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Er will doch nur spielen: 50 Mal „Schlag den Raab“

Spiel ist ein äußerst komplexes, vielschichtiges und daher schwer fassbares Phänomen. Es reicht vom Falten und Bekritzeln eines Blatts Papier mit dem Kugelschreiber im Wartezimmer des Arztes bis zum anspruchsvollen Kampfspiel, das auch als hoch bezahlter Beruf betrieben werden kann. Es kann als lustiges Klimpern mit Klanghölzern, aber auch als virtuoses Klavier- oder Violinenspiel Form annehmen. Spielen kann sich als eine unbedeutende Tändelei, als Zeitvertreib realisieren, aber auch eine kulturschöpferische Bedeutung bekommen.

Soweit das Lexikon zum „Phänomenkomplex Spiel“. Seit acht Jahren und an diesem Wochenende zum 50. Mal gibt es eine Fernsehsendung, die das Spiel als essentielle Kulturform abfeiert, wie es die an Spiel-Shows nicht so ganz arme deutsche Fernsehlandschaft noch nie vorher getan hat. Zwar waren Spiele auch bei Einer wird gewinnen, Verstehen Sie Spaß? und Wetten dass..? Bestandteil der Show, aber eben nur: ein Teil.

Schlag_den_Raab_LogoSchlag den Raab ist dagegen Spiel in Reinform. Es geht in dieser Sendung einzig und allein ums Spielen. Genauer um eine Form des Spiels, das Wettkampf-Spiel. Der Soziologe Roger Caillois kennt noch drei andere Spiel-Prinzipien (Zufall, Maske [das wäre dann Verstehen Sie Spaß?] und Rausch), die aber bei Schlag den Raab nur am Rand eine Rolle spielen. Es ist der Wettkampf, konkret: der Zweikampf, Mann gegen Mann oder Mann gegen Frau, der regelmäßig zwischen zwei und vier Millionen Zuschauer begeistert.

Das Zitat oben trifft es dabei ganz gut. Spielen wird bei Schlag den Raab als „vielschichtiges Phänomen“ respektiert. Es geht um Geschicklichkeit, Technik, Nervenstärke, Wissen, Flexibilität, Athletik, Geduld, Motorik, Ausdauer, Intelligenz und … ja, am Ende auch Glück. Es kann ein „anspruchvolles Kampfspiel“ für drei oder das „Bekritzeln eines Blatt Papiers“ für zwölf Punkte sein. Es kann eine „unbedeutende Tändelei“ sein wie das Flummi-Zielwerfen in der jüngsten Ausgabe, das die Vergabe von zweieinhalb Millionen Euro entschied. Und das Spielen bei Schlag den Raab bekommt dann eine „kulturschöpferische Bedeutung“, wenn es einem großem Publikum sehr effektiv zeigt, wie viel Spaß es verdammt noch mal macht, miteinander ein Spiel zu spielen.

Denn was wird den Menschen, die sich diese im Grunde genommen äußerst obszöne Sendung ansehen, nicht alles zugemutet. Erst einmal ist da dieser Raab, nach dem das Ganze … BLASPHEMIE! … schon mal gleich benannt ist. Der Typ kuschelt nicht mit der Bild und ist auch sonst kein perfekter Schwiegersohn. Er grinst ständig, gibt sich wenig Mühe, seinen Ehrgeiz zu verstecken, steckt seine leicht untersetzte Figur in stets die gleichen Sakkos oder teils unvorteilhafte Sportsachen und quasselt andauernd dazwischen. Er tut sich weh in der Sendung, blamiert sich, wird sogar manchmal unsympathisch. In jeder der durchaus zahlreichen Minuten von Schlag den Raab gibt sich Stefan Raab kaum Mühe, um deutlich zu machen: Das hier ist meine Sendung, ich bin hier der King of Jägerschnitzel; aber heult nicht rum: Kommt doch her und schlagt mich!

