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„Ich betreibe die Seite www…“ – „Jaja, weiß ich schon.“

tl;dr: In der Datei „Gewalttäter Sport“ steckt jede Menge Excel. Aktuell steht sie auf dem Prüfstand.

Karteikarten Otlet

Familienname, Vornamen, Geburtsnamen, sonstige Namen wie Spitznamen, andere Namensschreibweisen, andere Personalien wie Alias-Personalien, Familienstand, akademischer Grad, erlernter Beruf, ausgeübte Tätigkeit, Schulabschluss, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort einschließlich Kreis, Geburtsstaat, Geburtsregion, Volkszugehörigkeit, aktuelle Staatsangehörigkeit und frühere Staatsangehörigkeiten, gegenwärtiger Aufenthaltsort und frühere Aufenthaltsorte, Wohnanschrift sowie Sterbedatum.

Diese Daten können seit 1994 – und seit 2010 rechtsmäßig – von Verdächtigen und Beschuldigten in der Datei „Gewalttäter Sport“ gespeichert werden.

Unter anderem. Als da nämlich noch wären:

Lichtbilder, Gestalt, Größe, Gewicht, scheinbares Alter, äußere Erscheinung, Schuhgröße, besondere körperliche Merkmale, verwendete Sprachen, Stimm- und Sprachmerkmale wie eine Mundart, verfasste Texte, Handschriften und Angaben zu Identitätsdokumenten wie Personalausweis, Reisepass und andere die Identitätsfeststellung fördernde Urkunden (Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunde).

Niemand wird informiert, ob sie oder er in der Datei gespeichert ist. Eine automatische Löschung erfolgt nach fünf Jahren.

In dem Eintrag kann übrigens noch mehr drinstehen:

Angaben zum Aufenthaltsstatus und Aufenthaltsanlass, zu vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten wie Sprachkenntnisse, Fertigkeiten in der Herstellung oder im Umgang mit Sprengstoffen und Waffen, zu verwendeten Kommunikationsmitteln wie Telefon (Festnetzanschluss oder Mobiltelefon), Telefax, E-Mail-Adresse, vom Beschuldigten betriebene Internetadresse, statische Internetprotokolladresse, dynamische Internetprotokolladresse und zugehöriger Zeitstempel sowie Diensteanbieter.

Aktuell läuft ein Antrag der Grünen, die Datei mal gründlich zu entmisten und die Löschfristen deutlich zu verkürzen.

Und was darf noch alles gespeichert werden?

Angaben zu verwendeten Fahrzeugen und sonstigen Verkehrsmitteln wie Luftfahrzeuge, Wasserfahrzeuge, einschließlich der Registrierdaten zur Identifizierung dieser Verkehrsmittel, zu Identitätsdokumenten und anderen Urkunden, die im Zusammenhang mit einer Straftat stehen und der betroffenen Person zuzurechnen sind, wie die Nummer der Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II eines Kraftfahrzeugs, zu Konten, Finanztransaktionen, Zahlungsmitteln, zu Vermögenswerten, zu Sachen, die Gegenstand oder Mittel der Straftat waren, wie Waffen, Betäubungsmittel, Falschgeld, Publikationen.

Das ist ’ne Menge Excel. Laut Regierung wird die Datei derzeit evaluiert, „um herauszufinden, was zu verbessern ist“.Außerdem gespeichert werden können noch folgende Daten:

„Personengebundene Hinweise, die dem Schutz des Betroffenen dienen wie „Freitodgefahr“ oder die der Eigensicherung der ermittelnden Bediensteten dienen wie „bewaffnet“, „gewalttätig“, „Explosivstoffgefahr“, die der Ermittlungsunterstützung dienen wie „Sexualstraftäter“, „Straftäter politisch links motiviert“ oder „Straftäter politisch rechts motiviert“.“

(Quelle der möglichen zu erfassenden Daten: BKA-Daten-Verordnung)

Zuerst erschienen auf Du gehst niemals allein

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Welche Vereine in MV Bußgelder aus der Justiz bekommen (neu mit Update)

Update: Die Leiterin der Kreismusikschule Uecker-Randow hat sich gemeldet. Sie hat keine Kenntnis über eine Zuwendung vom Gericht in der außergewöhnlichen Höhe von über 150.000 Euro. Diese Angabe des OLG Rostock in der Liste des Jahres 2010/2011 ist demnach falsch.

