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Medien Neubrandenburg

Nordkurier: Arbeitsnachweis und Linkschau Januar 2013

nordkurier_logoMal ein paar kleine Hinweise auf Themen, die ich jüngst für den Nordkurier bearbeitet habe:

Der niederländische Schweinezüchter Adriaan Straathof baut in MV riesige Mastanlagen. Dabei geht nicht immer alles mit ordentlichen Sachen zu. Eine Zusammenfassung des aktuellen Stands der Dinge inklusive Verweis auf die jüngste WDR-Doku zum Thema gibt es hier.

Die Zeit schreibt über das kleine Wirtschaftswunder in Neubrandenburg. Die Daten sind leicht veraltet, aber man freut sich ja über jedes „Juchhe“, was je über den Nordosten publiziert wird. Dennoch: „Boomtown“ würde ich die Viertorestadt nun nicht unbedingt nennen wollen. Auch die Nordkurier-Leser sehen das recht differenziert.

Morgen wird er es tun. Lance Armstrong, Radrennfahrer aus den USA, gesteht systematisches Doping. Seine Tour-de-France-Siege sind längst aus der Historie gestrichen. Und jetzt weint sich der Herr Erbarmstrong bei Oprah Winfrey aus. Ein Kommentar.

Das 47. Fußball-Knabenturnier ist Geschichte. Zusammen mit dem guten Monaco Franze habe ich traditionell die Quasi-Live-Spielberichte verfasst. Was sonst noch rund ums größte D-Junioren-Hallenturnier Deutschlands passiert ist, fasst der Facebook-Auftritt des Knabenturnier gut zusammen.

Und dann noch etwas, was Kollege Hartmut Nieswandt seit ein paar Wochen fortschreibt: Eine Serie über die Wiekhäuser der Neubrandenburger Stadtmauer. „25 Glücksfälle in der Stadtmauer“ nennt es die Redaktion, und ich finde, jeder echte Neubrandenburger sollte halbwegs wissen, was sich in den Wiekhäusern so abspielt.

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Sport

Ja. Das war schön.

Es ist ein klein wenig doof, das erst jetzt aufzuschreiben, jetzt, wo Helmut Haller gestern gestorben ist. Aber ich hatte nach diesem Termin in der Justizvollzugsanstalt Waldeck bei Rostock vor sechs Jahren nichts mehr gehört von Helmut Haller, ich wusste nicht, dass er an Demenz erkrankt war.
73 Jahre sind zu früh.

Elegant war er angezogen, etwas zu elegant für diesen Anlass. „Anstoß für ein neues Leben“ heißt das Resozialisierungsprojekt der Sepp-Herberger-Stiftung, für die Haller an die Küste gekommen war. Mit dunklem Anzug und offenem Kragen am schwarzen Hemd stach der Vizeweltmeister von 1966 die versammelte regionale VIPschaft in den Kategorien Mode und Coolness locker aus; mit seiner Art sowieso. Haller plauderte und hörte doch zu, er beobachtete und war doch immer mittendrin, selten, dass der beflissene Staatssekretär von seiner Seite wich. Er ließ es sich nicht nehmen, nach dem Ehrenanstoß den Ball kurz noch ein wenig zu jonglieren und vermied beim Smallltalk mit den Gefangenen doch – im Gegensatz zur Anstaltsleitung – das ganze Turnier über den peinlich-kumpeligen Stammtischfußballjargon.

So ein strengjovial auf den Ascheplatz gerufenes „Aber Blutgrätsche is heute nicht, hört ihr!?!“ hätte wohl auch nicht zu Helmut Haller gepasst.

Helmut Haller war von den einleitenden Worten der Verantwortlichen über den Resozialisierungsvortrag des Sekretärs, den Anstaltsrundgang, die Autogrammviertelstunde, den Ehrenanstoß bis hin zur Pokalübergabe dabei. Es waren einige Stunden, und ich habe ihn immer leicht lächeln gesehen, er war immer freundlich und nie scheißfreundlich, die Fußballlegende wirkte neben dem dürren Glatzkopf (zwei Jahre wegen Raubüberfall) fast ein wenig schüchtern. In einem kurzen Gespräch mit den Insassen habe ich sie gefragt, was sie denn von Helmut Haller halten würden und ich glaube bemerkt zu haben, dass sie versuchten, ihre Worte ein bisschen sorgfältiger auszuwählen als sonst an diesem Tag.

Der Fußballer hatte sich im Gefängnis Respekt verschafft.

Vor dem Finale bekam ich die Gelegenheit, mich mit Helmut Haller direkt am Spielfeldrand ein wenig zu unterhalten. Und wie das so ist, ich habe die Chance nicht gut genutzt, ich tüftelte zu lange über meinen Fragen, bekam ein paar Statements für den Bericht, probierte mich vorsichtig in gehobenem Smalltalk. Kein Pressesprecher weit und breit, die Sonne schien, der Mann freute sich, in Ruhe Fußball sehen zu können, und ich kam nicht so recht über das „Was bedeutet es Ihnen, hier zu sein?“-Niveau hinaus.

Nun ja. Wenigstens habe ich ihn nicht nach 1966 gefragt.

Schließlich das Finale, der Abpfiff. Helmut Haller atmet tief durch und sagt: „Ja. Das war schön.“ Dann steht er auf und geht zur Siegerehrung.

