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Familie Spaß

Spazierendenken mit Luise

Meeressonne

Gerade mal einige Minuten mit der Tochter gehabt. Alleine. Also nicht mal nur alleine von Andermenschen, sondern auch von Tätigkeiten, Erledigungen erledigen und dringende Dringlichkeiten entdringlichen.

Einfach nur mal einige Minuten mit ihr gehabt. Alleine.

Wir sponnen sehr. Dachten uns Dinge aus und lachten danach darüber. Einfach so. Erfanden Geschichten und Charaktere. Waren Drehbuchschreiber, Bestsellerautor, Grübelkomponist und Requisiteure in einem. Gaben dem Fantasie-Affen ganze Zuckerwürfelpaletten. Hatten Spaß, und das nicht zu wenig.

Wir malten uns aus, wie es wohl wäre, wenn sie der Vater wäre und ich die Tochter. (Katastrophe!) Wie es wohl aussähe, schielte ich, und sie würde stottern. (Eher unkorrekt, ich weiß.) Turnten herum und kicherten, wenn doch mal jemand aus der Außenwelt vorbeischlurfte.

Dann, am Abend, erinnerte ich mich an einen jahrealten Blogbeitrag und fand ihn ganz passend. Denn, so schien mir, wir hatten im Prinzip unsere Zeit mit dem Besten verbracht, was es so gibt: Miteinander, und mit Spazierendenken.

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Sport

Auf dem Trampelpfad zum Titel – Miroslav Klose

Germany vs USA | Miro Klose

Foto: Boomcha7 via Flickr unter CC-Lizenz by-nc-nd

Es war ein typischer Klose.

Lazio gegen Inter, Rom hat ganz gute Torchancen, Mailand weniger gute, zehn Minuten vor Schluss steht es 0:0. Angriff Lazio, Roms Stürmer Miroslav Klose lauert auf Höhe des Elfmeterpunkts etwa zwei Meter schräg hinter seinem Gegenspieler. Eine Flanke betritt von rechts den Strafraum. Schon als der Flankende zum Schusse anhob, startete die Miro-Maschine: Blick nur noch zum Ball, Körperschwerpunkt tiefergelegt, sieben schnelle Sprintschritte. Mit dem vierten war er am Gegenspieler vorbei, dessen – nur allzu verständlicher – Fehler es gewesen war, sich im Strafraum gleich zwei Mal zu Klose umzudrehen. Wo steckt Klose? Was macht Klose? Beim zweiten Umdrehen verpasste er den Vorspann zur Flanke; und als er sie registrierte, war es schon zu spät: Klose war längst vor ihm, hielt den rechten Fuß hin und schoss Lazio zum verdienten Sieg.

In einem Interview hatte Miroslav Klose mal gesagt, dass er durchaus „ein ziemlich dickköpfiges Bambi“ sein kann. Das ist keine schlechte Näherung an den Toreschießer der Nation. Scheu wie ein Jungreh, wenn es darum geht, große Worte und Reden zu schwingen oder totalarschlochig zum Erfolg zu kommen, dafür stur wie ein echter Pommernbursche, wenn der Ball ins Tor muss. Das klassische Beispiel dafür ist für mich das 1:0 im WM-Achtelfinale 2010 gegen England, als sie ihm wahrscheinlich noch drei weitere Briten ans Bein hätten binden können – Klose hat das Tor gewollt, Klose hätte das Tor gemacht.

Wenn die Nationalmannschaft am 16. Juni gegen Portugal in die WM startet, wird Miroslav Klose gerade 36 Jahre alt geworden sein. Seit 13 Jahren ist er bereits Miro Nationale. Und so Kloses Körper denn mitspielt, dürfte er sich an diesem Tag auch in der Arena Fonte Nova in Salvador aufhalten. Ob in der Startelf oder auf der Ersatzbank: Dieser Stürmer ist für die DFB-Elf unverzichtbar. Denn es gibt viele großartige deutsche Angreifer, aber nur noch wenige Weltklasse-Stürmer. Das ist Miro Klose zwar auch nicht mehr, aber er hat noch so seine Momente – wie diese 81. Minute gegen Inter Mailand. Und auf genau diese Momente sollte Joachim Löw nicht verzichten wollen.

