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Die Tasse Kaffee am Morgen

Coffee Bubbles

foto:picturezealot mit cc-lizenz

Es ist die erste halbwegs bewusste Aktion nach dem Aufstehen. Als Frühstücksabschnittsbevollmächtigter genieße ich das Privileg, die Kinderankleidefront flink umkurven zu dürfen, die hungrig miauende Katze noch kurz ignorieren zu können. Noch vor dem Radio widme ich mich halbautomatisch dem Wasserkocher, füllen, platzieren, Kippschalter, klick!

Mit dem Wasser erwärmt sich auch die Vorfreude.

Zwei Pötte gegriffen, Milchkanne auf, anderthalb Dingens Kaffeepulver in den einen, anderthalb in den anderen Pott. (Das korrekte Wort lautet Kaffeemaßlöffel, es wurde vermutlich von Loriot erfunden.) Wie die Katze auf das Klackern am Plastenapf reagiert mein Körper auf das Sprudeln im Wasserkocher mit erhöhter Aufmerksamkeit.

Es ist nun bald soweit.

Das Frühstück ist fast fertig, vereinzelt lugen halbbekleidete Kinder um die Ecke, das nun kochende Wasser darf sich beruhigen – aber nur kurz: ein Schwall hier, ein Schwall dort. Dort etwas weniger, sie braucht schließlich noch Platz für ein bisschen Milch. Soll sie kriegen, ihr täglicher Kampf mit den Konfektionsgrößen muss anständig belohnt werden.

Und das heiße Wasser bittet den Kaffee zum Tanz.

Etwa eine Minute vor dem ersten Schluck rühre ich noch einmal kurz um, kein Quant Aroma soll verschenkt sein. Sie hat ihren meist schon zur Hälfte geleert, die Kinder plappern, die Katze futtert entspannt – und es ist soweit: der erste Schluck. Schwarzer, starker Kaffee, in der Großtasse aufgebrüht; mehr nicht. Keine Milch, kein Zucker, keine Filter, keine Crema. Der erste Wachmachermoment des Tages.

Und wenn die ersten Krümel kommen, ist er schon vorbei.

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Familie Musik sl.

Zur Konferenz in Rostock – Das Mixtape für den Sommerurlaub 2011

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foto:cassettes

Seit einigen Jahren frickele ich für den Sommerurlaub einen bunten Strauß luftiger Melodeien zu einem halbamtlichen Familien-Mixtape zusammen. Das kann man schnell haben – ab in den Musikmarkt, Doppel-CD kaufen, fertig –, das kann man aber auch selbst machen.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Denn so ein Mixtape für die ganze Familie ist eine Art eierlegende Wollmilchsau. Es muss alles können, darf aber nicht zu überladen sein. Schließlich ist Urlaub, niemand soll verärgert werden, aber alle wollen im Auto gute Musik hören. Und deshalb gibt es – schließlich sind wir in Deutschland – einige Richtlinien:

  1. Pflicht sind ein paar fröhliche Kinderlieder zu Beginn. Gibt es die nicht, lautete die Quittung: „Ooaaah, nicht schon wieder die blöde Erwachsenenmusik!“ Und der kleine König rockt!
  2. Immer mal wieder eine deutschsprachige Musik-Insel einstreuen; ich wäre ja auch sauer, hörte ich andauernd Musik mit Texten, die ich nicht verstehe. Wobei, „verstehen“ und „Grönemeyer“ ist dann auch schon wieder ein Thema für sich.
  3. Nur in Ausnahmefällen die Fünf-Minuten-Schallgrenze für einen Song überschreiten. Gefällt mal einer nicht, dauert’s dann wenigstens nicht lange bis zum nächsten. „Stand up“ von The Prodigy (5:30) ist jedoch allerdings eine prima Ausnahme.
  4. Mit dem ggN anfangen, mit dem kgV enden. Der größte gemeinsame Nenner, „die Sicheren“, für die schwierige Anfangshalbestunde, das kleinste gemeinsame Vielfache, „die Speziellen“, fürs Ende. In diesem Fall heißt das: Von The Killers bis hin zu IFA Wartburg.
  5. Der eigene Musikgeschmack darf nicht gänzlich aufgegeben, jedoch auch nicht zum einzigen Gradmesser der Kompilation werden. Soll heißen: Skratch Bastid musste unbedingt mit rein, James Blunt leider auch.
  6. Wichtig sind die Übergänge. Von Nena zu Muse in fünf Schritten. Von Peter Fox zu Ella Fitzgerald in vier. Bei allzu harschen Brüchen empfiehlt sich ein Instrumental als Brücke zu benutzen.
  7. Oldies gehen immer. Reggae geht immer. Gerhard Schöne geht immer. Allzu viele laute Gitarren und übermäßige Technoidität gehen gar nicht. Tja, das Leben ist kein Pfannekuchen.
  8. Kommen Wasser, Meer, Strand, Sommer, Hitze, Ozean, Sonne, Liebe, Urlaub oder ähnliche Vokabel im Songtitel vor, ist das zwar großartig, aber beileibe kein Dogma.
  9. Depeche Mode ist ein Muss. Da die Auswahl sommerlich-leichter DM-Songs endlich ist, sprang dieses Jahr Johnny Cash mit seiner altersverknarzten Akustik-Version von „Personal Jesus“ ein. Ich finde, das ist eine würdige Vertretung.
  10. Das Tape funktioniert, wenn sie die Musik lauter macht. Von allein und freiwillig.

