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Lass die Finger von der Vuvuzela: Das ist Afrika!

vuvuzela

Da kann man ja das eigene Wort nicht verstehen. Das hört gar nicht auf, das geht die ganze Zeit über! Das ist so laut. Das reagiert gar nicht auf die aktuelle Spielsituation! Das hat man ja noch nie erlebt. Das sollte man verbieten!

Du meine Güte!

In der DDR-Oberliga gab es auch Tröten, die ähnlich der Vuvuzelas komische Geräusche machten. Bei der WM 1986 in Mexiko herrschte meinen spärlichen Erinnerungen nach ebenfalls diese ungewohnte Bienenschwarmatmosphäre auf den Rängen; auch wenn es wohl etwas leiser war. Beiden Spontanbeispielen ist gleich, dass sie zeitbedingt nicht mal der Akustik benötigen, um korrekt erkannt zu werden. Die Oberliga kann man in Rückblenden heute nach drei Spielsekunden identifizieren, die WM 1986 ebenfalls, alleine schon der lustigen Schattenspiele auf dem Rasen wegen.

Aber wer kann nach kurzer Zeit die WM ‘94 von der ‘98 unterscheiden, wer die WM ‘06 von der EM ‘08, wer die Bundesliga-Saison 2009 von der 2005?

Normierte Stadien, normierte Reklame, quasi-normierte Akustik. Die ganze letzte Fußball-Dekade hindurch, mindestens. WMs in Deutschland, Frankreich, EMs in Österreich, Schweiz, Portugal, Niederlande, Belgien, England, die Bundesliga in den mittlerweile fast immergleichen deutschen Arenen. Immer die gleiche Champions League, immer die Ultras, die bekannten Fangesänge, Dauertrommeln. Europäische Fußballfanhegemonie.

Und dann ein Riesenthema, wenn es mal anders ist. Himmel! Ist es nicht ganz prima, später mal Spiel-Ausschnitte nur wegen ihrer eindeutigen, wenn auch zunächst ungewohnten Akustik der Afrika-WM zuordnen zu können? Oh, die Tröten, muss wohl 2010 gewesen sein. Muss man wirklich jedem Jammerer ein “Dann stell’ halt den Ton leiser!” zupfeffern oder sollten die auf diese naheliegende Bewältigungstaktik nicht von selbst kommen?

Was ist an den Vuvuzelas eigentlich so schlimm? Die Lautstärke an sich? Nun, ein Fußballspiel ist keine Kinderkrippe, und 80.000 Unterstützer im Westfalenstadion sind auch nicht viel leiser. Die nervige Frequenz? Ist ungewohnt, ja, so ungewohnt wie Höhenluft, Winter im Sommer oder Bauhelme als Fanutensil. Die Tröten-Permanenz? Hmm, mag sein. Aber sind Dauertrommler oder -singer denn so viel besser als Dauertröter? Sind die Vuvuzela-Feinde zu verärgert, um den Volumenknopf ihres Heimkinos einfach und ohne augenrollenden Meckermonolog runterzudrehen?

Ist denen das Dauergetröte im Fernsehen in der Tat fußballverhindernd zu laut?

Ja? Tja. Dann muss das wohl so sein. Ich hingegen freue mich, mal guten Fußball in etwas anderem Kleide sehen zu können, auch wenn dieses “Andere” eben aus abertausenden Plastetröten besteht. So sei es. Entweder man ist dabei, oder man ist es eben nicht, weil einem das Gesummse auf den Keks geht. Aber zusehen und dann permanent mosern finde ich mittlerweile ermüdender als die Tröten selbst. Die eigene WM-Begeisterung sollte doch vom Fußballspiel und nicht von der Atmosphäre im Stadion – wie komisch die auch immer sich anhören möge – hervorgerufen werden.

Ich hoffe nun auf weitere aussagekräftige Vuvuzela-Klagelieder in den nächsten Tagen, auf dass dann aber bitte auch Schluss ist damit. Es geht schließlich auch um Fußball. Doch weil sich selbst Günter Netzer wegen der Tröten zu einem jetzt schon legendären Lachanfällchen hinreißen ließ, hier wenigstens noch der Hinweis auf ein ziemlich ordentliches Anti-Tröten-Cover: Lass die Finger von der Vuvuzela!

Und FIFA-Chef Sepp Blatter hat die vorigen Absätze vor einiger Zeit mal sehr schön und vor allem lautmalerisch höchst interessant in knapp 30 Sekunden gepackt. Sein Fazit: This is Africa!