Ja, ich kann Miroslav Klose auch sonst ganz gut leiden. Er salbadert nicht umher, arbeitet für seine Mannschaft, hat ein fantastisches Kopfballspiel. Er scheut keinen Zweikampf, besitzt einen tollen Blick für den richtigen Pass, gibt nie auf. Er hätte die WM-Rekorde verdient (noch zwei Tore, noch sieben Spiele), er hat Zwillinge, er ist ein Zimmermann. Doch selbst, wenn er das alles nicht wäre und hätte: Wenn Deutschland im Viertelfinale in der 70. Minute 0:2 zurückliegt, ginge es mir mit einer Klose-Einwechslung gleich viel besser.

Es wird, wenn er denn teilnimmt, die letzte Weltmeisterschaft für Miroslav Klose werden. Es werden schon vor dem ersten Anpfiff zu Recht große Porträts über ihn geschrieben und gesendet werden. Wie allen deutschen Fußballern dieses Jahrhunderts fehlt ihm noch ein Titel, nur wenigen anderen würde ich den mehr gönnen. Doch selbst wenn das nicht klappt: Den einen, finalen Salto muss Miroslav Klose dann doch noch schlagen.

ps: Miroslav Klose sagt: „Ich will keinen Freifahrtschein. Und der Bundestrainer wird auch keinem Spieler einen Freifahrtschein geben. Man muss sich alles selbst erarbeiten wie so viele andere Dinge im Leben.“

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Auf dem Trampelpfad zum Titel:
Carta non grata
Per Mertesacker
Auskatern in Solna

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Blog Netz sl.

Demut

Neubrandenburg von oben

Das gerade frisch entpackte Jahr beginnt hier mit einer kleinen Chronisterei: Einfach mal aufschreiben, was woanders auch schon aufgeschrieben wurde. In einigen Blogs wurde über Demut nachgedacht, und das will ich gerne mal zusammenfassen.

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Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach beginnt das Ganze in seinem Blog „Haltungsturnen“ mit dem Satz „Kinder und Pferde machen demütig.“ Das kann ich zur Hälfte bestätigen. Ebenso kenne ich das Gefühl der Demut, wenn das Leben seine „wilde, unbändige Seite“ zeigt und einen mal ordentlich zurechtpustet. Und das Schlusszitat eines Schweizer Theologen ist ein gar feiner Start in ein neues Jahr, finde ich:

Die einzig mögliche Antwort auf die wirklich gewonnene Einsicht in die Vergeblichkeit alles menschlichen Werkes ist, sich frisch an die Arbeit zu machen.

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Felix Schwenzel mag schon das Wort „Demut“, schreibt er auf wirres.net. Und zwar Demut im Sinne von Bescheidenheit, weniger von Unterwürfigkeit oder Understatement. Sich also nicht klein machen, sondern eben nur klar damit kommen, dass man nicht unfehlbar ist. Diese Demut zu lernen sieht er als erwachsen werden, „die meisten Kinder sind unerträgliche Klugscheißer“, die eben noch nicht wissen können, dass sie oder ihre Götter und Helden wie alle anderen falsch liegen können. Das sehe ich etwas anders. Ich glaube, die meisten Kinder sind eher respektlos, sie haben kein Respekt vor nichts und niemandem, der oder das den Respekt nicht verdient hat. Demut ist für mich dagegen nichts, was ich bei anderen hundertprozentig feststellen oder vermissen kann, sie ist ungleich stiller.

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Benjamin Birkenhake fährt auf „Anmut und Demut“ fort: „Man kann nicht demütig sein und zugleich ein KZ führen. Sie ist eine der Tugenden, die uns vor der Barbarei bewahrt.“ Für ihn ist Demut deshalb eine Primärtugend und eine ewige Warnung und Mahnung: Komm’ ab und zu wieder auf den Boden, sonst wird es mal eine Schlechtes mit dir werden! Und ganz besonders gefällt mir der zeitgeistige Aspekt in seiner Annäherung. Wir haben doch schon alles, was für unser Glück brauchen, lasst uns doch mal Genügsamkeit als Tugend und nicht als Schwäche ansehen. Lasst uns doch mit dem bereits Vorhandenem Neues, Besseres kreieren, anstatt nach Mehr zu streben, dass zwar mehr ist, aber mitnichten besser, sondern eben nur: mehr. Und das klingt nur konservativ, ist aber eher subtile Gesellschaftskritik:

Die Demut ist mir eine Absage, an ein Mehr, das in der Zukunft liegt. Die Demut weißt mehr Gehalt, mehr Einfluss, mehr Klicks, mehr Schulterklopfen zurück und sagt beständig: Du hast schon alles, was Du brauchst, um glücklich zu werden. Die Demut richtet sich damit aktiv gegen Macht, Ruhm und Konsum.