Und das sollte doch zu schaffen sein! Aber warum können die ganzen Bundeswehr-Piloten, Zehnkämpfer und Marathon-Chirurgen-Nobelpreisträger keinen Buggy steuern? Warum weiß der Muckibuden-Germanist nicht, wo Neustadt-Glewe auf der Landkarte zu finden ist? Und wieso, beim heiligen Elton, wieso laden die immer wieder irgendwelche superklugen Jahrhundertsportler ein, anstatt mal in den Kindergärten des Landes zu wildern und den in Geschicklichkeits- und Motorik-Spielen geschulten und nervengestählten Eltern der Republik eine mindestens genauso große Gewinnchance zu geben?

Schlimm sind natürlich auch die ebenso zahlreichen wie minutenlangen Werbepausen, die stets damit eingeleitet werden, dass in einem Gewinnspiel unsinnigerweise achtzehn Luxuslimousinen an einen ahnungslosen Sachbearbeiter verlost werden. Aber ich kenne auch niemanden, der jemals eine Schlag den Raab-Sendung an einem Stück durchgesehen hat. Denn diese Sendung ist eine wahre Spiel-Orgie, hinterher ist man wahrlich übersättigt und durch mit dem Thema und überhaupt könnte man doch auch in dieser ganzen Zeit …

… selbst was spielen. Tja. Volleyball, Basketball, Fußball, Eishockey, Handball. Laufen, Springen, Werfen. Fahren, Klettern, Kriechen, Balancieren, Jonglieren. Puzzlen, Raten, Kombinieren, Merken. Wissen, Nachdenken, Schätzen, Pokern. In dieser Mannigfaltigkeit kommt keine Spielshow mit, und sei sie noch so frisch und neu und klug und erfolgreich. Und warum sitzen Menschen in Zeiten des Internets nachts um zwei vor dem Fernseher, um zwei Durchschnitts-Typen dabei zuzusehen, wie sie versuchen, Ringe an einen Haken zu schwingen? Welche reguläre Live-TV-Sendung dauerte zuletzt länger als sechs Stunden?

Schlag den Raab hat 2006 begonnen. Ab 2007 gab es für Wetten dass..? kaum noch Marktanteile über 40 Prozent. Und dann die Frage: Ging es denn dort, schon bei Thomas Gottschalk, dann bei Markus Lanz, zuletzt überhaupt noch hauptsächlich um die Wetten? Diese Verrücktheiten, die in den Tagen darauf in der Republik aufgeregt besprochen worden sind? Wohl kaum noch. Gegenfrage: Hat Deutschland im November 2014 kollektiv darüber diskutiert, dass zwei Menschen es fast eine geschlagene Stunde nicht geschafft haben, ein englisches Kneipenspiel zu beenden?

Nun. Im Netz war es kurz ein Thema, bei den Menschen hier und da auch noch. Aber die Straßenfeger-Zeiten sind vorbei. Viele Kanäle, viele Interessen, viele Inhalte. Aber da gibt es etwas, das sendet Spiele galore, sechs Stunden zur Wochen-Prime-Time, in einem der größten Privatfernsehsender, in einer der größten Volkswirtschaften der Welt. Fünfzehn Spiele. Jedes Mal andere, manchmal Kinderspiele, manchmal Kindgebliebenenspiele, manchmal Spiel, von denen man nicht wusste, dass es sie gibt. Mann gegen Mann, Mann gegen Frau. Es ist so simpel, und warum ist eigentlich vorher niemand darauf gekommen?

Und wenn wir denn theoretisch werden wollten, dann wäre Lanz der Homo faber, wogegen Stefan Raab der aktuell wahre Homo ludens der Republik ist:

… wonach der Mensch seine Fähigkeiten vor allem über das Spiel entwickelt: Er entdeckt im Spiel seine individuellen Eigenschaften und wird über die dabei gemachten Erfahrungen zu der in ihm angelegten Persönlichkeit. Spielen wird dabei der Handlungsfreiheit gleichgesetzt und setzt eigenes Denken voraus. Das Modell besagt: Der Mensch braucht das Spiel als elementare Form der Sinn-Findung.