Foto: Martin Abegglen via Flickr unter CC-Lizenz by-sa
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Jammern über Jabulani

Weighing of 2010 World Cup balls

Morten Olsen! Iker Casillas! Gianluigi Buffon! Julio Cesar! Luis Fabiano! Fabio Capello! Ihr Memmen! Öl überflutet die Meere, Vulkane husten und prusten, Präsidenten werfen Hand- und Taschentücher. Und was tun so verdienstvolle Fußballer und Trainer wie ihr?

Ihr jammert über Jabulani, den WM-Ball.

Es ist schade, dass in einem so bedeutenden Wettbewerb wie einer Weltmeisterschaft ein so wichtiges Element wie der Ball einen so abgründigen Charakter hat.

Herr Casillas! Ich bitte Sie! Bälle haben einen abgründigen Charakter so wie Außenlinien zur manischen Depressivität neigen, nämlich gar nicht! Sie mögen anders fliegen als andere Bälle, aber die Grundvoraussetzungen für ein ordnungsgemäßes Fußballspiel sind gegeben: rund, knapp ein halbes Kilo schwer, aufgepumpt.

Der Ball ist furchtbar. Schrecklich. Er gleicht den Bällen, die es im Supermarkt zu kaufen gibt.

Herr Cesar! Ich bitte Sie! Den Jabulani gibt es im Supermarkt zu kaufen. Und wenn nicht jetzt, dann bestimmt bald. Und dass Sie als von Nike Ausgerüsteter den adidas-Ball beschimpfen, ist nun auch nicht sonderlich originell.

Für Torhüter ist der Ball fürchterlich, er bewegt sich dauernd. Auch meine Spieler haben Schwierigkeiten mit der Ballkontrolle.

Herr Capello! Ich bitte Sie! Ein Ball, der sich bewegt? Und auch noch dauernd? Skandal! Und wenn die von Ihnen trainierten Spieler Probleme mit der Ballkontrolle bekommen, weil sie mit einem anderen Ball spielen, sollten sie vielleicht mal ihr Technik-Training überdenken.

Er verändert plötzlich seine Flugbahn. Es ist, als ob er sich nicht treten lassen will. Es ist unglaublich – als ob jemand den Ball steuert. Du willst ihn kicken, und er bewegt sich zur Seite. Ich denke, das ist übernatürlich und sehr übel.

Herr Fabiano! Ich bitte Sie! Wer möchte sich schon gerne treten lassen? Und außerdem glaube ich, dass Sie zuviel Erich von Däniken und Stephen King lesen. Wenn, ja wenn ein übler Übernatürlicher Dinge auf dieser Erde von irgendwoher steuern oder lenken könnte, dann wären dies mit Sicherheit nicht bestimmte Fußbälle einer bestimmten Fußballherstellfirma.

Ich glaube, dass es eine Schande ist, ein so wichtiges Turnier mit solch einem Ball zu spielen.

Herr Buffon! Ich bitte Sie! Ich glaube, dass es eine Schande ist, den baldigen Start eines Fußballgroßturniers allein daran zu erkennen, dass weltweit Klagelieder über Arbeitsgeräte angestimmt werden. Ich glaube auch, dass es eher eine Schande ist, darauf zu bestehen, mit rechtsextremen Schlüsselsymbolen auf dem Hemd zu spielen.

Wir haben mit einem unmöglichen Ball gespielt, an den wir uns erst noch gewöhnen müssen. Es war sehr schwierig, diesen Ball zu kontrollieren und ihn bei Pässen auf Tempo zu bringen.

Herr Olsen! Ich bitte Sie! Wenn man möchte, dass ein Ball schneller von A nach B fliegt, einfach mal stärker gegentreten. Wenn das nicht klappt, einfach mal in den Kraftraum gehen. Wenn das zu umständlich ist, einfach mal den Beruf wechseln.

Generell ist festzuhalten: Gut bezahlte Profifußballer beschweren sich mimosiger als meine Tochter beim Spinatessen über etwas, was ihnen eigentlich zugute kommt, nämlich die fortdauernde Entwicklung von neuen Bällen zu den EM- und WM-Endrunden. Neue Bälle, neuer Umsatz, neues Geld. Der Ball mag anders fliegen und meinetwegen unberechenbarer geworden sein – echte Männer nehmen das zur Kenntnis und zum Anlass, sich darauf einzustellen und halt mal ein wenig mit dem Ding zu üben.

Findet im übrigen auch Ex-Nationalspieler René Müller, der dieses Interview ganz ähnlich beschließt:

Aufhören zu jammern und sich an den Wasserball gewöhnen. Alles andere hilft ja auch nicht.