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Daniel Brockmeier unterzieht die drei Beiträge auf seinem Blog „Privatsprache“ einer philosophischen Analyse und wechselt am Ende mal ein wenig die Perspektive (oder eben „Perspektiefe“, so wie er seine Blog-Kategorie nennt). Die Demut ist nicht so seins, „weil Demut Unterwürfigkeit zumindest konnotiert.“ Skepsis, Zweifel, Altruismus, Genügsamkeit, Bescheidenheit – das ja, aber Demut: nein. Das geht ihm zu etwas zu weit, schreibt er und zitiert Nietzsche, der das demütige Christentum „Sklavenmoral“ nannte. Demut sei immer nur gut und wichtig, wenn sie richtig eingesetzt wird. Ich finde das einen wichtigen Einwurf, den auch die größten Demut-Fans nicht vergessen sollten: Sich nicht in einer Haltung – und sei sie noch so verlockend universal einsetzbar – komplett ergehen, sondern wach bleiben, beweglich, immer auf der Suche nach dem einen Moment, an dem es für einen selbst oder für andere, einem nahe Menschen nicht mehr funktioniert.

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Dann noch eine Replik von Benjamin Birkenhake, der einiges nochmal ausdifferenziert und vor allem deutlich macht:

Viertens halte ich die Demut (wie alle andere Tugenden) ja nicht für eine Supertugend, auf deren Urteil allein man sich verlassen kann und sollte. Moralischer Fortschritt scheint mir dann am effizientesten, wenn die Demut Begleitung von aktiveren Tugenden hat (wie der Anmut zum Beispiel, hehe).

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Jawoll, eine Tugend kommt eben selten allein. Aber ich finde, wenn man gerade eine Wette verloren hat oder noch nach frischen Vorsätzen sucht oder generell mal eine frische Denkrichtung einschlagen möchte oder einfach nur auf Gedankenexperimente steht, der liegt mit mit einer kräftigen, gesunden Demut schon mal gar nicht verkehrt.

Sie mutet ein bisschen wie eine hipsterige Erste-Welt-Tugend an, etwas für Leute, die offenbar keine ernsteren Probleme haben. Aber das ist es nicht. Es ist auch kein Good-Feel-Baustein aus einem dieser Lebenshilfe-Ratgeber-Bestseller-Bücher, hey, mal ’me Prise Demut, dann wird das schon wieder, Kopf hoch!

Ich sehe Demut eher als eine Leitplanke, die – nicht immer, aber eben an den neuralgischen Lebensunfallpunkten – den Weg nicht einengt, aber begrenzt; die falsche Energie absorbiert und einen sanft wieder auf die Straße bringt, auf dass man nicht auf dem freien Feld landet und versumpft. Manchmal ist so ’ne Leitplanke arg uncool, weil es trocken ist und hell und man die 70er-Kurve locker mit 110 nehmen kann. Doch wenn es stürmt und schneit und es stickeduster ist, und man war noch nie in dieser Gegend und übertreibt es dann aber doch ein wenig mit der Geschwindigkeit – dann weiß man sie zu schätzen.

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Musik Ratgeber

Der Prokrastinations-Tipp zum Jahresende: Caustic

Und jahresabschließend noch ein kleiner Tipp für musikliebende Menschen mit Internetzugang und viel Zeit an, zwischen und nach den Feiertagen. Denn es gibt da ein Ding – früher hätte man ja „Programm“ gesagt, heute würde man es „App“ schimpfen –, mit dem Frickelfuzzis ganz vortrefflich Musik machen können.

Das Ding heißt Caustic und ist hier zu bekommen. Ganz unten auf der verlinkten Seite gibt’s das Teil auch für Windows, weil der Spaß am Tablet oder Smartphone wurstfingerbedingt durchaus endlich ist. Es hat viele Aufnahmespuren und diverse Synthesizer-Module und natürlich einen Mixer samt Effekten und einen Sequenzer und ganz viele kleine bunte Knöpfe, an denen man stundenlang herumdrehen kann (Screenshots und Videos von dem Spaß gibt’s hier auf der App-Seite).