Nicht umsonst grinst Raab im Trailer zur 50. Sendung in die Kamera und sagt unschuldig: „Ich will doch nur spielen!“ Das ganze Gedöns bei Schlag den Raab, die Musik-Acts, der Moderator, der Kommentator, die Reklame, die Reklame-Pausen, die Gegner-Suche – alles nur Beiwerk. Der Kern ist: Zwei Menschen spielen ein Spiel gegeneinander. Einer hat seit Jahren kaum nachlassenden Spass daran, das ist wohl trotz aller Poserei offenkundig, Und weil das so ist, weil der Mensch das Spiel braucht, und nicht nur das Handwerk, deswegen gibt es Schlag den Raab noch, und Wetten dass..? ist nicht mehr da. Glaube ich. Ich bin mir allerdings sicher, dass auch diese krude These spätestens dann dem Lauf der Geschichte geopfert werden wird, wenn es dazu dient, das entscheidende 15. Spiel zu gewinnen.

So. Als Rausschmeißer noch ein knapp zehnminüter Auftritt von Stefan Raab in der „Harald Schmidt Show“, wo es zwar weniger um das Spielen geht als um die Show und vor allem, wer den längeren … Atem hat, das Publikum zu begeistern und von sich einzunehmen. Er endet dann allerdings damit, dass Raab mit kindlicher Freude mit einem Schlauch im Mund spielt und dabei enthusiastisch eine Fernsehkinderfigur besingt. Der Clip ist aus dem Jahr 1996 und zeigt, wie sehr Stefan Raab jede sich bietende Möglichkeit nutzt, sich unterhaltsam zu präsentieren – und wie sehr sein Sinn für Timing, Pointen und Rhythmus schon damals, also vor etwa 18 Jahren, ihn knapp zehn Minuten bei einem noch halbwegs angriffslustigen Harald Schmidt mehr als nur überstehen ließen:

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Haus Spaß

Karow, Parchtitz, Neddemin – Weihnachtshäuser in MV

Gerade mal zwei festlich erleuchtete Häuser am Plauer See und auf Rügen bietet die Seite weihnachts-lichter.de für Mecklenburg-Vorpommern auf. Für das laut Eigenwerbung „größte deutschsprachige Weihnachtshäuser-Portal“ ein bisschen dürftig, finde ich, fährt man doch gefühlt in jedem siebten Ort an einem dieser übermäßig lichtdekorierten Buntburgen vorbei. Natürlich fehlt zum Beispiel auch das Neddeminer Weihnachtshaus. Und überhaupt sollte man die Show denen überlassen, die es können. So widme ich abschließend Heinrich und allen anderen Star-Wars-Fans noch diese häusliche Ungeheuerlichkeit:

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Musik

Graf Dago

Neulich im Auto. Es läuft halblaut „Unter deiner Flagge“ von Unheilig, der Graf gibt alles und drückt und presst und klagt und raunt. Dann der unqualifizierte Zwischenruf von der Rückbank, ich erkenne die Stimme von Luise:

„Papa, das ist doch Clown Dago, oder?!“

Ich musste mich sehr bemühen, daraufhin dem Verkehrsgeschehen weiter adäquat folgen zu können.

* * *

Passend dazu ein amüsanter Ausschnitt des Komödianten Hannes Bender, der seine Einschätzung, dass Unheilig den Beerdigungs-Pop erfunden hätten, mit einem selbst komponierten Song unterstützt:

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Netz

Google-Autovervollständigungen zu Städten in MV: happy, schön und tot

Bin gestern über einen Artikel der Berliner Zeitung gestolpert, in dem jedem Stadtbezirk der jeweils erste Begriff bei der Google-Autovervollständigung (kann dafür bitte jemand einmal ein neues Wort erfinden?!) zugeordnet wurde. Habe das ganze dann spaßeshalber mal mit Städten in Mecklenburg-Vorpommern exerziert.

Wappen_RostockRostock ist …
… ’ne schöne Stadt
… überall
… hässlich

Wappen_SchwerinSchwerin ist …
… die Hauptstadt von
… happy
… tot

Wappen_NeubrandenburgNeubrandenburg ist …
… happy
… schön
… was ist los

Wappen_StralsundStralsund ist …
… eine Insel
… eine Hansestadt
… schön

Wappen_GreifswaldGreifswald ist …
… langweilig
… alle
… schön

Wappen_WismarWismar ist …
… schön
… eine Hansestadt
… was ist los

Ich kaufe ein „Hihi!“ und möchte dann lösen: Rostock ist ’ne schöne Stadt, Schwerin ist die Hauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern, Stralsund ist keine Insel, Greifswald ist mitnichten alle und Wismar definitiv eine Hansestadt.

