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Sport

Die ungewöhnlichen Trainingsmethoden des Viktor Ponedelnik

Bevor die Europameisterschaft beginnt und allerortens dem hypermodernen Fußball und seinen hochoptimierten Helden gehuldigt wird, möchten wir daran erinnern, dass die Ronaldos, Ibrahimovics, Neuers und Müllers auch nur auf den Schultern von Giganten stehen.

Wie zum Beispiel auf denen von Wiktor Wladimirowitsch Ponedelnik, der bei der ersten Euro 1960 dass Team CCCP, also der Sowjetunion, im Finale gegen Jugoslawien (es ist das einzige WM- oder EM-Finale, wo beide Gegner als Land so nicht mehr existieren) mit seinem Tor in der 114. Minute den EM-Titel bescherte. Wahrscheinlich hatte er zuvor am Ufer des Asowschen Meeres einfach nur ausreichend Steine in die Luft gestreckt.

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Später wurde Ponedelnik – was auf Deutsch Montag heißt und nach dem Finale, das in Russland am Montag früh stattfand, entsprechend launige Schlagzeilen produzierte – Trainer, Sportjournalist und Berater des russischen Präsidenten. Und er blieb, so heißt es zumindest in einer Kurzbiografie aus dem Jahr 2003 über Ponedelnik, „все так же тверд в своих взглядах и пристрастиях в футболе“ („immer noch fest in seine Ansichten und Vorlieben im Fußball“).

Und wer von uns wollte so einen Satz im hohen Alter nicht mal über sich lesen?

(Zuerst erschienen auf Du gehst niemals allein)

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Musik

James Brown ist tot, wer tötete John F. Kennedy, und wer zum Geier ist Elvis?

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Es ist 1991, meine Freundin ist weg und bräunt sich und du willst ein Mashup produzieren. Was tust du? Genau: Doppeltapedeck und ab dafür. So tat ich, und heraus kam dieses:

Als da also höchst simpel ineinandergemischt worden sind: „Who killed JFK“ von Misteria (Youtube, die beiden Produzenten Peter Ries und Wolfgang Filz waren mal in der Band von Sandra), „Who is Elvis“ von Phenomania (Youtube, die beiden Produzenten Jens Lissat und Ramon Zenker haben nicht umsonst einen eigenen Wikipedia-Eintrag) und dem nach wie vor knackigen Rave-Tango-Monster „James Brown is dead“ von L.A. Style (Youtube, dahinter steckt vor allem ein holländischer Chopin-Fan).

Weitere obskure Vertreter der „Wer ist tot und was macht eigentlich James Brown“-Mini-Serie des Technos der frühen 90er waren unter anderem „Helmut Kohl ist tot“ vom Trommeltänzer George Kranz, „James Brown has sex“ von Raimunda Navarro, „James Brown is still alive“ von Holy Noise, „Laura P. is dead“ von X.P.C., „Michael Jackson is in heaven now“ von Obscure FM oder auch die Singer/Songwriter-Neofolk-Hymne „Bruce Willis is dead“ von Mr. Oizo. Und ja, es waren merkwürdige Zeiten 🙂

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Und hier gibt’s noch mehr Kassettenschnipsel!

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Neubrandenburg Politik

Autonomes Dasein auf 40 Seiten: „Politische Postille Neubrandenburg“ von 1993

Beim Stöbern im Internet-Archiv auf ein papiernes Zeugnis der Zeitgeschichte gestoßen. Vor gut 23 Jahren wurde die Ausgabe 6/93 der „Politischen Postille Neubrandenburg“ im A5-Format über die Kopierer gejagt, um die Anarchisten der Region mit neuem Lesestoff zu versorgen. Inhaltlich hatte sich das Periodikum vom Antifablatt (das hieß noch „Antifant) zu einer regionalen anarchistischen Jugendzeitschrift gewandelt.

Sehr schön fand ich dabei auf Seite 9 folgendes Zitat:

Wir sitzen hier gerade so zusammen und überlegen, wie wir unser „autonomes Dasein“ anderen näherbringen können, ohne daß irgendwo irgendwelche Klappen runterfallen, die von Bild, Nordkurier, TV, CDU; SPD und ähnlichen parasitären Vereinigungen kläglich zusammengeschustert werden und wurden.“

Besonders niedlich wirkt das ganze, weil im hinteren Teil der Ausgabe auf ganzen drei Seiten Beiträge der „parasitären Vereinigung“ Nordkurier abgedruckt wurden, die wohl gerade ganz gut in den Kram passten.