Update 2: Die Schweriner haben aufgelistet, welche Vereine aus, na klar: Schwerin mit Gerichtsspenden bedacht worden sind.

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Mehr als 1100 Mal haben Gerichte und Staatsanwaltschaften in den Jahren 2010 bis 2013 in Mecklenburg-Vorpommern Bußgelder verteilt. Denn wenn von der Strafverfolgung aus bestimmten Gründen abgesehen wird, kann dem Beschuldigten laut Strafprozessordnung die Auflage erteilt werden, „einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen“. In MV wurden dabei Gelder in Höhe von mindestens rund zwei Millionen Euro an knapp 700 Vereine ausgereicht.

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Foto: NicosFotos via Flickr unter CC-Lizenz by

Das belegen Zahlen, die das „erste gemeinnützige Recherchebüro Deutschlands“ Correctiv gesammelt hat. In einer durchsuchbaren Datenbank listet Correctiv alle in Deutschland derzeit verfügbaren Bußgelder auf, die Richter und Staatsanwälte verteilt haben. Das Pikante daran: Die Vergabe wird kaum kontrolliert. In einem besonders krassen Fall in Bayern hat sich gezeigt, dass zwischen Gericht und einem archäologischen Verein einer Ex-Richterin ordentlich gemauschelt wurde.

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Die Aufstellungen für Mecklenburg-Vorpommern zeigen, wie sich die Bußgeldvergaben auf die einzelnen Gerichte und Staatsanwaltschaften im Land verteilen (Zahlen sind gerundet):

Staatsanwaltschaft Rostock (2013) 220.000 €
Staatsanwaltschaft Neubrandenburg (2013) 200.000 €
Staatsanwaltschaft Stralsund (2013) 120.000 €
Staatsanwaltschaft Schwerin (2012) 61.000 €
Oberlandesgericht Rostock (2010/11) 645.000 €
Oberlandesgericht Rostock (2012) 340.000 €
Oberlandesgericht Rostock (2013) geschätzt 425.000 €

Die Rostocker Staatsanwaltschaft (Excel-Liste) hat die Summe laut Aufstellung komplett an die Landeszentralkasse gegeben. Einmal hat’s gleich ganz ordentlich gescheppert, als 200.000 Euro mit einem Mal überwiesen wurden. Wer der glückliche Empfänger war, ist nicht zu ersehen.

In Neubrandenburg (PDF-Liste) wurden für gemeinnützige Vereine Summen von 50 Euro (für den Verein Freunde der Oberlinschule Potsdam) über die Neubrandenburger Stadtfanfaren oder den Dreikönigsverein bis hin zu knapp 15.000 Euro für die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft ausgegeben. Die Hälfte der Summe ging an die Staatskasse.

Die Staatsanwaltschaft in Stralsund (Excel-Liste) hat maximal 5550 Euro verteilt, die Empfänger reichen vom 1. Volleyballclub Stralsund bis zur Wolgaster Tafel.

Die Schweriner Staatsanwaltschaft (Excel-Liste) kam beim Geldverteilen selten mal über 2000 Euro hinaus. Dafür hat sie – bedenkt man das ursprüngliche Ziel der Verbrechensvorbeugung – manchmal genau die richtigen Vereine bedacht: Rote Nasen e.V., Sisyphus e.V., den Kampfkunstverein „Dojo Ronin“ oder auch den Polizeichor Schwerin.

Der größten Bußgeld-Batzen floss jedoch vom Oberlandesgericht Rostock (Excel-Listen für die Jahre 2010/2011, 2012 und 2013 (Datei korrupt?)). Ungefähr 1,4 Millionen Euro wurden hier innerhalb von vier Jahren verteilt.

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Besonders die Liste 2010/2011 des OLG Rostock ist ziemlich interessant. Es tauchen wieder einige bemerkenswerte Empfängervereine auf. So bekam der Neustrelitzer Tierschutzverein Mohrchen e.V., vermutlich eher kein großer Hort der Kriminalitätsprävention, mit knapp 13.000 Euro eine relativ große Summe. Der Rostocker „Verein für Neue Musik MV“ durfte sich über 14.000 Euro freuen. Mit rund 17.000 Euro ging eine größere Summe auch an den Handballverein Peenetal Loitz, der auch 2012 mehr als 14.000 Euro überwiesen bekam.