Zu den nächstgrößeren Städtchen in MV, Güstrow, Waren, Neustrelitz und Parchim, fällt Google lediglich noch die für Außenstehende wahrscheinlich naheliegende Frage „Wo ist das?“ ein, und das wars dann auch schon mit der Autocomplete-Herrlichkeit.

Auch noch sehr schön: Fragt man via Google die größeren Städte in Mecklenburg-Vorpommern mit „Gibt es in xy …“ ab, schlägt die Suchmaschine jedes Mal dieselben drei Begriffe vor: „Flughafen“ sowie die zeitgenössischen Textilmanufakturen „Primark“ und „Hollister“.

Da bleibt anschließend nur noch zu beherzigen, was Google selbst der Autovervollständigungs-Funktion so schön halbphilosophisch mit auf den Weg gibt: „Wie das Web selbst wirken die angezeigten Suchbegriffe daher unter Umständen merkwürdig oder verwunderlich.“

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Medien Neubrandenburg

Luftvideos aus Neubrandenburg und Burg Stargard

Vor einigen Tagen muss eine rote Cessna über der Gegend gekreist sein. Darin: Robert Grahn. Der 50-jährige Potsdamer düst mit seinem Flugzeug, das gerade mal zwei Jahre jünger ist als er selbst, in der Welt umher und fotografiert. Das macht der Mann professionell, seine Luftbilder und -videos bietet er über Euroluftbild.de und Luftvideo.de an. Auch an einem äußerst umfangreichen DDR-Bildarchiv wirkt Robert Grahn mit.

Aus seinem Trip gen Neubrandenburg sind drei Aufnahmen entstanden. Grahn kreiste dabei über der Justizvollzugsanstalt auf dem Neubrandenburger Lindenberg, über der Burg Stargard und der Neubrandenburger Innenstadt. Grahns Youtube-Kanal habe ich jedenfalls erstmal abonniert, seine kurzen Aufnahmen aus aller Welt sind ziemlich sehenswert.

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Bild

All you Hippies!

Hippis

Oder auf gut Deutsch: Langsam sollten wir mal erwachsen werden. Geknipst in der Phänomenta Flensburch.

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Neubrandenburg Politik

Wo sind all die Bäcker hin?

backforgood

Screenshot Die Zeit

„Fragt doch die Leute!“, hat sich Die Zeit gedacht und dann die Leute gefragt, wo es Bäckereien gibt, die noch selbst backen, also Teig zubereiten, rin in den Ofen, raus aussem Ofen, verkaufen. Mehr als 15.000 Menschen haben geantwortet, und es ward eine Karte. Der Beitext konnte leider der Überschrift „Back for good“ nicht widerstehen, wartet dafür aber mit der, wie ich finde, erstaunlichen Statistik auf, wonach Ende des 19. Jahrhunderts fast viermal so viel Brot wie heute gegessen wurde.

Für Neubrandenburg und nähere Umgebung gibt es demnach genau einen Bäcker, der diesen Namen noch verdient. Die Bäckerei Gesche mit Stammsitz in der Oststadt fertigt ihre Produkte nach eigenen Angaben alle Produkte in der Backstube, „ausschließlich nach eigenen Rezepturen“ und unter Verzicht auf Backmischungen und zugekaufte Produkte.

Das finde ich gut. Aber ist Gesche hier in der Gegend wirklich der letzte echte Bäcker? Gibt es die nächsten richtigen Backstuben erst wieder in der Uckermark, auf Usedom, in Neukalen und Waren an der Müritz, wie es die Zeit-Karte zeigt? Ich kann das gar nicht richtig glauben – die Übersicht erhebt auch nirgends den Anspruch auf Vollständigkeit – und will deshalb die Frage noch mal stellen: Wo gibt es hier eigentlich noch Bäckereien, wo nicht nur auf-, sondern noch selbst gebacken wird?

DISCLAIMER: Dieses Blog ist hier Stammkunde.
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Bild

Prost, Wochenende!

Prost!