Aber wie sah es nun 1993 aus mit den Antifa-Anarchos in Neubrandenburg? Wir bleiben auf Seite 9:

Und hier muß endlich einmal ausgesprochen werden, daß in NB viele Leute erkannt haben, daß es an der Zeit ist, Widerstand zu leisten. Dies zeigen verschiedene Aktionen wie z.Bsp.: Sprüh- und Farbeiaktionen gegen die Deutsche Bank und die Kommerzbank, Sprühaktionen bei Jagd- und Fleischerläden, spontane Ringbesetzungen, Sprühparolen zur Hafenstraße, sowie antifaschistische und antimilitaristische Sprühparolen, verschiedene Plakatklebeaktionen und nicht zuletzt auch Eure Zeitung.

Nun muss heute konstatiert werden, dass Deutsche Bank und „Kommerzbank“ die Antifa-Farbeier offenbar ganz gut weggesteckt haben und eher mit den Niedrigzinsen zu kämpfen haben. Warum die Anarchos Fleischerläden nicht mögen, erschließt sich mir dagegen so gar nicht. Spontane Ringbesetzungen gibt es demnächst bald wieder, wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft einen Sieg erringt – auch das dürfte wenig im Sinne der Linken sein.

Und das war’s dann auch schon zu Neubrandenburg, den Rest der PPN füllen bundesweite Aktionen oder Informationen. Noch ganz niedlich die Anekdote am Schluss, dass der Landes-Chef der Republikaner (die heute in MV quasi nicht mehr existent sind) seiner Ämter enthoben wurde, weil er ein zerkratztes Auto erfunden hat.

Hier also die „Politische Postille Neubrandenburg“ 6/1993 zum Durchblättern:

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Sport

Warum die Giovanni Trapattonis Wutrede in Salzburg noch besser war

Da gestern die legendäre Giovanni-Trapattoni-Wutrede volljährig wurde, ploppten natürlich hier und da wieder Ausschnitte mit den längst in den popkulturellen Kanon eingegangenen Redewendungen auf. Ein wenig schade ist es allerdings, dass ein ebenso beachtenswerter Auftritt Trapattonis in Deutschland deutlich weniger Aufmerksamkeit fand.

Denn was der Maestro 2007 als Trainer des FC Red Bull Salzburg den Journalisten in die Mikrofone sprach, hat mindestens das Niveau der berühmten Bayern-Rede. (Die hat jedoch einen ganz klaren Vorteil: Sie ist deutlich kürzer.)

Fußballphilosophisch geht die Zehn-Minuten-Suada Trapattonis nach DGNA-Ansicht sogar teilweise darüber hinaus, was mit „Was erlaube“ und „Flasche leer“ schon als Gipfel der Sport-Aphorismen angesehen wurde. Wir erlauben uns an dieser Stelle, chronistenpflichtig einige Beispiele zu notieren, verbunden mit dem dringenden Hinweis, dass natürlich gerade in diesem Fall nichts über das Bewegtbild geht:

„Ich verstehe die Kritiker über Ergebnis, aber ich kann nicht akzeptieren die Kritiker über Profi, unsere Arbeit.“

„Die verletzt sind nur der Knödel, der Knie e de andere Situation. Nur Gott sei Dank ein paar de Faserrissen. Warum? Erfahrung in Kopf!“

„Fehler sind Fehler, und Verletzungen sind besonders.“

„Ich bin ein Profi über Physiologie, 13 Jahre, 21 Erfolg! Was verstehe Sie wenn gucke eine Training?“

„Musse verstehen, warum wir machen wenig oder nicht. Mussen verstehen, wenn wir läuft 90 Minuten, haben wir bewiesen viele Male.“

„Was kenne Sie über die … was Stress habe die Spieler in Kopf?“

„Ich verstehe de Leute: bezahlt, richtig sein, und pfeif. Kein Problema, lassen pfeif. Is richtig, wir verloren, wir akzeptieren dieses.“

„Ich verstehe in Training, ich verstehe auch die Spieler. Ich verstehe! Nicht Sie!“

„Die Wörter sind einfach, sehr einfach Wörter. Wer kann machen, machen. Wer kann nicht machen, sprechen. Wer kann nicht sprechen, nicht schreiben!“

„Wir sind Führer in Tabelle?! Oh!“

(Der Auftritt in der extended version: https://www.youtube.com/watch?v=jToIQBBJayw)

Zuerst erschienen auf Du gehst niemals allein

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Neubrandenburg Sport

50 Jahre Fußball-Knabenturnier in Neubrandenburg – Meine Sicht auf einen besonderen Tag

Knabenturnier

Das hier ist meine Sicht auf das Knabenturnier. Ich sitze mit den Kollegen auf einer Empore, sehe mir die Spiele an und schreibe darüber. Neben uns haben die Schiedsrichter ihr Lager, manchmal werten sie nach einem Spiel noch mal eine knifflige Situation aus. Die Fotografen und Videofilmer flitzen regelmäßig die Treppe runter und wieder hoch, denn die Fans, die nicht in der Halle sein können, wollen schließlich nicht nur lesen von ihren Jungs, sondern sie auch sehen.