Ein kleines selbst zusammengestückeltes Musikbeispiel folgt anbei. Es heißt „Dreizehn Töne“, weil von c bis h jeder der zwölf Halbtonschritte einer Oktave mal Bass sein durfte und durch einen Anflug von Spendabelität noch einer draufgelegt wurde. Allen Lieben wünsche ich jedenfalls ein sanftes Weihnachten und ein prima 2014!

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Familie

Lilly and Benno looking at things III

Lilly + Benno

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Musik Sport

Die Entstehung des Langer-Songs:
Roy Keane und der „Saipan Incident“

So ist das mit diesem Internet: Du siehst ein lustiges Video, gugelst ein bisschen und studierst plötzlich die halbe Nacht die Geschichte des irischen Fußballs.

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Ich habe hier neulich den Langer-Song vorgestellt, der zwar vorne so heißt wie ich hinten, aber eigentlich einen – im Dialekt der irischen Stadt Cork Langer genannten – ungehobelten Proll besingt. Und dass es dieses gesellige Liedchen überhaupt gibt, hat einzig mit einem sturköpfigen irischen Fußballer zu tun.

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Es war vor der Fußball-WM 2002 in Japan und Südkorea. Die irische Nationalmannschaft bereitete sich mit einem Trainingscamp auf Saipan, einer Insel mitten im Pazifischen Ozean, auf die klimatischen Bedingungen in Japan vor. Der damalige Mannschaftskapitän: Roy Keane, ein hitzköpfiger Mittelfeldspieler aus Cork.

Roy Keane fand die Bedingungen auf Saipan eines WM-Teilnehmers unwürdig und überhaupt seien der irische Fußballverband und nicht zuletzt Trainer Mick McCarthy eher unprofessionell und inkompetent. Und wie das so die Art von Roy Keane war, hatte er wenig Probleme damit, seine Vorwürfe über die Presse öffentlich zu machen.

Daraufhin stellte ihn der Trainer vor versammelter Mannschaft zur Rede. Doch Roy Keane gab nicht etwa klein bei, sondern entlud seine geschundene Iren-Seele in einem mehrminütigen Monolog, wobei er sich wiederholt ungebührlicher Vokabeln bedient haben soll. Schließlich erklärte Keane, dass er bei der WM nicht für Irland spielen und überhaupt nun abreisen werde.

Roy Keane, Cork LegendFür Irland, dass sich damals erst zum dritten Mal überhaupt für eine WM qualifizieren konnte (und es seither auch nie wieder geschafft hat), war The Saipan Incident (hier der Wikipedia-Eintrag auf Englisch, hier eine umfassende Dokumentation) ein Riesen-Schock und monatelang Stoff für unzählige Kneipen-Diskussionen. Hatte Keane recht mit seiner harschen Kritik oder hatte er sich schlicht wie ein dummer irischer Gossenjunge verhalten?

Man muss dazu sagen, dass Keanes Heimat Cork von dessen Einwohner als wahre Hauptstadt Irlands gesehen und oft für den besonderen Unabhängigkeitswillen der Corkuianer gepriesen wird. Die eine Hälfte der Iren (vor allem viele Dubliner) waren nun sauer auf Roy Keane, weil er sein Team im Stich gelassen hatte. Die andere Hälfte aus der Gegend um Cork war stolz auf ihren Helden, der sich von den Funktionären nicht hatte verbiegen lassen. Die Irish Times schrieb später, dass die meisten Iren mindestens eine Geschichte von Streit in der Familie, zwischen Freunden oder Kollegen kennen – wegen Roy Keane.

Und da nun in Keanes Wutrede auf Saipan desöfteren „you’re a fucking Langer“ in Richtung McCarthy gebrüllt worden sein soll und Roy Keane auch in nachfolgenden Äußerungen alles und jeden gerne mit dem dem Cork-Slang entlehnten Schimpfwort bedacht hat, bekam „Langer“ eine fragwürdige Berühmtheit und inspirierte schließlich Songwriter Tim O’Riordan zum Langer-Song, der 2004 in Irland die am meisten verkaufte Single war.

