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Krankenkasse Barmer GEK erhöht für 2016 die Beiträge von 15,5 auf 15,7 Prozent

Wie viele andere Menschen habe ich heute Post von der Barmer bekommen. Darin hätten lediglich dreizehn Wörter stehen müssen, nämlich jene aus der Überschrift. Was habe ich bekommen? Zwei A4-Seiten voll, nebst Info-Broschüre. Aber warum schreibt die Barmer mir? Weil sie nächstes Jahr die Beiträge erhöhen. Und was steht in dem Brief?

Kaum ein Wort davon.

Sehr geehrter Herr Langer, wenn Sie Wert auf einen umfangreichen Versicherungsschutz und kompetente Beratung legen, sind Sie bei der BARMER GEK genau richtig.

Das geht noch einige Zeilen so weiter. Dann wird’s langsam interessant:

Vor dem Hintergrund der steigenden Kosten im Gesundheitswesen müssen die Beitragseinnahmen jedoch an die Ausgabenentwicklung angepasst werden.

Okay, sie kommen also zum Punkt. Sagt mir die Zahl und gut is, demografischer Wandel, immer mehr Alte, man liest das ja dauernd.

Mit Beginn des neuen Jahres wird es einen neuen Beitrag geben.

Oha. Spannung!

Die gute Nachricht vorab: Auch in 2016 wird der individuelle Zusatzbeitragssatz der Barmer exakt dem des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen.

Mann, ja doch! Der neue Beitrag?

… und wird insgesamt bei 15,7 Prozent liegen.

Aha. Und nun? Ist das weniger als vorher oder mehr? Und wie viel weniger oder mehr Beitrag muss ich zahlen? Das steht da nicht, das muss ich mir zusammengugeln.

Liebe Barmer, ich fühle mich von diesem Brief latent veralbert. Ich muss mich durch drei Absätze Reklame kämpfen, um den Grund des Anschreibens zu erfahren. Und selbst dann steht da nicht genau, was passiert. Für weniger geduldige Zeitgenossen habe ich das ganze mal übersetzt:

Hallo Herr Langer, wir haben eine kleine, eher schlechte Nachricht, haben aber nur ein durchschnittliches Selbstbewusstsein und deshalb eine wahnsinnige Angst davor, dass wir Sie als Kunden verärgern oder gar verlieren. Deshalb versuchen wir in diesem Brief, diese kleine, eher schlechte Nachricht so gut es nur geht in PR-Watte zu packen. Sie sind doch geistig nur so mittelfrisch und kriegen das bestimmt gar nicht mit. Und wenn wir die Beiträge „verändern“ und Ihnen schreiben, dass alles gut ist und wir eine Top-Krankenkasse sind, dann glauben Sie das und alle haben gewonnen. Dann hauen wir noch ein bisschen Werbeblöcke dazu, und sie vergessen die doofe Erhöhung ganz schnell und können weiter dösen. Deal?

Mann, Barmer! Eure Erhöhung liegt im unteren Mittelfeld, das ganze kostet mich kein Vermögen. Bisher lief alles glatt zwischen uns, nie ein Problem. Aber dieser Brief, dieses jämmerliche Um-den-Brei-herumreden, dieses verschleiern, vernebeln, vertuschen einer einfachen Wahrheit: Beitrag höher, vorher 15,5, jetzt 15,7 Prozent, macht für sie x Euro im Jahr – das ist Kacke. Denn viel schlimmer als eine Krankenkasse, die halbwegs – so gut kenne ich mich da nicht aus – plausibel wirtschaftet, ist für mich eine Krankenkasse, die mir einen Brief schreibt, in dem übersetzt drin steht: Ey du, Kunde! Weisste was? Ich halte dich vor allem für strunzdumm.

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Welche Vereine in MV Bußgelder aus der Justiz bekommen (neu mit Update)

Update: Die Leiterin der Kreismusikschule Uecker-Randow hat sich gemeldet. Sie hat keine Kenntnis über eine Zuwendung vom Gericht in der außergewöhnlichen Höhe von über 150.000 Euro. Diese Angabe des OLG Rostock in der Liste des Jahres 2010/2011 ist demnach falsch.