Exponat der sehr zu empfehlenden Phänomenta in Flensburg

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Netz Spaß

TaubenTube: Aus Neubrandenburg Süd in die Welt

Wieder mal ein neuer Teil aus der Serie „Was ich ohne Internet nie gesehen hätte“. Durch einen Filter lasse ich mir seit einiger Zeit bei Twitter alle Neubrandenburg-Einträge in einer Tweetdeck-Spalte anzeigen. Und vor ein paar Tagen sah ich dann das hier:

Wir sehen eine Wiese neben der Möbelstadt Rück, einen polnischen Lkw und zwei Männer. Die beiden hantieren an der Seite der Ladefläche, und dann beginnt das große Flattern: Mit einem Mal entfleuchen hunderte Tauben den Käfigen. Und wenn die anfängliche Skepsis („Die fliegen sich doch alle über den HAUFEN!“) ver… na ja, eben verflogen ist, ist das sehr schön anzusehen und anzuhören.

Auch die beiden Polen bringen ein wenig Action in den Film: Während sich der eine auf dem Weg zum Kameraauschalten ein paar Taubenfedern von der Stirn wischt, scheucht der andere noch die letzten die Nachzügler-Tauben aus dem Schlag. Ein letzter Schwenk auf den hinfortmäandernden Taubenschwarm (irgendwo las ich, dass es Tauben-Stich hieße) – und fertig ist das Kleinkunstwerk.

Die Faszination von Taubenflugstarts (da gibt es doch bestümpt einen Fachbegriff für, nech?) erschließt sich noch mehr, wenn der entsprechende Youtube-Kanal „The Gold Pigeon“ nach weiteren Starts in Neubrandenburg durchforstet wird. Da haben wir hier einen Start mit schüchternem Einstiegs-Winken und starkem Wind-Sound oder hier einen mit gleich vier Taubenliebhabern. Manchmal wollen manche Tauben partout nicht losfliegen, manchmal sind die Schwarmbewegungen ganz besonders gut zu erkennen. Immer aber glaube ich auf dem Gesicht des Jogginganzug-tragenden Mannes, der am Ende auf die Kamera zukommt, ein winziges Lächeln auszumachen, wenn er seine Täubchen davonflattern sieht.

Auf den Taubenlastern steht „Połczyn-Zdrój“, die polnische 7000-Einwohner-Stadt – deutsch: Bad Polzin – liegt in Westpommern, etwa 130 Kilometer von Stettin entfernt. Sie ist ein anerkannter Moorkurort, durch den ein idyllisches Flüsschen namens Taubenbach fließt. Ob das Zufall ist oder der Ort das Taubenzuchtmekka Polens, konnte ich nicht feststellen.

Dafür aber, dass die Polziner Taubenzüchter auch in Tantow (bei Penkun) oder Zarrentin in Westmecklenburg regelmäßig ihr Tauben-Unboxing betreiben. Und aus Zarrenting stammt auch das abschließende Video, das aus zwei Gründen bemerkenswert ist. Zum einen schwirren die Viecher hier mal zur Abwechslung direkt auf den Betrachter zu, was kurzzeitig zu einer netten „Die Vögel“-Gruselei führt.

Und zum anderen sind 20 Sekunden nach Öffnen der Tore alle Tauben ausgeflogen. Denkt man. Doch es sind dieses Mal offensichtlich zwei Slacker-Täuberiche mit dabei. Nach einer zwanzigsekündigen Taubenstartpause bequemen sich die beiden dann endlich auch heraus. Eine Szene wie geschaffen für einen pommerschen Disney- oder Pixar-Tauben-Helden:

„Joaah, wat ist denn das für ein Krach hier im Schlach! Ruhe da vorne! Ick bün noch nich feddich mit mei’m Morgengurren! Himmeldonnerwedder! Ey, Andrzej, weissu, watdat soll?“
„Nö, Walter. Abä die sin alle wech.“
„Oooaahnö! Nich schon wiedä!“
„Doch. Wir müssen! Los, komm!“
„Menno! Ein letztes Körnchen noch …“
„ABFLUG!“
„Na gut.“

Und dann war da – passend dazu – noch das hier:

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Politik

Welche Vereine in MV Bußgelder aus der Justiz bekommen (neu mit Update)

Update: Die Leiterin der Kreismusikschule Uecker-Randow hat sich gemeldet. Sie hat keine Kenntnis über eine Zuwendung vom Gericht in der außergewöhnlichen Höhe von über 150.000 Euro. Diese Angabe des OLG Rostock in der Liste des Jahres 2010/2011 ist demnach falsch.

