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Er will doch nur spielen: 50 Mal „Schlag den Raab“

Spiel ist ein äußerst komplexes, vielschichtiges und daher schwer fassbares Phänomen. Es reicht vom Falten und Bekritzeln eines Blatts Papier mit dem Kugelschreiber im Wartezimmer des Arztes bis zum anspruchsvollen Kampfspiel, das auch als hoch bezahlter Beruf betrieben werden kann. Es kann als lustiges Klimpern mit Klanghölzern, aber auch als virtuoses Klavier- oder Violinenspiel Form annehmen. Spielen kann sich als eine unbedeutende Tändelei, als Zeitvertreib realisieren, aber auch eine kulturschöpferische Bedeutung bekommen.

Soweit das Lexikon zum „Phänomenkomplex Spiel“. Seit acht Jahren und an diesem Wochenende zum 50. Mal gibt es eine Fernsehsendung, die das Spiel als essentielle Kulturform abfeiert, wie es die an Spiel-Shows nicht so ganz arme deutsche Fernsehlandschaft noch nie vorher getan hat. Zwar waren Spiele auch bei Einer wird gewinnen, Verstehen Sie Spaß? und Wetten dass..? Bestandteil der Show, aber eben nur: ein Teil.

Schlag_den_Raab_LogoSchlag den Raab ist dagegen Spiel in Reinform. Es geht in dieser Sendung einzig und allein ums Spielen. Genauer um eine Form des Spiels, das Wettkampf-Spiel. Der Soziologe Roger Caillois kennt noch drei andere Spiel-Prinzipien (Zufall, Maske [das wäre dann Verstehen Sie Spaß?] und Rausch), die aber bei Schlag den Raab nur am Rand eine Rolle spielen. Es ist der Wettkampf, konkret: der Zweikampf, Mann gegen Mann oder Mann gegen Frau, der regelmäßig zwischen zwei und vier Millionen Zuschauer begeistert.

Das Zitat oben trifft es dabei ganz gut. Spielen wird bei Schlag den Raab als „vielschichtiges Phänomen“ respektiert. Es geht um Geschicklichkeit, Technik, Nervenstärke, Wissen, Flexibilität, Athletik, Geduld, Motorik, Ausdauer, Intelligenz und … ja, am Ende auch Glück. Es kann ein „anspruchvolles Kampfspiel“ für drei oder das „Bekritzeln eines Blatt Papiers“ für zwölf Punkte sein. Es kann eine „unbedeutende Tändelei“ sein wie das Flummi-Zielwerfen in der jüngsten Ausgabe, das die Vergabe von zweieinhalb Millionen Euro entschied. Und das Spielen bei Schlag den Raab bekommt dann eine „kulturschöpferische Bedeutung“, wenn es einem großem Publikum sehr effektiv zeigt, wie viel Spaß es verdammt noch mal macht, miteinander ein Spiel zu spielen.

Denn was wird den Menschen, die sich diese im Grunde genommen äußerst obszöne Sendung ansehen, nicht alles zugemutet. Erst einmal ist da dieser Raab, nach dem das Ganze … BLASPHEMIE! … schon mal gleich benannt ist. Der Typ kuschelt nicht mit der Bild und ist auch sonst kein perfekter Schwiegersohn. Er grinst ständig, gibt sich wenig Mühe, seinen Ehrgeiz zu verstecken, steckt seine leicht untersetzte Figur in stets die gleichen Sakkos oder teils unvorteilhafte Sportsachen und quasselt andauernd dazwischen. Er tut sich weh in der Sendung, blamiert sich, wird sogar manchmal unsympathisch. In jeder der durchaus zahlreichen Minuten von Schlag den Raab gibt sich Stefan Raab kaum Mühe, um deutlich zu machen: Das hier ist meine Sendung, ich bin hier der King of Jägerschnitzel; aber heult nicht rum: Kommt doch her und schlagt mich!