Update 2: Die Schweriner haben aufgelistet, welche Vereine aus, na klar: Schwerin mit Gerichtsspenden bedacht worden sind.

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Mehr als 1100 Mal haben Gerichte und Staatsanwaltschaften in den Jahren 2010 bis 2013 in Mecklenburg-Vorpommern Bußgelder verteilt. Denn wenn von der Strafverfolgung aus bestimmten Gründen abgesehen wird, kann dem Beschuldigten laut Strafprozessordnung die Auflage erteilt werden, „einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen“. In MV wurden dabei Gelder in Höhe von mindestens rund zwei Millionen Euro an knapp 700 Vereine ausgereicht.

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Foto: NicosFotos via Flickr unter CC-Lizenz by

Das belegen Zahlen, die das „erste gemeinnützige Recherchebüro Deutschlands“ Correctiv gesammelt hat. In einer durchsuchbaren Datenbank listet Correctiv alle in Deutschland derzeit verfügbaren Bußgelder auf, die Richter und Staatsanwälte verteilt haben. Das Pikante daran: Die Vergabe wird kaum kontrolliert. In einem besonders krassen Fall in Bayern hat sich gezeigt, dass zwischen Gericht und einem archäologischen Verein einer Ex-Richterin ordentlich gemauschelt wurde.

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Die Aufstellungen für Mecklenburg-Vorpommern zeigen, wie sich die Bußgeldvergaben auf die einzelnen Gerichte und Staatsanwaltschaften im Land verteilen (Zahlen sind gerundet):

Staatsanwaltschaft Rostock (2013) 220.000 €
Staatsanwaltschaft Neubrandenburg (2013) 200.000 €
Staatsanwaltschaft Stralsund (2013) 120.000 €
Staatsanwaltschaft Schwerin (2012) 61.000 €
Oberlandesgericht Rostock (2010/11) 645.000 €
Oberlandesgericht Rostock (2012) 340.000 €
Oberlandesgericht Rostock (2013) geschätzt 425.000 €

Die Rostocker Staatsanwaltschaft (Excel-Liste) hat die Summe laut Aufstellung komplett an die Landeszentralkasse gegeben. Einmal hat’s gleich ganz ordentlich gescheppert, als 200.000 Euro mit einem Mal überwiesen wurden. Wer der glückliche Empfänger war, ist nicht zu ersehen.

In Neubrandenburg (PDF-Liste) wurden für gemeinnützige Vereine Summen von 50 Euro (für den Verein Freunde der Oberlinschule Potsdam) über die Neubrandenburger Stadtfanfaren oder den Dreikönigsverein bis hin zu knapp 15.000 Euro für die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft ausgegeben. Die Hälfte der Summe ging an die Staatskasse.

Die Staatsanwaltschaft in Stralsund (Excel-Liste) hat maximal 5550 Euro verteilt, die Empfänger reichen vom 1. Volleyballclub Stralsund bis zur Wolgaster Tafel.

Die Schweriner Staatsanwaltschaft (Excel-Liste) kam beim Geldverteilen selten mal über 2000 Euro hinaus. Dafür hat sie – bedenkt man das ursprüngliche Ziel der Verbrechensvorbeugung – manchmal genau die richtigen Vereine bedacht: Rote Nasen e.V., Sisyphus e.V., den Kampfkunstverein „Dojo Ronin“ oder auch den Polizeichor Schwerin.

Der größten Bußgeld-Batzen floss jedoch vom Oberlandesgericht Rostock (Excel-Listen für die Jahre 2010/2011, 2012 und 2013 (Datei korrupt?)). Ungefähr 1,4 Millionen Euro wurden hier innerhalb von vier Jahren verteilt.