Update 2: Die Schweriner haben aufgelistet, welche Vereine aus, na klar: Schwerin mit Gerichtsspenden bedacht worden sind.

* * *

Mehr als 1100 Mal haben Gerichte und Staatsanwaltschaften in den Jahren 2010 bis 2013 in Mecklenburg-Vorpommern Bußgelder verteilt. Denn wenn von der Strafverfolgung aus bestimmten Gründen abgesehen wird, kann dem Beschuldigten laut Strafprozessordnung die Auflage erteilt werden, „einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen“. In MV wurden dabei Gelder in Höhe von mindestens rund zwei Millionen Euro an knapp 700 Vereine ausgereicht.

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Foto: NicosFotos via Flickr unter CC-Lizenz by

Das belegen Zahlen, die das „erste gemeinnützige Recherchebüro Deutschlands“ Correctiv gesammelt hat. In einer durchsuchbaren Datenbank listet Correctiv alle in Deutschland derzeit verfügbaren Bußgelder auf, die Richter und Staatsanwälte verteilt haben. Das Pikante daran: Die Vergabe wird kaum kontrolliert. In einem besonders krassen Fall in Bayern hat sich gezeigt, dass zwischen Gericht und einem archäologischen Verein einer Ex-Richterin ordentlich gemauschelt wurde.

* * *

Die Aufstellungen für Mecklenburg-Vorpommern zeigen, wie sich die Bußgeldvergaben auf die einzelnen Gerichte und Staatsanwaltschaften im Land verteilen (Zahlen sind gerundet):

Staatsanwaltschaft Rostock (2013) 220.000 €
Staatsanwaltschaft Neubrandenburg (2013) 200.000 €
Staatsanwaltschaft Stralsund (2013) 120.000 €
Staatsanwaltschaft Schwerin (2012) 61.000 €
Oberlandesgericht Rostock (2010/11) 645.000 €
Oberlandesgericht Rostock (2012) 340.000 €
Oberlandesgericht Rostock (2013) geschätzt 425.000 €

Die Rostocker Staatsanwaltschaft (Excel-Liste) hat die Summe laut Aufstellung komplett an die Landeszentralkasse gegeben. Einmal hat’s gleich ganz ordentlich gescheppert, als 200.000 Euro mit einem Mal überwiesen wurden. Wer der glückliche Empfänger war, ist nicht zu ersehen.

In Neubrandenburg (PDF-Liste) wurden für gemeinnützige Vereine Summen von 50 Euro (für den Verein Freunde der Oberlinschule Potsdam) über die Neubrandenburger Stadtfanfaren oder den Dreikönigsverein bis hin zu knapp 15.000 Euro für die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft ausgegeben. Die Hälfte der Summe ging an die Staatskasse.

Die Staatsanwaltschaft in Stralsund (Excel-Liste) hat maximal 5550 Euro verteilt, die Empfänger reichen vom 1. Volleyballclub Stralsund bis zur Wolgaster Tafel.

Die Schweriner Staatsanwaltschaft (Excel-Liste) kam beim Geldverteilen selten mal über 2000 Euro hinaus. Dafür hat sie – bedenkt man das ursprüngliche Ziel der Verbrechensvorbeugung – manchmal genau die richtigen Vereine bedacht: Rote Nasen e.V., Sisyphus e.V., den Kampfkunstverein „Dojo Ronin“ oder auch den Polizeichor Schwerin.

Der größten Bußgeld-Batzen floss jedoch vom Oberlandesgericht Rostock (Excel-Listen für die Jahre 2010/2011, 2012 und 2013 (Datei korrupt?)). Ungefähr 1,4 Millionen Euro wurden hier innerhalb von vier Jahren verteilt.