So. Dann mal Futter bei die Fische und die Hosen runter: 98 Tracks, fünfeinhalb Stunden Sommermusik.

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Whenever I’m alone with you

Danke für einen schönen Ausflug ans Meer.

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Tschüss, Platte!

sechs Etagen PlatteIn guten Zeiten habe ich es in 20 Sekunden geschafft. Mittlerweile ist die Erdanziehungskraft eine unheilvolle Allianz mit dem gemeinen Muskelschwund eingegangen, und es braucht eine gute halbe Minute, bis ich oben bin. Zwei Stufen auf einmal, zwei Laufschritte um die Kurve, nächste Etage. Dann, in der Sechsten angekommen, flink geklopft und schließlich japsend das anerkennende Erstaunen der Öffnenden eingesammelt. Die Belohnung: Bei klarer Luft ein 15-Kilometer-Blick über die Stadt hinweg gen Norden. Nicht viel anders dürfte sich ein König beim Blick von der Burg herab auf seine Ländereien gefühlt haben.

Also rein vom Blickwinkel her.

Nun war es also soweit, zum letzten Mal in die Platte zurück, die Mutter, sie zieht aus. Endlich. Nicht, weil es – wie in anderen, größeren Plattenbaugebieten – atmosphärisch ungemütlicher geworden war, nein, der Lindenberg mit seinen drei Straßenzügen und dem Wald nebenan und dem See nicht weit weg war und ist eine recht gemütliche Platte. Aber in einem gewissen Alter verschieben sich die Wohnprioritäten eben von Ausblick unmissverständlich in Richtung Treppensteigenvermeiden. Und nach mehr als drei Jahrzehnten hatte sie alle Panoramen dann auch schon mal durchgesehen.

... aber dieser Ausblick

Immerhin würde die mehrmalige Bewältigung der 88 Stufen am Tag für feuchte Träume bei jedem anständigen Herz-Kreislauf-Arzt sorgen. Beim Umzug produzierten sie allerdings diverse Wadenmuskelverhärtungen und etwa 3,7 Liter Extra-Schweiß. Und, man kann es nicht oft genug raten: Bücher in kleine Kisten, Wattebäusche in große. Nicht umgekehrt. Zweimal haben wir den Sprinter vollgestopft, dann waren die dreieinhalb Zimmer geleert, das Kellerverlies geräumt und der Sperrmüll zu einem ordentlichen Haufen platziert.

treppenflurIn der Erinnerung vermischt sich der Duft von frisch gewischten Steintreppen mit den dumpfen Geräuschen der Wohnungen unter und neben und schräg unter uns. Der nur halbhoch berandete Balkon in knapp 20 Metern Höhe hat wohl ebenso meine recht passable Schwindelfreiheit zu verantworten wie der ordentliche Wandbetonhärtegrad eine gewisse Improvisationskunst beim Löcherbohren. Hinter der Platte fanden sie statt, damals®, die Freiluftfußballturniere inmitten der Wäschetrocknerstangen-Ersatztore. Von der Wohnungstür bis zur Schulbus-Haltestelle brauchte ich eine Minute, es reichte also, dass ich dann Schuhe zu schnüren begann, wenn der Schlenki hinten vom Tannenkrug kommend auf den Lindenberg einbog.

Schrieb ich schon, dass der Ausblick ganz nett war?

