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Morgens halb zehn in der Kaufhalle

Shopping Carts

Zögerlich schiebt die alte Frau mit dem silbergrauen Zopf den Einkaufswagen an das Gemüseregal. „Hallo, guten Morgen!“, sagt sie leise zu den beiden Verkäuferinnen, die gerade hektisch zwei mannsgroße Stapel Paletten mit frischer Ware verteilen. „Guten Morgen“, antwortet eine und lächelt der anderen kurz zu. Ein wissender Blick, die beiden scheinen die Kundin schon zu kennen.

„Sie sind doch immer so nett hier“, flötet die alte Frau, „ich will sie auch gar nicht weiter stören.“ Doch natürlich stört sie die beiden, die gerade in offensichtlicher Discounter-Zeitnot mit geübten Griffen Zucchini, Auberginen und Bio-Gurken herumräumen. Mittendrin lächelt die eine mit den blonden Haaren die Kundin an und fragt sie freundlich: „Na, wie können wir denn helfen?“

Das ist offenbar eine sehr gute Frage, denn die alte Frau am Gemüseregal muss darüber eine Weile nachdenken. Währenddessen sind schon wieder zwei Paletten Obst geleert, die Stapel schrumpfen. „Vielleicht könnten Sie mir mal etwas helfen“, schlägt die Kundin vor und zieht die Augenbrauen nach oben zu einer vorsichtig fragenden Miene. „Na klar“, antwortet die Blonde und räumt weiter.

„Ich hätte gern …“, hebt die Alte an und atmet mit nun traurig gesenkten Lidern aus. Die Kommunikation fällt ihr schwer, es kostet sie einige Mühe, um schließlich kurzatmig fortzufahren: „… ein bisschen Petersilie.“ Ihre rechte Hand simuliert eine astreine Zeitlupe und zeigt schließlich auf die Kräutertöpfe, die sich direkt neben ihr, aber deutlich oberhalb ihrer Reichweite befinden.

Die Blonde macht zweieinhalb schnelle Schritte, reckt sich kurz, reicht der Frau die Petersilie und räumt sofort weiter. Die Kundin nimmt den Topf entgegen und freut sich stille mit einem sanften Lächeln – aber nicht über die Ware, sondern über die Empathie der beiden Jüngeren, die nach wie vor emsig Waren in die Regale räumen und sich nun gegenseitig mit einem breiten Lächeln anspornen.

* * *

Zögerlich schiebt die alte Frau mit dem rotgefärbten Kurzhaarschnitt den Einkaufswagen an die Blumenkartons. Ihre massive Gestalt verhindert, dass die schmale Verkäuferin mit der Kurzhaarfrisur entweichen kann. „SAGENSEMAL!“, brüllt die Alte, und in der Kaufhalle wird es augenblicklich still. „HAMSENOCH SONE WEISSENFLANZEN?“ Wäre dies ein Western, würde der Tumble jetzt weeden.

Die Verkäuferin steht vor den Kartons mit den Pflanzen darin, die gerade heute im Angebot sind, also zigtausend Haushalten als ganz besonders preisgünstig empfohlen wurden. Sie antwortet diplomatisch: „Ich schaue gleich mal nach.“ Ihre Hände tauchen in den Pappe-Stapel in der Hoffnung, wenigstens auch nur eine der gewünschten weißen Pflanzen dort finden zu können.

„NADASDAUERT ABA GANZSCHÖN.“ Die rabiate Kundin legt vermutlich eher weniger Wert auf allgemeine Sympathie – fertich willse werden! Ihre Gestalt baut sich drohend vor der Verkäuferin auf. Die sucht zunehmend panisch nach diesen verfluchten Weißblütern. Sie gräbt im Pflanzenkarton, als gäb’s kein Morgen mehr. Dann, nach endlosen Sekunden des Wühlens, hat sie ihr Objekt gefunden.

„Hier!“ Die Alte zögert kurz und grapscht schließlich nach der Pflanze, als wollte sie eine übergriffige Mücke schnappen wollen. Sie bekuckt sie von links, sie bekuckt sie von rechts, und sie gibt sich endlich zufrieden mit der Beute ihres Vormittags. Missmutig pfeffert sie den Blumentopf in ihren Einkaufswagen und setzt die gnadenlose Jagd nach den Schnäppchen des Marktes unbarmherzig fort.

Die Verkäuferin schließt ganz kurz ihre Augen und atmet geräuschlos, dafür aber ganz besonders tief durch. Es ist noch nicht mal zehn Uhr durch, und sie hat bereits dieses Schrapnell bewältigt. Sie richtet ihre Gestalt, blickt herausfordernd in die Runde und setzt ihren Gang durch die Niederungen des Discounter-Kaufhallen-Verkaufs mit erhobenem Kopf und stolzem Antlitz fort.

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Real im Bethaniencenter: Wie lange noch?

realSupermarkt-Blogger und Krautreporter Peer Schader begründet hier, warum die Supermärkte auf der grünen Wiese sterben werden. Er macht das am Beispiel Real fest, und hier wird es für Neubrandenburg interessant. Real hat ein Dutzend von 280 Märkten schließen müssen, heißt es, und dies seien die Gründe:

– die Lage in hässlichen Industriegebieten janz weit draußen
– hässliche, riesige Märkte
– hässliche, riesige Parkplätze
– Elektrogeräte und Gartenmöbel werden lieber im Netz bestellt
– die Menschen kaufen weniger auf Vorrat als früher
– und:

Seit geraumer Zeit baut der Handel seine Läden deshalb nicht mehr nur an Orte, wo die Pacht am günstigsten ist – sondern dort, wo die Menschen wohnen und ihr Geld verdienen.

Schader zitiert Hirnforscher, die erkannt haben wollen, dass Menschen „bei einer zu großen Auswahl unterbewusst Teilmengen bilden, also bestimmte Produkte oder Produktgruppen im Hintergrund aussortieren, um sich selbst die Entscheidung zu erleichtern.“ Soll heißen: Ich kucke und wähle und kaufe nur das, was ich ungefähr schon kenne. Und wenn 80.000 Produkte angeboten werden und ein Durchschnitts-Haushalt nur etwa 300 davon kaufen könnte, dann bleibt da viel Ausschuss.

Für den Real-Markt im Bethanienberg-Center sehe ich allerdings wenig Probleme. Im Flächenland MV rentieren sich „Einmal hin, alles drin“-Märkte vielleicht eher als in Ballungszentren. Problematisch ist hier eher der „Ich kaufe da immer mehr ein, als ich wollte“- sowie der Zeit-Aspekt: Mal in zehn Minuten flink alles fürs Abendbrot einholen ist da nicht drin.

Meine Prognose: Wenn sich der Bio-Tante-Emma-Trend in den Dörfern der Region ausweitet, könnte Real auch hier Probleme bekommen. Ansonsten wird der quadratkilometergroße Parkplatz gerade vor Wochenenden und Feiertagen weiterhin gut bis sehr gut gefüllt sein.