toppiAm Morgen bin ich ganz früh aufgestanden, habe mir zum einzigen Mal im Jahr das Polo-Shirt mit dem nordkurier-Fähnchen drauf aus dem Kleiderschrank geholt, mir das Eintrittskartenbändchen, den Laptop und was zu trinken geschnappt, und dann nix wie los zum Jahnsportforum. Jedes Jahr aufs Neue freue ich mich auf diesen Tag. Es wird anstrengend werden, ja, aber es ist diese Art von Stress, die einen vor allem glücklich macht.

Davon sehe ich an diesem besonderen Tag sehr viel: schwer beschäftigte, aber glückliche Menschen. Sie haben tage-, wochen-, sogar monatelang auf diesen Tag hingearbeitet, und jetzt genießen sie die Früchte ihrer Mühen.

Junge Fußballer, die merken, dass ihnen auch vor 3000 Zuschauern die so lange geübte Finte gelingt.

Ambitionierte Trainer, die stolz auf ihre gerade mit dem Fair-Play-Pokal ausgezeichnete Mannschaft sind.

Fleißige Helfer, die dem Turnier Zeit, Kraft, Stimme und Geld schenken und mit der fünften La Ola in Folge belohnt werden, die während des hinreißenden Finalspiels durchs euphorisierte Publikum schwappt.

Leidenschaftliche Zuschauer, die die Mannschaft ihrer Herzen engagiert unterstützen und dafür einen Tag lang allerbeste Sport-Unterhaltung serviert bekommen.

Und die manchmal viele Jahre später einen Namen lesen, der ihnen irgendwie bekannt vorkommt. Frank Rohde. Andreas Thom. Matthias Sammer. Bernd Schneider. Michael Ballack. Tim Borowski. Thomas Hitzlsperger. Manuel Neuer. Jérôme Boateng. Thomas Müller. Toni Kroos. Mario Götze. „Sag mal, haben wir den nicht damals schon einmal beim Knabenturnier dribbeln gesehen?“

Auf großer Bühne Fußball zu spielen: Davon träumen – so wie oben auch der kleine Junge rechts auf dem Bild – alle, die beim Knabenturneir um den Sieg kämpfen. Und das, finde ich, das macht diesen Tag auch so besonders: Dass er für einige der Nachwuchsfußballer ein Schritt auf dem langen Weg ist, sich diesen Traum von der ganz großen Bühne eines Tages selbst zu erfüllen.

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Dieser Text ist eine leicht modifizierte Fassung des Epilogs im 200-Seiten-Buch „Eine runde Sache: 50 Jahre Fußball-Knabenturnier“, das ich die Ehre hatte, im vergangenen Jahr für den Mecklenbook-Verlag zusammenstellen zu dürfen. Darin: natürlich die gesamte Turnier-Historie, die Erklärung, wie das Knabenturnier und der WM-Titel 2014 zusammenhängen, ein ganzer Schwung Bilder von 1966 bis 2015, jede Menge Geschichten, Hintergründe und Anekdoten sowie selbstverständlich ein üppiger Statistik-Teil.

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Dieses Jahr hat es wieder viel Spaß gemacht. Der Arbeitsnachweis: Hier, unter Newsticker, sowie natürlich hier und am Knabenturnier-Tag auch mal kurz hier. Schön, dass selbst beim großen Jubiläum vor allem die fußballspielenden Jungs im Mittelpunkt standen. Und ein ganz großer Dank an Bayer Leverkusen: für ein tolles Geburtstags-Video, für stets großartige Jungfußballspieler – und für dieses ganz persönliche Geschenk:

knabenturnier_bayer

knabenturnier_schrift

knabenturnier_name

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Musik

Kassettenschnipsel: MC Bernd und DJ Hartmut

Die beiden kalauerten sich in den frühen 90ern stundenlang durchs Sonntagnachmittagprogramm bei DT64. Der Sendungsname war Programm: Dr. Kaos. MC Bernd war der aus Stralsund stammende Moderator Karsten Blumenthal (Wiki, Homepage), der heute beim Kika arbeitet. DJ Hartmut heißt laut dieser Quelle (die einzige im Netz, es steht in der Anmerkung zum letzten Artikel) Kai Schulze, und da verliert sich die Spur. Und irgendwo habe ich noch eine ganze Dr.-Kaos-Kassette, die kommt dann hier auch irgendwann mal rein.