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Besonders die Liste 2010/2011 des OLG Rostock ist ziemlich interessant. Es tauchen wieder einige bemerkenswerte Empfängervereine auf. So bekam der Neustrelitzer Tierschutzverein Mohrchen e.V., vermutlich eher kein großer Hort der Kriminalitätsprävention, mit knapp 13.000 Euro eine relativ große Summe. Der Rostocker „Verein für Neue Musik MV“ durfte sich über 14.000 Euro freuen. Mit rund 17.000 Euro ging eine größere Summe auch an den Handballverein Peenetal Loitz, der auch 2012 mehr als 14.000 Euro überwiesen bekam.

Der Greifswalder „Verein zur Unterstützung krebskranker Kinder“ durfte sich mit knapp 20.000 Euro über die von Gerichten des Landes in beiden Jahren größte ausgeteilte Gesamtsumme freuen. Obwohl … Moment: Ganz unten auf der Liste der verteilten Bußgelder 2010/2011 findet sich ein Verein mit einer vergleichsweise exorbitanten Zuwendung. Der Förderverein der Kreismusikschule Uecker-Randow in Ueckermünde hat vom Landgericht Neubrandenburg sage und schreibe 167.235 Euro bekommen. Die Zahl resultiert aber offenbar aus einer falschen Angabe seitens des Gerichts (siehe Update am Textanfang).

Bekommen haben 2010/11 übrigens 236 Vereine etwas, mehr als 1000 der auf der Liste des OLG Rostock erfassten Vereine gingen leer aus. Ganz interessant ist auch die Verteilung des Geldes auf die einzelnen Bereiche, in denen die Vereine gemeinnützig tätig sind.

Die wenigsten Vereine, die wenigsten Spenden und die geringsten Spendensummen entfielen auf die Bereiche „Straffälligen- und Bewährungshilfe“ und „Hilfe für Suchtgefährdete“ sowie „Alten- und Hinterbliebenenhilfe“. Diesen Bereichen werden 52 Vereine auf der Liste zugeordnet, 13 von ihnen haben eine Zuwendung von insgesamt 12.290 Euro bekommen.

Die meisten Vereine, die meisten Spenden mit der insgesamt höchsten Spendensumme gingen an die Bereiche „Allgemeine Jugendhilfe“, „Allgemeines Sozialwesen“ und an „Sonstiges“, also alle Vereine, die keinem der anderen acht Bereiche zugeordnet werden können. Hier flossen an 177 Vereine insgesamt 514.085 Euro, mehr als 1000 Vereine aus diesen drei Bereichen stehen auf der Liste des OLG Rostock.

Zugespitzt heißt das, dass Richter in MV lieber der in Bonn ansässigen „Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ 5500 Euro zuteilen, als den läppischen ausgegebenen 5 Euro für die Musikschule Altentreptow/Demmin mal lieber eine oder zwei Nullen anzuhängen. 2200 Euro gehen an die „Historische Kommission für Pommern“, die „Freunde und Förderer des Deutsch-Polnischen Gymnasiums“ in Löcknitz bekommen dagegen nur einen Bruchteil dieser Summe. Und dass die Kirche in Bad Doberan auch einen ordentlichen vierstelligen Betrag überwiesen bekam, lässt sich vielleicht gerade noch damit erklären, dass „Bußgeld“ ja fast so ähnlich klingt wie „Büßergeld“.

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Fakt ist, dass Staatsanwälte bei der Verteilung der Bußgelder, so schreibt es Correctiv in seinem Bericht, an „Richtlinien für das Bußgeldverfahren“ gebunden. Richter dagegen seien nicht weisungsgebunden und könnten relativ frei entscheiden, in welche Richtung das Geld fließt. Das Recherchebüro traut diesem System allerdings nicht mehr über den Weg. Es fordert eine Reform der gängigen Praxis:

Das undurchsichtige System der Bußgeldverteilung in Deutschland muss beendet werden. Richter und Staatsanwälte sollen nicht mehr willkürlich entscheiden dürfen, welcher Verein Geld bekommt. Stattdessen sollten alle Bußgelder und Gelder aus Verfahrenseinstellungen direkt in die Staatskassen der Bundesländer fließen. Dort entscheiden Parlamente in einem erprobten und demokratisch legitimiertem System über die Verwendung der Mittel.