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Besonders die Liste 2010/2011 des OLG Rostock ist ziemlich interessant. Es tauchen wieder einige bemerkenswerte Empfängervereine auf. So bekam der Neustrelitzer Tierschutzverein Mohrchen e.V., vermutlich eher kein großer Hort der Kriminalitätsprävention, mit knapp 13.000 Euro eine relativ große Summe. Der Rostocker „Verein für Neue Musik MV“ durfte sich über 14.000 Euro freuen. Mit rund 17.000 Euro ging eine größere Summe auch an den Handballverein Peenetal Loitz, der auch 2012 mehr als 14.000 Euro überwiesen bekam.

Der Greifswalder „Verein zur Unterstützung krebskranker Kinder“ durfte sich mit knapp 20.000 Euro über die von Gerichten des Landes in beiden Jahren größte ausgeteilte Gesamtsumme freuen. Obwohl … Moment: Ganz unten auf der Liste der verteilten Bußgelder 2010/2011 findet sich ein Verein mit einer vergleichsweise exorbitanten Zuwendung. Der Förderverein der Kreismusikschule Uecker-Randow in Ueckermünde hat vom Landgericht Neubrandenburg sage und schreibe 167.235 Euro bekommen. Die Zahl resultiert aber offenbar aus einer falschen Angabe seitens des Gerichts (siehe Update am Textanfang).

Bekommen haben 2010/11 übrigens 236 Vereine etwas, mehr als 1000 der auf der Liste des OLG Rostock erfassten Vereine gingen leer aus. Ganz interessant ist auch die Verteilung des Geldes auf die einzelnen Bereiche, in denen die Vereine gemeinnützig tätig sind.

Die wenigsten Vereine, die wenigsten Spenden und die geringsten Spendensummen entfielen auf die Bereiche „Straffälligen- und Bewährungshilfe“ und „Hilfe für Suchtgefährdete“ sowie „Alten- und Hinterbliebenenhilfe“. Diesen Bereichen werden 52 Vereine auf der Liste zugeordnet, 13 von ihnen haben eine Zuwendung von insgesamt 12.290 Euro bekommen.

Die meisten Vereine, die meisten Spenden mit der insgesamt höchsten Spendensumme gingen an die Bereiche „Allgemeine Jugendhilfe“, „Allgemeines Sozialwesen“ und an „Sonstiges“, also alle Vereine, die keinem der anderen acht Bereiche zugeordnet werden können. Hier flossen an 177 Vereine insgesamt 514.085 Euro, mehr als 1000 Vereine aus diesen drei Bereichen stehen auf der Liste des OLG Rostock.

Zugespitzt heißt das, dass Richter in MV lieber der in Bonn ansässigen „Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ 5500 Euro zuteilen, als den läppischen ausgegebenen 5 Euro für die Musikschule Altentreptow/Demmin mal lieber eine oder zwei Nullen anzuhängen. 2200 Euro gehen an die „Historische Kommission für Pommern“, die „Freunde und Förderer des Deutsch-Polnischen Gymnasiums“ in Löcknitz bekommen dagegen nur einen Bruchteil dieser Summe. Und dass die Kirche in Bad Doberan auch einen ordentlichen vierstelligen Betrag überwiesen bekam, lässt sich vielleicht gerade noch damit erklären, dass „Bußgeld“ ja fast so ähnlich klingt wie „Büßergeld“.

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Fakt ist, dass Staatsanwälte bei der Verteilung der Bußgelder, so schreibt es Correctiv in seinem Bericht, an „Richtlinien für das Bußgeldverfahren“ gebunden. Richter dagegen seien nicht weisungsgebunden und könnten relativ frei entscheiden, in welche Richtung das Geld fließt. Das Recherchebüro traut diesem System allerdings nicht mehr über den Weg. Es fordert eine Reform der gängigen Praxis:

Das undurchsichtige System der Bußgeldverteilung in Deutschland muss beendet werden. Richter und Staatsanwälte sollen nicht mehr willkürlich entscheiden dürfen, welcher Verein Geld bekommt. Stattdessen sollten alle Bußgelder und Gelder aus Verfahrenseinstellungen direkt in die Staatskassen der Bundesländer fließen. Dort entscheiden Parlamente in einem erprobten und demokratisch legitimiertem System über die Verwendung der Mittel.