Eine Dönerbude irgendwo in Neubrandenburg. Mittag ist schon vorbei, der Fleischspieß so gut wie aufgebraucht. Der Dönermann wischt seine Arbeitsfläche mit einem speckigen Lappen feucht ab und füllt die Schale mit dem Eisbergsalat auf. Aus dem Buden-Bildschirm plärrt ein Nachrichtensender aufgeregt irgendwas mit Trump und Putin.
Zwei Jungen kommen rein. Zu große Klamotten, die fast leeren Rucksäcke baumeln bis runter zu den Kniekehlen, einer bändigt seine halblangen Haare mit einem abgegriffenen Basecap, der andere muss seine Matte alle paar Sekunden mit einem energischen Kopfseitnicken beiseite schwingen, um überhaupt sehen zu können. Vor ihrem High-Noon-Saloon-Auftritt haben sie noch ihre Kippen extradeutlich auf den Fußgängerweg geschmissen; wenn da auch nur EINER ein falsches Wort gesagt hätte …
. . . . . . . . JUNGE 1
Entschuldigung, aber verkaufen Sie auch Zigaretten?
. . . . . . . . DÖNERMANN
Hmm …
Was für ein Auftakt! Mister Kuhl (mit Mütze) wählt die Taktik „besonders höflich sein“, es fehlte eigentlich nur noch eine angedeutete Verbeugung. Der Dönermann antwortet erst und dreht sich dann zu den beiden um, die sich kurz irritiert ansehen. Ganz offenbar hat sich ihre sorgsam zurechtgelegte Strategie gerade in Luft aufgelöst.
. . . . . . . . JUNGE 2
Ja … also, ähm, wir hätten dann gerne … also … Zigaretten …?!
. . . . . . . . DÖNERMANN
Aha.
. . . . . . . . JUNGE 1
Ja.
Mister Kuhl (ohne Mütze) hat offenbar sein Handbuch „Rhetorik for Dummies“ verlegt, er begleitet sein zögerlich vorgetragenes Anliegen mit demonstrativem Kuhkieferkaugummikauen. Großartig auch die klare Bestätigung von Mister Kuhl (mit Mütze), die offenbar nicht nur dem schläfrigen Dönermann, sondern auch den beiden Helden in Tapered Jeans gilt, die sich daraufhin mit einem erneuten Sicherheitsblick noch einmal vergewissern, dass sie definitiv jetzt hier sind, um Zigaretten zu kaufen.
. . . . . . . . JUNGE 1
… und?
. . . . . . . . DÖNERMANN
Wassund?
. . . . . . . . JUNGE 2
Ham wir doch schon gesagt: Wir möchten …
. . . . . . . . DÖNERMANN
Ja, weißisch. Aber welche Marke?
. . . . . . . . JUNGE 1
Ach so. Na ja: Marlboro.
. . . . . . . . DÖNERMANN
Aha. Normal oder Bigpack?
. . . . . . . . JUNGE 2
Jaja, normal eben.
. . . . . . . . DÖNERMANN
Gut.
Der Mann dreht sich um, nimmt seinen Lappen, wischt kurz umher und geht dann in den Nebenraum. Die Jungs sehen sich wieder an, Mister Kuhl (ohne Mütze) nestelt an der Hosentasche und holt die offenbar abgezählten Münzen heraus. Der Dönermann kommt wieder, jetzt hat er keine Zigarettenpackung, sondern einen sauberen Lappen in der Hand, mit dem er sogleich zwischen den Salatschalen herumwischt. Die Nerven der beiden schwinden im Sekundentakt. Der Mann sieht sie plötzlich direkt an.
. . . . . . . . DÖNERMANN
Aber Ausweise mussich sehen.
. . . . . . . . JUNGE 1
Ähh, wie bitte?
. . . . . . . . DÖNERMANN
Ausweise. Habt ihr?
. . . . . . . . JUNGE 2
Also … die Ausweise, ja, die hamwanich … hier …
Der Mann wischt nun die Fritteuse sauber und sagt kein einziges Wort mehr. Zwei zu junge Jungen stürzen betont raumgreifend aus der Dönerbude und müssen die offensichtliche Niederlage draußen erstmal mit lautem Plappern ungeschehen zu machen versuchen. Der Dönermann sieht ihnen nach, und für einen kurzen Augenblick umspielt ein wissendes Lächeln seinen Mund.