* * *

Ich weiß zwar noch nicht ganz, wie ich diese Song-Genesis meiner Sippe beim nächsten Familienfest vermitteln kann, aber das wird schon noch. Übrigens bin ich auch gar nicht der Einzige, der über Roy Keane und die Musik schreibt. Auch der geschätzte Trainer Baade hat justament Mister Keanes Verbindung zu Morrissey offengelegt. Roy Keane scheint im fußballkulturell-musikhistorischen Kontext offenbar ’ne Menge herzugeben. Liegt aber bestimmt in der reichhaltigen britischen Stadionsgesangstradition begründet, das Ganze.

So, jetzt ist aber Schluss. Obwohl … einmal kann man ihn ja doch noch mal hören, den Langer-Song, mitsamt seiner zweiten Strophe, die dem Corker Jungen Roy Keane und dem Saipan Incident gewidmet sind:

And our hero Roy Keane
Footballer supreme
The finest this country and Man U’s ever seen.
And we’d have won the World Cup
But Mick McCarthy fouled up.
Roy was dead right to call him a langer!

Foto: Adrian, Acediscovery auf Flickr unter CC-Lizenz by-nc-nd
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Sport

Auf dem Trampelpfad zum Titel – Carta non grata

Mit der Statistik ist das im Fußball ja immer so eine Sache. Aber trotzdem.

Referee

Foto: John Henry Mostyn auf Flickr unter CC-Lizenz by-nc-sa

In den 101 Spielen, die Joachim Löw die deutsche Nationalmannschaft mittlerweile betreut hat, sahen die Männer mit dem Adler auf der Brust 100 Gelbe Karten (Gelb-Rot/Rot = 2 Gelbe). Mein Big-Data-Rechenorakel verrät mir nun: In jedem Spiel seit dem Juli 2006 hat durchschnittlich ein deutscher Nationalmannschaft eine gelbe Karte gezeigt bekommen.

Das ist nicht viel. Im Gegenteil: Das ist sogar sehr wenig. Die aktuelle Kartenstatistik der Bundesliga und 2. Liga zeigt, dass lediglich Dortmund (1,1), Bayern, Wolfsburg (je 1,3) sowie Schalke und der 1. FC Köln (1,4) halbwegs in die Nähe des Löwschen Schnitts kommen. Und hier sind die Gelb-Roten und Roten Karten nicht mal mit eingerechnet.

Auf diesem handelsüblichen Kartenschnitt spielte die DFB-Elf auch in den sechs Spielen nach dem Trainerwechsel 2006 (1,83 Gelbe Karten pro Spiel). Dann sank der Schnitt rapide (2009: 0,63), um sich auf immer noch niedrigem Niveau einzupendeln (2012: 1,07, 2013: 1,36). Es gab Zeiten (2009/2010), da hat die Mannschaft in sechs Spielen eine einzige Karte kassiert.

Ohne die Zahlen vor Löw genau zu kennen, möchte ich behaupten: So wenig gelb war selten. Die Gelbe Karte ist in der aktuellen Spielphilosophie ein unerwünschter Gast, eine Carta non grata quasi. Sie gehört für Löw nicht zum Fußball dazu, sondern ist bei Spielentgleisungen dann eben hinzunehmen. Nägschde Mal müssen wir des anderslösn, gansglar.

Die Nationalmannschaft will den Ball haben und halten und spielen und behalten und damit Tore schießen. Sie will ihn zurückerobern, nicht ihn sich erkämpfen müssen. Dräut am Horizont ein Zweikampf herauf, ist ein kluges Abspiel die erstbeste Option. Das Duell Mann gegen Mann ist potenziell gelbgefährdet und überhaupt risikobehaftet – schließlich könnte der Ball verloren gehen – und von daher zunächst mal die schlechtere Option.

Wie oft saß ich vor dem Bildschirm und habe spieleuphorisiert den ballführenden Germanen angefeuert: „Jau! Und los jetzt! MACH! IHN!! NACKISCH!!!“ Und dann sank ich desillusioniert zurück, weil der Systemspieler den taktisch wertvollen Flachschnellpass wählte. Kein Zweikampf, keine Karthasis, keine Gelbe Karte. Aber ja eben auch: kein Ballverlust.

Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum das moderne 80-Prozent-Ballbesitz-Passfußballspiel manchmal von auch ansonsten durchaus besonnen daherkommenden Menschen einfach nur gehasst wird: Weil diese verfluchten Tikitakerianer einem verdammt nochmal das Meersalz in der Suppe vorenthalten. Die Zweikämpfe. Die dann ab und an zu Fouls und Gelben Karten führen.