Und das sollte doch zu schaffen sein! Aber warum können die ganzen Bundeswehr-Piloten, Zehnkämpfer und Marathon-Chirurgen-Nobelpreisträger keinen Buggy steuern? Warum weiß der Muckibuden-Germanist nicht, wo Neustadt-Glewe auf der Landkarte zu finden ist? Und wieso, beim heiligen Elton, wieso laden die immer wieder irgendwelche superklugen Jahrhundertsportler ein, anstatt mal in den Kindergärten des Landes zu wildern und den in Geschicklichkeits- und Motorik-Spielen geschulten und nervengestählten Eltern der Republik eine mindestens genauso große Gewinnchance zu geben?

Schlimm sind natürlich auch die ebenso zahlreichen wie minutenlangen Werbepausen, die stets damit eingeleitet werden, dass in einem Gewinnspiel unsinnigerweise achtzehn Luxuslimousinen an einen ahnungslosen Sachbearbeiter verlost werden. Aber ich kenne auch niemanden, der jemals eine Schlag den Raab-Sendung an einem Stück durchgesehen hat. Denn diese Sendung ist eine wahre Spiel-Orgie, hinterher ist man wahrlich übersättigt und durch mit dem Thema und überhaupt könnte man doch auch in dieser ganzen Zeit …

… selbst was spielen. Tja. Volleyball, Basketball, Fußball, Eishockey, Handball. Laufen, Springen, Werfen. Fahren, Klettern, Kriechen, Balancieren, Jonglieren. Puzzlen, Raten, Kombinieren, Merken. Wissen, Nachdenken, Schätzen, Pokern. In dieser Mannigfaltigkeit kommt keine Spielshow mit, und sei sie noch so frisch und neu und klug und erfolgreich. Und warum sitzen Menschen in Zeiten des Internets nachts um zwei vor dem Fernseher, um zwei Durchschnitts-Typen dabei zuzusehen, wie sie versuchen, Ringe an einen Haken zu schwingen? Welche reguläre Live-TV-Sendung dauerte zuletzt länger als sechs Stunden?

Schlag den Raab hat 2006 begonnen. Ab 2007 gab es für Wetten dass..? kaum noch Marktanteile über 40 Prozent. Und dann die Frage: Ging es denn dort, schon bei Thomas Gottschalk, dann bei Markus Lanz, zuletzt überhaupt noch hauptsächlich um die Wetten? Diese Verrücktheiten, die in den Tagen darauf in der Republik aufgeregt besprochen worden sind? Wohl kaum noch. Gegenfrage: Hat Deutschland im November 2014 kollektiv darüber diskutiert, dass zwei Menschen es fast eine geschlagene Stunde nicht geschafft haben, ein englisches Kneipenspiel zu beenden?

Nun. Im Netz war es kurz ein Thema, bei den Menschen hier und da auch noch. Aber die Straßenfeger-Zeiten sind vorbei. Viele Kanäle, viele Interessen, viele Inhalte. Aber da gibt es etwas, das sendet Spiele galore, sechs Stunden zur Wochen-Prime-Time, in einem der größten Privatfernsehsender, in einer der größten Volkswirtschaften der Welt. Fünfzehn Spiele. Jedes Mal andere, manchmal Kinderspiele, manchmal Kindgebliebenenspiele, manchmal Spiel, von denen man nicht wusste, dass es sie gibt. Mann gegen Mann, Mann gegen Frau. Es ist so simpel, und warum ist eigentlich vorher niemand darauf gekommen?

Und wenn wir denn theoretisch werden wollten, dann wäre Lanz der Homo faber, wogegen Stefan Raab der aktuell wahre Homo ludens der Republik ist:

… wonach der Mensch seine Fähigkeiten vor allem über das Spiel entwickelt: Er entdeckt im Spiel seine individuellen Eigenschaften und wird über die dabei gemachten Erfahrungen zu der in ihm angelegten Persönlichkeit. Spielen wird dabei der Handlungsfreiheit gleichgesetzt und setzt eigenes Denken voraus. Das Modell besagt: Der Mensch braucht das Spiel als elementare Form der Sinn-Findung.

