbst oder für andere, einem nahe Menschen nicht mehr funktioniert.

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Dann noch eine Replik von Benjamin Birkenhake, der einiges nochmal ausdifferenziert und vor allem deutlich macht:

Viertens halte ich die Demut (wie alle andere Tugenden) ja nicht für eine Supertugend, auf deren Urteil allein man sich verlassen kann und sollte. Moralischer Fortschritt scheint mir dann am effizientesten, wenn die Demut Begleitung von aktiveren Tugenden hat (wie der Anmut zum Beispiel, hehe).

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Jawoll, eine Tugend kommt eben selten allein. Aber ich finde, wenn man gerade eine Wette verloren hat oder noch nach frischen Vorsätzen sucht oder generell mal eine frische Denkrichtung einschlagen möchte oder einfach nur auf Gedankenexperimente steht, der liegt mit mit einer kräftigen, gesunden Demut schon mal gar nicht verkehrt.

Sie mutet ein bisschen wie eine hipsterige Erste-Welt-Tugend an, etwas für Leute, die offenbar keine ernsteren Probleme haben. Aber das ist es nicht. Es ist auch kein Good-Feel-Baustein aus einem dieser Lebenshilfe-Ratgeber-Bestseller-Bücher, hey, mal ’me Prise Demut, dann wird das schon wieder, Kopf hoch!

Ich sehe Demut eher als eine Leitplanke, die – nicht immer, aber eben an den neuralgischen Lebensunfallpunkten – den Weg nicht einengt, aber begrenzt; die falsche Energie absorbiert und einen sanft wieder auf die Straße bringt, auf dass man nicht auf dem freien Feld landet und versumpft. Manchmal ist so ’ne Leitplanke arg uncool, weil es trocken ist und hell und man die 70er-Kurve locker mit 110 nehmen kann. Doch wenn es stürmt und schneit und es stickeduster ist, und man war noch nie in dieser Gegend und übertreibt es dann aber doch ein wenig mit der Geschwindigkeit – dann weiß man sie zu schätzen.