So weit, so gut, so nachvollziehbar. In Löws Zeit (101 Spiele) hat die deutsche Mannschaft allerdings ganze 16 Spiele mehr Gelbe Karten als der Gegner erhalten. In jedem sechsten Spiel nur. In keinem der drei wichtigen Spiele der Löwschen Ära (2008 gegen Spanien, 2010 gegen Spanien, 2012 gegen Italien) hat die Mannschaft öfter gelb gesehen als der Gegner.

Und jetzt nochmal zum Anfang: Mit der Statistik ist das im Fußball ja immer so eine Sache. Was bedeuten schon Gelbe Karten? Was bedeuten Durchschnitte, in denen auch Gurkenspiele zählen und Fehlentscheidungen? Was bedeutet eine Gelbe Karte mehr als der Gegner, wenn der nunmal öfter ins Tor trifft? Ja, genau: Im Zweifel jarnüscht.

Aber trotzdem. Sind wir uns einig, dass wir in diversen Spielen von Bedeutung zu ganz bestimmten Momenten Spielaktionen bei den Deutschen vermisst haben, die – wenn es doof läuft – auch zu einer Gelben Karten – Ihgittigitt! – hätten führen können? Wurden diese Aktionen vermieden, weil Gelbe Karten böse und unter jeden Umständen zu vermeiden sind? Sitzt das Löwsche Taktikkorsett zu eng, wenn es mal eng wird? Hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu viel Angst vor Gelben Karten?

Und ich meine damit nicht bösartige Fouls, Schwalben oder alberne Nicklichkeiten. Ich meine ehrliche Zweikämpfe, die mit aller Vehemenz geführt werden, weil da jemand der Meinung ist, jetzt müsste aber mal ein ehrlicher Zweikampf geführt werden. Nicht das ganze Spiel lang, aber manchmal. Und ich schreibe bewusst auch nicht von einem wie auch immer gearteten Klopper vom Dienst, der mal eben Leader spielt, die Fresse aufreißt und in der Gegend umherholzt.

Na ja. Dünnes Eis, ich weiß. Die Mannschaft ist neben Spanien die erfolgreichste Nationalelf der Welt und spielt einen großartigen Fußball. Ihr fehlt ein Titel, aber es gibt Schlimmeres. Ich fände es aber gut, bekäme sie in einem „Spiel um alles“ mal mehr Gelbe als der Gegner – und schösse dann mehr Tore. Das wäre schön.

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Haus

Die Erde am Wolfswinkel

Weil ihr Großvater ein Faible für Elektronik sein eigen nennt und ab und an Konrads Katalog durchschmökert, haben Charlotte und Luise am Wochenende Dinge mikroskopiert. Und unter anderem eben auch: Erde von vor der Haustür. Und weil außer Klopapier ja kaum noch Geräte ohne USB-Anschluss gebaut werden, kann ich hier Erde ins Blog schmieren, ohne mich und es dreckig zu machen:

Ziemlich unerdig sieht sie aus, finde ich. Sollten findige Erdkundologen darin selten Erden erkennen, bitte ich um eine kleine Nachricht; an der Gewinnbeteiligung soll es nicht liegen.

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Neubrandenburg

Weil sie es so nicht sagen: Stadtwerke Neubrandenburg erhöhen für 2014 die Gaspreise

320px-Firmensitz_Neubrandenburger_Stadtwerke_GmbHWie viele andere Neubrandenburger habe ich heute Post von den Stadtwerken bekommen. Thema: Die Energiepreise für 2014. Und man hat eine „sehr gute Nachricht“ für mich: Der Strompreis bleibt gleich.

In der Tat ist das sehr gut, man hört und liest da ja so einiges. Und weil die Stadtwerke so gut sind, soll ich sie weiterempfehlen. Wie das genau funktioniert und wer warum die 20 Euro Weiterempfehlungs-Prämie wann bekommt, wird im Folgenden auf 18 Zeilen detailiert beschrieben.

Davor steht noch ein Satz: „Ihren Strom- und Gaspreis für das Jahr 2014 finden Sie auf der Rückseite dieses Schreibens.“ Ach genau, Gas gibt’s ja auch noch. Flink den Brief umgedreht, da stehen dann alle Grund- und Arbeitspreise in brutto und netto.