Nicht umsonst grinst Raab im Trailer zur 50. Sendung in die Kamera und sagt unschuldig: „Ich will doch nur spielen!“ Das ganze Gedöns bei Schlag den Raab, die Musik-Acts, der Moderator, der Kommentator, die Reklame, die Reklame-Pausen, die Gegner-Suche – alles nur Beiwerk. Der Kern ist: Zwei Menschen spielen ein Spiel gegeneinander. Einer hat seit Jahren kaum nachlassenden Spass daran, das ist wohl trotz aller Poserei offenkundig, Und weil das so ist, weil der Mensch das Spiel braucht, und nicht nur das Handwerk, deswegen gibt es Schlag den Raab noch, und Wetten dass..? ist nicht mehr da. Glaube ich. Ich bin mir allerdings sicher, dass auch diese krude These spätestens dann dem Lauf der Geschichte geopfert werden wird, wenn es dazu dient, das entscheidende 15. Spiel zu gewinnen.

So. Als Rausschmeißer noch ein knapp zehnminüter Auftritt von Stefan Raab in der „Harald Schmidt Show“, wo es zwar weniger um das Spielen geht als um die Show und vor allem, wer den längeren … Atem hat, das Publikum zu begeistern und von sich einzunehmen. Er endet dann allerdings damit, dass Raab mit kindlicher Freude mit einem Schlauch im Mund spielt und dabei enthusiastisch eine Fernsehkinderfigur besingt. Der Clip ist aus dem Jahr 1996 und zeigt, wie sehr Stefan Raab jede sich bietende Möglichkeit nutzt, sich unterhaltsam zu präsentieren – und wie sehr sein Sinn für Timing, Pointen und Rhythmus schon damals, also vor etwa 18 Jahren, ihn knapp zehn Minuten bei einem noch halbwegs angriffslustigen Harald Schmidt mehr als nur überstehen ließen:

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Netz Politik

Chaos im Universum von Cyber

cyberZum Thema Datenabhörskandal soll ein schöner Satz, der am späten Donnerstagabend in der Talkshow von Anne Will gesagt wurde (hier auf Youtube), nicht vergessen werden.

„Da herrscht ein wildes Durcheinander im Universum von Cyber“, konstatierte der renommierte Historiker Michael Stürmer (74) mitten in der lebhaftesten Diskussion, und es fehlte im Prinzip nur noch, dass die Redaktion im Hintergrund das bedrohliche Darth-Vader-Thema aus Star Wars eingespielt hätte.

Das Universum von Cyber! Vermutlich Millionen Lichtjahre entfernt, da kann ja niemand den Überblick behalten. Damit wird auch klar, was Angela Merkel (58) im Vorfeld des Obama-Besuchs in Berlin meinte, als sie betreffs des Cyber-Universum feststellte: “Das Internet ist für uns alle Neuland.”

Aber mal abgesehen von der poetisch-possierlichen Wortwahl: Michael Stürmer hat etwas ganz Wichtiges zur Sprache gebracht. Nicht die filmreife Personalie Edward Snowden ist das eigentlich aufregende Thema des Skandals. Sondern das in der Tat wilde Durcheinander, das in dem Daten-Geflecht aus Geheimdiensten, Netz-Giganten und privater Nutzer offenbar entstanden ist. Der klar artiklierte Wille, das zu beleuchten und zu entwirren sollte nach Prism und Tempora auf keiner politischen Agenda mehr fehlen.

(„Unten rechts“ im Nordkurier vom 5. Juli 2013, Foto: Digital Game Museum via flickr unter CC-Lizenz by)

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Spaß

Das Rezept für ein Lammbraten: Ein Lammbraten.

Ich bin in letzter Zeit sehr berühmt geworden. Ich hab die Waldbühne in Berlin gerockt, ich bin mit einem Orchester durch die großen Hallen dieser Republik getourt. Alles wurde immer fetter, ich auch. Jetzt bin ich wieder solo.