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Bild Neubrandenburg

Das Blechmonster an der Stadtmauer ist weg – Abbruch der Turnhalle IGS Mitte Neubrandenburg

turnhalle19

Die etwa 60 Meter lange Sprintstrecke neben der Halle – vergrast. Die Weitsprunggrube – ein Biotop. Das Parkett weg, die Basketballkörbe netzlos, der Eingang verströmt den Charme einer Industrieruine. Die Turnhalle der ehemaligen Integrierten Gesamtschule Mitte und der noch ehemaligeren POS 5 „Antonin Zapotocky“ in Neubrandenburg war der blechschimmernde architektonische Kontrapunkt des Sozialismus zum nur wenige Meter entfernten Mittelalter-Trutz der Stadtmauer und ihrer stadtstolzen Wiekhäuser.

Bilder der Halle vor und während des Abrisses lagern bei flickr oder in der folgenden Slideshow.

Abriss Turnhalle POS V

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Familie

Trash Talk

PROLOG
Er: 1,12 Meter
Ich: 1,83 Meter

SZENE
Also ein Wettkampf. Ein kleiner zwar, unbedeutend und wenig aussagekräftig. Aber: Ein Wettkampf. Mann gegen Männchen. Ein Korb, ein Ball, eine Regel: Zwei Freiwürfe; wer mehr trifft, hat gewonnen. Es ging um nichts, um nichts Geringeres als die Ehre. Es gab einen Sieger und, was viel entscheidender ist, einen Verlierer.

Denn er hasst verlieren.

Er lungert beim Fußballtraining lieber halbe Ewigkeiten im Tor herum, als im Mittelfeld Gefahr zu laufen, zufällig den Ball zu verlieren. Er lässt seine Schwester lieber allein videospielen, weil er um ihre fingerkoordinative Überlegenheit weiß. Er trainiert sich in der Kunst des Memory offenbar lieber mehrere Stunden am Tag, nur um seine Eltern regelmäßig höchst entspannt abzocken zu können. Er mag eben viel lieber gewinnen.

schuppenkorb

Daher hatte ich für einen Moment überlegt, wirklich so kurz vor dem Abendbrot noch ein Freiwurf-Battle mit ihm austragen zu wollen. Wir hatten locker ein paar Körbe zusammen geworfen, Pass-Rückpass-Wurf, ganz easy, die Stimmung war prächtig; selbst die sonst unbeliebte Hochgeh-Ankündigung die letzten Würfe jetzt hatte er gutgelaunt mit einem typischen Na wenn es denn unbedingt sein muss erwidert. Warum also diese kleine Basketball-Idylle durch einen übermütig angesetzten Mini-Wettkampf unnötig gefährden?

Er könnte schließlich verlieren.

Diese Art Abwägen kommt nicht selten vor. Er muss es lernen, ja, aber auch Eltern haben mal ein Recht auf Ruhe. Jedoch ich wagte den Wettkampf und warf ihm mit einem sanft herausfordernden Du fängst an! den Ball zu. Er fing, stellte sich an die flink in den Sand gezogene Linie. Und warf: einen daneben, einen rein. Dann ich: einen rein, einen daneben. Unentschieden, nochmal jeder zwei.

Ich beobachtete seine Aufgeregtheit, das Kind war fixiert auf den Korb und total erpicht darauf, seinen Vater zu besiegen. Der gesamte Inhalt diverser Entwicklungserklärbuchkapitel sammelte sich in diesem Moment in meinem Sohn. Er warf – daneben. Die drohende Niederlage verfinsterte seine Miene, jetzt ein falscher Witz meinerseits, und mein Sensibelchen liefe wohl wütend zu Mami. Ich verzichtete gnädig und sah den zweiten Wurf glücklich ins Netz plumpsen.

Okay, dachte ich, gestalten wir die Sache noch etwas spannender. Mein erster Wurf – daneben. Mit Absicht. Nach dem zweiten, erfolgreichen, würde ich schließlich im dritten Durchgang gewinnen, man kann ja nicht immer gewinnen, mein Großer, du musst doch nicht traurig sein, es ist nur ein Spiel, es gibt doch Wichtigeres. Und das nächste Mal gewinnst du, versprochen. Er würde wieder etwas dazugelernt haben.

Also ran an die Linie. Der Korb war etwa anderthalb Meter entfernt, knapp über Augenhöhe an die Schuppentür gehängt. Der Ball war recht klein und schön griffig, der Korb scheunentorbreit. Ich konnte gar nicht anders als treffen, mit geschlossenen Augen hätte ich wohl sieben von zehn versenkt. Ich prallte den Ball auf, einmal, zweimal, dreimal, viermal, die Show stimmte. Ich federte aufreizend lange in den Beinen, peilte das Ziel an, blickte zu ihm, blickte zum Korb, atmete aus, und wollte gerade werfen.

Wirf, Kleiner!

Es war der perfekte Zeitpunkt. Es waren die perfekten Worte. Ich blickte wieder zu ihm und sah, dass es auch der perfekte Gesichtsausdruck war. Es war der perfekte Trash Talk. Ich muss in dieser Sekunde ziemlich belämmert ausgesehen haben, er grinste und machte nicht den Fehler, jetzt noch etwas hinterherzusagen. Die beiden Wörter waberten zwischen mir und dem Korb, ich konnte nur noch an diese Frechheit denken, ich warf, ich traf nur den Ring.

Er hatte gewonnen. Und seine Lektion für den Abend gelernt.