Der Greifswalder „Verein zur Unterstützung krebskranker Kinder“ durfte sich mit knapp 20.000 Euro über die von Gerichten des Landes in beiden Jahren größte ausgeteilte Gesamtsumme freuen. Obwohl … Moment: Ganz unten auf der Liste der verteilten Bußgelder 2010/2011 findet sich ein Verein mit einer vergleichsweise exorbitanten Zuwendung. Der Förderverein der Kreismusikschule Uecker-Randow in Ueckermünde hat vom Landgericht Neubrandenburg sage und schreibe 167.235 Euro bekommen. Die Zahl resultiert aber offenbar aus einer falschen Angabe seitens des Gerichts (siehe Update am Textanfang).

Bekommen haben 2010/11 übrigens 236 Vereine etwas, mehr als 1000 der auf der Liste des OLG Rostock erfassten Vereine gingen leer aus. Ganz interessant ist auch die Verteilung des Geldes auf die einzelnen Bereiche, in denen die Vereine gemeinnützig tätig sind.

Die wenigsten Vereine, die wenigsten Spenden und die geringsten Spendensummen entfielen auf die Bereiche „Straffälligen- und Bewährungshilfe“ und „Hilfe für Suchtgefährdete“ sowie „Alten- und Hinterbliebenenhilfe“. Diesen Bereichen werden 52 Vereine auf der Liste zugeordnet, 13 von ihnen haben eine Zuwendung von insgesamt 12.290 Euro bekommen.

Die meisten Vereine, die meisten Spenden mit der insgesamt höchsten Spendensumme gingen an die Bereiche „Allgemeine Jugendhilfe“, „Allgemeines Sozialwesen“ und an „Sonstiges“, also alle Vereine, die keinem der anderen acht Bereiche zugeordnet werden können. Hier flossen an 177 Vereine insgesamt 514.085 Euro, mehr als 1000 Vereine aus diesen drei Bereichen stehen auf der Liste des OLG Rostock.

Zugespitzt heißt das, dass Richter in MV lieber der in Bonn ansässigen „Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ 5500 Euro zuteilen, als den läppischen ausgegebenen 5 Euro für die Musikschule Altentreptow/Demmin mal lieber eine oder zwei Nullen anzuhängen. 2200 Euro gehen an die „Historische Kommission für Pommern“, die „Freunde und Förderer des Deutsch-Polnischen Gymnasiums“ in Löcknitz bekommen dagegen nur einen Bruchteil dieser Summe. Und dass die Kirche in Bad Doberan auch einen ordentlichen vierstelligen Betrag überwiesen bekam, lässt sich vielleicht gerade noch damit erklären, dass „Bußgeld“ ja fast so ähnlich klingt wie „Büßergeld“.

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Fakt ist, dass Staatsanwälte bei der Verteilung der Bußgelder, so schreibt es Correctiv in seinem Bericht, an „Richtlinien für das Bußgeldverfahren“ gebunden. Richter dagegen seien nicht weisungsgebunden und könnten relativ frei entscheiden, in welche Richtung das Geld fließt. Das Recherchebüro traut diesem System allerdings nicht mehr über den Weg. Es fordert eine Reform der gängigen Praxis:

Das undurchsichtige System der Bußgeldverteilung in Deutschland muss beendet werden. Richter und Staatsanwälte sollen nicht mehr willkürlich entscheiden dürfen, welcher Verein Geld bekommt. Stattdessen sollten alle Bußgelder und Gelder aus Verfahrenseinstellungen direkt in die Staatskassen der Bundesländer fließen. Dort entscheiden Parlamente in einem erprobten und demokratisch legitimiertem System über die Verwendung der Mittel.

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Doofe Datenbank

War sie doch vollgelaufen wie ein Keller während eines Sommergewitters. Der Umzug in eine neue gestaltete sich schwieriger als Helene Fischer zu ignorieren und ist bis dato so unvollendet wie die Karriere von Kevin Kuranyi. Doch obschon die Motorhaube weiterhin offen steht, bruppert sich das Aggregat langsam wieder in Schwung. Metaphern und Vergleiche sind für diesen Monat dann allerdings schon aufgebraucht.