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Neubrandenburg

Die POS 5 „Antonin Zapotocky“ / IGS Mitte in Neubrandenburg gibt es nicht mehr

(Klick auf die Bilder startet Bilder-Slideshow)

POS 5 Antonin Zapotocky

Anlässlich eines bevorstehenden Klassentreffens habe ich mich mal aufgerafft (okay, es waren ein paar Klicks, mehr nicht) und die im September 2011 und März 2012 geknipsten Bilder meiner Schule endlich in die Wolke schweben lassen. Da es seit der Schulzeit mit Menschen generell und Kindern im Besonderen hier etwas rarer geworden ist, brauchte niemand mehr einen derart überdimensionierten Kasten. Was dagegen immer nötiger wird: Wohnungen in Innenstadtnähe. Also: Abriss.

Abriss IGS Mitte

In der Neubrandenburger Innenstadt stand bis vor drei Jahren ein Gebäude, in dem ich zehn Jahre meines Lebens zu einem nicht ganz unbeträchtlichen Teil verbracht habe. Das Haus war kein schönes, aber auch keines der Standard-DDR-Baukasten-Schulen wie die POS 18 auf dem Lindenberg. Die Schule bot eine spacige Turnhalle, den Wunderwall gleich nebenan und Russisch-Unterricht ab Klasse drei. Sie trug den Namen des zweiten kommunistischen Staatspräsidenten der Tschecheslowakei und ersetzte nach der Wende das Wortungetüm „Polytechnische Oberschule“ mit dem Wortungeüm „Integrierte Gesamtschule“, nur dass eben der Staatspräsident ersatzlos gestrichen wurde.

Und wie das mit Schulzeiten eben so ist: Es war eine schöne Zeit. Es gäbe viel zu erzählen, aber das macht Opa dann lieber erst mal am Wochenende in analog. Ich freu’ mich schon.

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Familie

So wurde 1980 zum Geburtstag gratuliert

Telegramm

Jawoll, mit einem gepflegten Geburtstagstelegramm. Für die Jüngeren: Das ist das, was ihr heute dem Jubilar in seine Facebook-Chronik pinselt. Die findet man allerdings nicht in 35 Jahren beim Aufräumen wieder, schätze ich mal.

Aber wer weiß …

telegramm

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Neubrandenburg Politik

Fakten über Neubrandenburg – Heute: Oberbürgermeisterwahl

Zu Jahresbeginn ist das aktuelle Statistische Jahrbuch der Stadt Neubrandenburg erschienen. Das Ding ist knapp 230 Seiten dick (die PDF wiegt 3,3 MB) und behandelt alle Themen von Abfallentsorgung bis Zuzüge, die sich irgendwie in Zahlen pressen lassen. Ein paar interessante Fakten sollten aber nochmal extra gewürdigt werden, finde ich.

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Neubrandenburg sucht einen neuen Bürgermeister. Sechs Kandidaten werden am 1. März die Nachfolge von Paul Krüger (CDU) anzutreten versuchen, der seit 2001 Oberbürgermeister der Stadt ist.

Zum letzten Mal gewählt wurde Krüger im Jahr 2008. Damals bekam er bei der Hauptwahl am 18. Mai 26,8 Prozent der Stimmen, das waren knapp 7000 Stimmen. In sieben von zehn Stadtgebieten bekam er die meisten Stimmen, nur im Reitbahnviertel (Einzelbewerber Hans-Joachim Schröder), in der Innenstadt und im Stadtgebiet Süd (jeweils Irina Parlow, Die Linke) war die Konkurrenz stärker.

Da kein Kandidat die absolute Mehrheit auf sich vereinen konnte, gab es am 1. Juni 2008 eine Stichwahl zwischen Krüger und Schröder. Dabei wurden 19.736 Stimmen abgegeben. Paul Krüger gewann mit 52,3 Prozent, also 10.327 Stimmen. Letztendlich haben 459 Stimmen die Wahl entschieden. Hans-Joachim Schröder konnte lediglich im Reitbahnviertel (knapp) und im Stadtgebiet Süd (deutlich) gewinnen, im Datzeviertel gab es ein Unentschieden.

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Medien

Unterwegs mal schnell eine Adresse suchen, 1983er-Version

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Ich möchte gar nicht wissen, wie viel Benzin in den Achtzigern draufgegangen ist, weil Vergessliche mit einem großen Freundeskreis permanent kiloweise Telefonbücher durch die Gegend gefahren haben. Na gut, irgendwann sind wir soweit und chauffieren dann eben kiloweise Medienserver mit unseren nachhaltigen Hybridkarren. Alles fließt.

Aus: „Reißverschluß & Rotweinfleck. 999 neue praktische und ungewöhnliche Haushaltstips“, Mary Ellen, Delphin Verlag, München, Zürich, 1983.