Plattenparkplatz

kinderzimmerDas erste Silvester, dass ich mit einem Mädchen alleine feierte, klemmten wir wie zwei Spanner-Rentner am Kinderzimmer-Fenster und glotzten und tranken und knutschten und wollten dort und nur dort sein. Heute knutschen wir immer noch zu Silvester, aber ich würde mir kein Dreimeter-New-York-Poster mehr neben mein Bett mehr tapezieren, obschon der Kontrast zwischen Brooklyn-Bridge und zehn Kinderzimmer-Quadratmetern in der Mecklenburger Provinz nach wie vor gefällt. Und das Ding spielte sogar mal in einem Film mit: Im Zimmer von Meret Becker in „Liebe Lügen„. Echt!

LP's + NähzeugAber Nostalgie trägt einem das Lübzer Lemon auch nicht nach oben, und so wurde es nun Zeit. Die alte Schülergaststätte gegenüber liegt mittlerweile auch in Trümmern, Siebengeschosser mit Eigentumswohnungen sollen dort mal stehen, wo vor 25 Jahren eine kleine Eisdiele einem proppenvollen Stadtviertel die Sommernachmittage versüßte. Heute ist es zu ruhig auf dem Lindenberg, aber vermutlich werden die neuen Wohnungen mit genau diesem Argument demnächst angepriesen werden. Ab und an sichtet man eine junge Familie, und allein der Umstand, dass sie einem auffällt, der beschreibt schon alles.

Die Mutter wohnt jetzt ebenerdig, mit ein wenig Mutterboden (konnte nicht widerstehen) hinter der Terrasse und ohne Durchreiche zwischen Stube und Küche; ein Verlust, den die jüngste Enkelin erst mal verkraften musste. Sowas hat schließlich nicht jeder, heute. Was hingegen noch sehr viele haben, ist eine astreine Plattenbau-Wohn-Sozialisation. Und wenn man dieses Schlagwort mal gründlich durchgoogelt, kann man ahnen, dass es sehr viel Klischee beinhaltet, aber eben auch nicht nichts bedeutet. Im besten Fall kann man launig darüber in seinem Blog schwadronieren, im schlimmsten wird es als küchenpsychologisches Argument für oder gegen irgendetwas aus dem Ärmel geschüttelt, wenn einem sonst weiter nichts mehr einfällt.

Wie auch immer dem sei: Tschüss, Platte.

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sl. Sport

Tippspiel zur EM 1988

em88plankl

Bei der EM 1984 durfte ich mal ausnahmsweise den Anpfiff sehen, bei der EM 1992 waren andere Dinge auf Priorität 1 gesetzt, später dann war ich auf einmal erwachsen. So richtig angefixt mit dem Thema Fußballgroßturniere wurde ich hingegen mit der WM 1986 in Mexiko und aber vor allem mit der Europameisterschaft 1988, die passenderweise im Bruderstaate Westdeuschland stattfand.

Das betrifft ja vor allem die Vorbereitung solch eines Ereignisses: Fachliteratur studieren, Austausch mit Experten, praktische Anwendung des eigenen Wissens. In meinem Fall hieß das Sportberichte in der Jungen Welt lesen, in der Schule um den Titel „Wer kann unbekannte Fußballer am ausländischsten aussprechen“ wetteifern und – jawoll, Ergebnisse tippen. Das Internet schlummerte noch irgendwo im kapitalistischen Ausland, Arbeitskollegen besaß ich noch nicht, also musste Vaddern als Tippgegner herhalten.

Flugs eine A4-Tabelle erstellt, schön ordentlich mit Lineal, dann alles eingetragen, und schließlich einen dreiviertel Tag lang (those were the days …) über das vermeintlich einzig richtige Spielendergebnis gegrübelt. Ohne Erfolg, mein größter Erfolg bestand darin, das Finale in der Tendenz richtig und nur um ein Tor daneben getippt zu haben. Ich weiß noch, wie ich mit fortschreitendem Turnier immer missmutiger ob der offensichtlichen Fußballunkundigkeit wurde.

Sehr innovativ übrigens das ausgeklügelte pekuniäre System: 30 Pfennig minus für ein Tor Unterschied, 50 Pfennig minus für eine Tendenz Unterschied, plus 1 Mark für einen richtigen Tipp. Am Ende hatte ich vier Mark mehr Miese und musste Papa ein Bier ausgeben. Außerdem bemerkenswert: Auch in Ostdeutschland gab es bereits rege genutzte vierfarbige Kugelschreiber, ich hatte die BRD schon im Finale gesehen, und früher war alles besser außer meiner Handschrift.