Ja, Rainald Grebe ist mit den Jahren nicht schmaler geworden, dieser Umstand ist schwer zu leugnen. Sonst hat sich an der Grebeschen Bühnenkunst im vergangenen Jahrzehnt wenig geändert: Ein Mann, ein Piano, ein Indianderhaarschmuck. Mecklenburg-Vorpommern besang er als „wunderwunderschön, aber arm wie eine Tüte Sand“, und auch die restlichen vier neuen Länder bedachte er in einem Anflug von Kulturaufbau Ost mit großartigen Spott-Hymnen.

Heute Abend kommt Rainald Grebe im Fernsehen. Das Rainald-Grebe-Konzert (heute bei 3sat ab 20.15 Uhr) startet mit einem Kondom, das er während des ersten Lieds über seinen Kopf zieht und mit der Nase aufbläst, bis es knallt. Danach steigert sich der Künstler aber noch, und das sollten sich alle ansehen, die …

Nein. Das sollten sich alle ansehen.

(Gerne auch nicht am Fernsehgerät, in der 3sat-Mediathek, wann immer man möchte, zumindest bis 1. April.)

Und ja, hier werden generell alle Liedermacher so unkritisch abgefeiert, die ein Lied mit dem Namen „Kassettenrekorder“ machen.

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„Black Hawk Down“ statt „Das Professoren-Kollegium tagt“

HEUTE
Fernsehprogramm im Nordkurier vom 9. Dezember 2011

 

VOR 30 JAHREN

Fernsehtipps im Nordkurier vom 14. Dezember 1981

aktueller tv-tipp

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Wenn das ZDF in die Champions League will …

Logo Nordkurier… dann muss es was bezahlen. Warum ich 54 Millionen für leicht überteuert halte und noch mehr zum Thema Fußballfernsehrechte steht drüben im Sportkurier-Blog.

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Neubrandenburg

Auf dem Boden des Tollensesees

Tollensesee

Da liegt eine Menge Schrott. Weil der See zwar lang und tief, aber nicht sonderlich breit ist (10 mal 2 Kilometer), eignete er sich während des Zweiten Weltkrieges hervorragend zum Torpedos testen. Die Torpedoversuchsanstalt (TVA) wurde später gesprengt, die Trümmer der künstlichen Insel ragen heute noch aus dem See. Ein paar Wracks von Torpedohebeschiffen und -plattformen sowie einige Testtorpedos liegen in etwa 20 Meter Tiefe im See verstreut.

Der MDR hat in dieser Woche in seiner Serie mit dem guidoknoppesken Namen „Der Osten – Entdecke wo du lebst“ einen halbstündigen Beitrag zur TVA gezeigt. „Gebunkerte Geheimnisse: Die Wunderwaffe im Tollensesee“ beleuchtet die Entstehung der Anstalt, die Arbeit dort und das Ende im April 1945. Auf der Webseite gibt es eine Handvoll Bilder zu dem Film und drei Videoschnipsel. Unter anderem ist zu sehen, wie ein Mini-U-Boot am Grund des Sees nach Wracks gesucht hat.

Schon mächtig gewaltig, dieses riesige Gebäude mitten auf dem See und die Ypsilon-förmige Eisenbahnbrücke dahin. Die Reste der TVA sind mittlerweile gut durch Tauchsportler erschlossen, Legenden von Bunkern oder geheimen Gängen unter Wasser konnten so widerlegt werden. Dass aber nicht jeder Taucher von seinem Erkundungsgang auch wieder hochgekommen ist, hört man nach wie vor immer mal wieder. Gut erinnern kann ich mich auch an den kleinen Schauer, den ich als Kind beim nahe Vorbeirudern von meinem Rücken verscheuchen musste, diese Seeruine direkt vor der Nase hatte schon etwas latent Beunruhigendes.

Linktipps
MDR-Sendung „Gebunkerte Geheimnisse: Die Wunderwaffe im Tollensesee“
Bebilderte Beschreibung der TVA von Taucher Udo Krause
Das Buch zum Thema: „Die Torpedoversuchsanstalt Eckernförde – Abt. Neubrandenburg“ von Oliver Zimmermann
Unterwasser-Bilder und noch mehr Unterwasser-Bilder