Und um es kurz zu machen: Die Neubrandenburger Stadtwerke erhöhen für 2014 die Gaspreise. Das ist eine weniger gute Nachricht und steht so auch nicht in dem Brief. Das ist aber so. Ich bezahle ab Januar 3,2 Prozent mehr für das Erdgas, im Jahr dürften das für uns etwa 50 Euro Mehrkosten bedeuten.

Die nette Frau an der Hotline sagte mir, dass dies für alle Gas-Tarife gelte. Sie hat mir dann auch gleich einen anderen Tarif empfohlen; ich werde wohl demnächst mal in die John-Schehr-Straße gondeln. Und überhaupt kann ich von der neu-sw-Hotline nur Gutes berichten, die sind da immer freundlich und schnell und hilfsbereit.

Aber dass die Stadtwerke sich nicht trauen, ihren Kunden die ganze Wahrheit zu schreiben, das ist schade. Da bekommt das neu-sw-Motto „Das und mehr!“ leider einen etwas herberen Beigeschmack.

Foto: Malte Penndorf (via Wikipedia unter CC-Lizenz by-sa)
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Bild Blog Familie

Meer

Dieser Text ist Teil der Blogparade „Mein Text zum Meer“, die jüngst auf dem Jazzblog gestartet wurde. Und da es Texte zum Meer ja gar nicht genug geben kann: Macht mit und schreibt doch auch einen! Und vier Jahre später sind diese Zeilen außerdem stolzer Teilnehmer des #SepteMeer.

Ostseeblick

Das war am Wochenende schon kein Nebel mehr, aber auch noch kein Regen. Auch Niesel trifft’s nicht, eher noch könnte man es mit „der Himmel hatte gerade einen kräftigen Schluck Wasser genommen und musste wegen eines guten Witzes plötzlich alles auf einmal rausprusten“ adäquat beschreiben. Dazu achteinhalb Grad Celsius und die Weltfarbe grau.

Es ist das perfekte Wetter, um sich mal wieder alte Bilder anzusehen.

Und wie ich so durch die Ordner stromere, fällt mir ein Motiv auf, das sich jedes Jahr wiederholt. Und zwar ausnahmslos. Meist gehört das Bild nicht zu den aufregendsten, es beruhigt durch Reduktion aufs Wesentliche und den Mangel an Bewegung, Leben, Gesichtern.

Es zeigt einen Menschen vor der Ostsee. Man sieht nur seinen Rücken, ab und zu verweht ein deftiger Seitenwind seine Frisur. Er hat die Hände in den Taschen (wenn er denn Hosen mit Taschen anhat) oder vor der Brust verschränkt oder in die Hüfte gestemmt oder lässig seitlich baumeln. Er steht da ganz ruhig, wahrscheinlich verharrt er für einige Momente.

Dieser Mensch braucht jetzt gerade gar nichts anderes, nur sich und frische Luft und das Meer. Die uralte Frage, ob der regelmäßige Wellenschlag seine Füße erreichen wird, ist ihm genug an Spannung; die ab und zu durch seinen Blick segelnden Möwen oder schippernden Boote reichen ihm an Aktion. Denn er muss demütig einsehen, dass er der Mensch ist und das da vor ihm das Meer.

Das Riesenwasser füllt den halben Horizont aus, er kümmerliche zwei Fußstapfen. Das Wasser hat alles, was er kennt, hervorgebracht, er hat bisher ein bisschen gebaut, gezeugt, gepflanzt, geschrieben. Noch in Tausend Jahren wird das Meer hier sein, er dagegen muss nachher gleich los, Abendbrot essen. Und irgendwann ist er ganz weg.

Dieser Mensch auf den Bildern ist manchmal ein Kind oder zwei oder drei, mal ist es eine Frau, mal ein Mann. Mal ist es Winter, mal Sommer, mal früh, mal spät. Immer aber ist es das gleiche Motiv: Ein Mensch schaut aufs Meer. Die Fotos sind nicht inszeniert, niemals hat der Knipser gesagt: „Ey, los jetzt, ab ans Ufer, Augen aufs Meer, und dann stillgestanden!“ Irgendwann an diesem Tag am Meer steht plötzlich jemand allein am Ufer und glotzt in die Gischt und hält inne und atmet ganz tief durch.

Und es ist nichts anderes, als es der Mensch mit seinem Auto an Tankstellen macht: Er kommt da hin, bezahlt mit ein wenig Lebenszeit und bekommt Meeresmomente.

Einmal voll, bitte! Und den Kanister auch gleich noch.